Klimakleber

Liebe Klimakleber, wir sollten reden. Ich bin ein alter, weißer Mann, aus eurer Sicht quasi der Endgegner. Aber der erste Eindruck täuscht – hoffe ich. Denn gerade wegen meines Alters bin ich nicht nur Vater, sondern auch Großvater. Und als ein solcher kann ich eure Intention sehr gut verstehen und nachvollziehen. Eure Interessen sind auch meine Interessen: den Planeten für folgende Generationen so bewohnbar wie möglich erhalten. Dennoch scheinen uns – leider – Welten zu trennen!

Unsere Gemeinsamkeiten

Ja, wir alle müssen Energie sparen, um die Emissionen zu drosseln. Da stehe ich zu 100 % hinter euch Klimaklebern. Wir können nicht darauf warten, dass die Politik uns alle an die Hand nimmt und jegliche sinnvolle Möglichkeit der Klimarettung durch Gesetze definiert wird. Insbesondere, da es auf der Gesetzgebungsebene zu viele Dilettanten (siehe Thema E-Fuels) gibt. Jeder Mensch kann und muss/sollte (im Rahmen seiner Möglichkeiten!) seinen kleinen Beitrag dazu leisten. Nur sind die Möglichkeiten eben ungleich verteilt.

Ungleiche Möglichkeiten

Die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten sind zahlreich (Reihenfolge zufällig):

  • Verzicht auf Flugreisen
  • Nutzung von ÖPNV/Fahrrad anstelle von Individualverkehr
  • Heizkörper drosseln
  • Wenn Individualverkehr, dann E-Antrieb
  • Weniger Fleischverzehr (es muss nicht unbedingt komplett vegan sein)
  • Möglichst energiesparende Elektrogeräte nutzen
  • Weniger Konsum (z.B. keine „Wegwerfkleidung“)
  • Möglichst lokale/saisonale Lebensmittel kaufen
  • Nicht mehr gebrauchtes auf Tauschbörsen anbieten und nicht wegwerfen
  • Möglichst Bio- und Fairtrade Waren kaufen
  • etc.pp.

Bei Durchsicht der Liste stellt sich – wenn man fair ist – heraus, dass nicht jeder Mensch alles umsetzen kann. Meistens hapert es schon ganz simpel an den finanziellen Möglichkeiten. Menschen sind im Kundendienst, müssen teilweise mit schwerem Werkzeug von Ort zu Ort „tingeln“. Wenn dann das Geld knapp ist, muss der „E-Transporter“ halt noch warten. Lebensmittel und Miete haben Vorrang.

Auch die Themen „Keine Wegwerfkleidung“ und „Bio-Lebensmittel“ sind eine Preisfrage. Hochwertige und somit länger haltbare Kleidung werden sich Menschen im Niedriglohnbereich meist nicht leisten können. Es macht einen Unterschied, ob ein Paar Schuhe „mal eben“ für 20 € erworben werden kann, oder darauf Monate gespart werden muss.

Auch bei den Lebensmitteln ist es leider so, dass die Preisunterschiede bei manchem Einkauf dazu führen, dass es zu einem „besser können wir uns nicht leisten“ führt.

Anmerkung: Ich bin in der glücklichen Lage, obige Punkte bei meinen Kaufentscheidungen berücksichtigen zu können. Aber ich weiß, dass es Menschen in meinem Umfeld gibt, die das nicht können. Diesen Fakt sollten wir bei Gedankenspielen nicht unterschlagen!

Was uns absolut trennt

Nochmal: Eure Ziele unterstütze ich zu 100 %. Allerdings halte ich euren Weg nicht für zielführend, sondern für deutlich kontraproduktiv. Um die gemeinsamen Ziele zu erreichen, muss der Hebel an zwei Punkten angesetzt werden: der Politik und vor allem bei der Bevölkerung. Was nutzt es, wenn ihr (WIR!) die Bevölkerung nicht auf eurer Seite habt, und die Politik wegen des Widerstands der Bevölkerung die sinnvollen Änderungen – wegen wahltaktischen Erwägungen – nicht beschließen kann.

Besser wäre es doch, wenn auch große Teile der Bevölkerung hinter euren Forderungen stehen. Mit Straßenblockaden wird das aber eher nicht passieren. Ja, ihr bekommt viel Presse – aber meistens doch aus der Perspektive geschrieben „Schon wieder Verkehrsstau durch Klimakleber“, „Klimaterroristen“, „Klimaspinner“ und ähnliches. Damit wird der Sympathien-Pegel bei der Bevölkerung nicht erhöht. Eher ist das Gegenteil der Fall: Mit dem „kleben“ wird die gesamte Thematik ins Negative gedreht.

Und nun? Wie geht es besser?

Es müssen Aktionen definiert werden, die einerseits Druck auf Regierung und Konzerne machen, andererseits aber auch – um Synergien zu erzeugen – von der Bevölkerung mitgetragen werden. Wäre es nicht toll, wenn sich während einer Aktion zufällig anwesende Bürger spontan dazu entschließen mitzumachen? Zum einen muss die Aktion verstanden werden und andererseits den Umstehenden die Möglichkeit gegeben werden, sich zu solidarisieren. Welcher ältere Herr fühlt sich spontan motiviert, sich auf die Straße zu kleben?

Liebe Klimakleber, definiert die größten Klimasünder, vor allem diejenigen, die relativ einfach ihr schändliches Treiben minimieren oder gar komplett abstellen können. Und vor allem: Adressiert diejenigen, die immer der Energiewende im Wege stehen (wieso muss ich jetzt an Söder denken?). Die Auswahl der Aktionen bedarf eines größeren Brainstormings, inklusiver umfangreicher Recherche. Vielleicht kommt von mir ja auch nochmal ein Artikel dediziert zu diesem Thema. Aber „ihr“ seid viele und ihr seid nicht dumm. Lasst euch doch vielleicht auch mal etwas Produktiveres einfallen.

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