Privatsache Organspende

Nach monatelangem politischen Ringen ist der Weg für eine gesetzliche Neuregelung der Organspende frei.

schreibt die TAZ und berichtet weiter über die „Informationsbeschaffung über Organspender“:

Die Abfrage solle künftig etwa beim Versand der Versichertenkarte erfolgen, und zwar „mit so viel Nachdruck wie möglich, ohne jedoch eine Antwort zu erzwingen oder Sanktionen auszuüben“, heißt es in der Erklärung von Union, SPD, FDP und Linkspartei. Wer nicht antwortet, wird also auch nicht bestraft.

Also soll (noch….) nur nachdrücklich genötigt aber nicht gezwungen sollen wir werden, damit der Staat erfahren kann, ob wir Organspender sind.

Generell habe ich überhaupt nichts dagegen, dass der Staat diese Informationen über mich hat. Nur: Im Informationszeitalter bedeutet dies, dass es Datenbanken geben wird, in denen die bundesdeutsche Bevölkerung – mittels Rasterfahndung – auch nach dem idealen Spender (am besten gleich mit der richtigen Blutgruppe!) für ein besonders Organ gesucht werden kann.

Wer den Film Fleisch von Rainer Erler gesehen hat,

 Dabei kommen sie einem international verzweigten Syndikat auf die Spur, das in großem Stil Organhandel betreibt. In einer Spezialklinik in Roswell werden Organe von entführten, betäubten Touristen ungefragt entnommen und von Dr. Jackson und ihrem Assistenten für viel Geld über Organbanken an zahlungskräftige Patienten mit Organdefekten verkauft.

kann sich vorstellen was kriminelle Mitmenschen mit solch einer Datenbank anfangen könnten – sollten (Teile) der Datenbank in falsche Hände geraten. Ich sage nicht, dass diese Datenbank innerhalb kürzester Zeit in falsche Hände kommt. Mir ist nur die Gefahr zu gross, dass dies irgendwann einmal der Fall sein könnte.

Ich bin ein Freund der Organspenden. Ich finde dies ist eine soziale Pflicht gegenüber allen Mitmenschen: Wenn man helfen kann, soll man es tun, solange es ohne allzu unzumutbaren Aufwand möglich ist. Aber was Datenbanken angeht, bin ich lieber vorsichtig. Ich werde keinesfalls die Information, dass ich Organspender bin, in einer zentralen Datenbank erfassen lassen und ich rate es euch, es mir gleich zu tun.

Deutschland verteidigt Besitzstand mit Herzblut und Engagement

In der Süddeutschen warnt der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, davor, dass auch in Deutschland ähnliche Zustände wie derzeit in England möglich sind.

Seltsamerweise leidet auch Wendt unter der mangelnden Krankheitseinsicht, wenn er Ursache und Wirkung vermischt:

„Die Ausschreitungen sind das Ergebnis von krimineller Energie, Verachtung gegenüber dem Staat und sozialer Ausgrenzung einzelner Bevölkerungsschichten“,

Das kriminelle Energie – inbesondere bei den Plünderungen und dem Abfackeln von Wohnhäusern – mit im Spiel ist, wird sicher niemand bestreiten. Die eigentliche Ursache ist aber das Letztgenannte: Die soziale Ausgrenzung, welche erst der Nährboden für die Verachtung  gegenüber dem Staat zur Verfügung stellt.

Unser Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich stellt im selben Artikel fest:

„Solche gesellschaftlichen Spannungen wie aktuell in England oder in anderen europäischen Ländern haben wir glücklicherweise derzeit nicht“, sagte der Minister.

und ich wage zu behaupten, dass er massiv irrt. Vielmehr sind in Deutschland Politik und Medien sehr weit fortgeschritten in dem Bemühen den aus dem – immer dünner werdenden – sozialen Netz gefallenen Menschen mittels Hetzpropaganda und Polemik Duckmäuser zu machen. Bei Friedrich klingt dies dann so

Dafür hätten alle gesellschaftlichen Kräfte mit sehr viel Herzblut und Engagement gesorgt.

Ja, hier wird der Besitzstand und das Aushungern der Arbeitslosen tatsächlich mit sehr viel Herzblut und Engagement bewahrt. Da hat er sicherlich recht.

Damit die Aussage

Deutschland habe den Konsens erreicht, dass Gewalt gegen unbeteiligte Personen kein Mittel sei, mit dem man seine politischen oder sonstigen Ansichten durchsetze.

langfristig weiterhin Gültigkeit haben kann, muss man sich aber um die minderbemittelten kümmern. Man muss ihnen zuhören und dafür Sorge tragen, dass ihnen ein Leben in Würde ermöglicht wird.

Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hat keine Angst vor Unruhen:

Sollten in Berlin „ähnliche Krawalle wie in englischen Städten“ auftreten, könnte Berlin „in kürzester Zeit durch Unterstützung der Bereitschaftspolizeien der anderen Bundesländer und des Bundes eine hohe Polizeidichte erlangen“

Dann bin ich ja beruhigt. Im Zweifel noch den Bundeswehreinsatz im Innern. Jagdbomber über – und Panzer in – Berlin und Hamburg. Super! Und vor allem: Vorher die Überwachungsmassnahmen erhöhen – das ist billiger als dem Volk ein bisschen Würde zu schenken.

Über das parlamentarische System #S21

Wenn unser Wirtschaftsminister Brüderle von der Tagesschau wie folgt zitiert wird:

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle besteht darauf, dass das umstrittene Bahnprojekt „Stuttgart 21“ verwirklicht wird. Wenn getroffene Entscheidungen nicht umgesetzt würden, werde das parlamentarische System beschädigt, sagte der FDP-Politiker dem „Hamburger Abendblatt“. „Deswegen muss Stuttgart 21 auch gebaut werden.“

frage ich mich, was denn das parlamentarische System ausmacht? Ist etwas das gemeint, was Abgeordnetenwatch zum Thema Hamburg und Roland Berger beschreibt?

Man fragt sich allerdings, warum das überhaupt erforderlich ist, denn die Kontakte von Roland Berger zu Eliten in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in der Hansestadt sind bereits jetzt exzellent:

Ist es der Kernpunkt des parlamentarischen Systems, den Konzernen verlässlich Aufträge zuzuschanzen und die Konzerne – wenn man sie schon nicht mehr offen subventionieren kann – mit irren Aufträgen dick und fett zu machen? Natürlich müssen sich Politiker bei Unternehmen beliebt machen. Gut dotierte Berater und Vorstandsposten bekommt nicht jeder daher gelaufene Depp. Nur wer sich in das parlamentarische System eingeschmiegt hat, der darf auch auf eine hohe Betriebsrente hoffen.

Dieses System wird auch im Blog des ZDF beschrieben:

Dabei verhalten sich solche Manager ganz rational: Schließlich hat ihnen die Politik in den vergangenen Jahren jede Menge Möglichkeiten eröffnet, Arbeitnehmer niedrig zu entlohnen – durch Leiharbeit, durch Minijobs. Durch den Druck, den Hartz IV auf das Lohngefüge entfaltet hat. Nirgends in Europa wächst der Niedriglohnsektor so stark wie in Deutschland, vor allem im Bereich unterhalb von 5 bis 6 Euro Stundenlohn.

Dass solche Löhne zum Leben nicht reichen, muss Arbeitgeber nicht zu denken geben. Denn schließlich kommt dann der Staat ins Spiel, stockt die Löhne auf. Arbeitnehmer gehen massenhaft auf die Ämter, um Zuschuss zu beantragen. Der Arbeitswissenschaftler Gerhard Bosch sagt dem ZDF-Magazin Frontal21: „Der Staat wird richtig ausgebeutet und die schlechtesten Unternehmer werden von uns noch mit unseren Beitrags- und Steuergeldern subventioniert. Das kostet im Jahr fast zehn Milliarden Euro und die Summe steigt.“

Ja, das funktionierende parlamentarische System lässt den Staat ausbluten. Aber das ist OK, solange die Konzerne die Politiker an den Erträgen teilhaben lassen.

Nochmal Grundgesetz Art 20?

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

..

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

WIR sind das Volk! Web 2.0 ist das „Mitmach-Internet“ – wir brauchen jetzt (wieder) Politik 2.0.