Deutschland verteidigt Besitzstand mit Herzblut und Engagement

In der Süddeutschen warnt der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, davor, dass auch in Deutschland ähnliche Zustände wie derzeit in England möglich sind.

Seltsamerweise leidet auch Wendt unter der mangelnden Krankheitseinsicht, wenn er Ursache und Wirkung vermischt:

„Die Ausschreitungen sind das Ergebnis von krimineller Energie, Verachtung gegenüber dem Staat und sozialer Ausgrenzung einzelner Bevölkerungsschichten“,

Das kriminelle Energie – inbesondere bei den Plünderungen und dem Abfackeln von Wohnhäusern – mit im Spiel ist, wird sicher niemand bestreiten. Die eigentliche Ursache ist aber das Letztgenannte: Die soziale Ausgrenzung, welche erst der Nährboden für die Verachtung  gegenüber dem Staat zur Verfügung stellt.

Unser Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich stellt im selben Artikel fest:

„Solche gesellschaftlichen Spannungen wie aktuell in England oder in anderen europäischen Ländern haben wir glücklicherweise derzeit nicht“, sagte der Minister.

und ich wage zu behaupten, dass er massiv irrt. Vielmehr sind in Deutschland Politik und Medien sehr weit fortgeschritten in dem Bemühen den aus dem – immer dünner werdenden – sozialen Netz gefallenen Menschen mittels Hetzpropaganda und Polemik Duckmäuser zu machen. Bei Friedrich klingt dies dann so

Dafür hätten alle gesellschaftlichen Kräfte mit sehr viel Herzblut und Engagement gesorgt.

Ja, hier wird der Besitzstand und das Aushungern der Arbeitslosen tatsächlich mit sehr viel Herzblut und Engagement bewahrt. Da hat er sicherlich recht.

Damit die Aussage

Deutschland habe den Konsens erreicht, dass Gewalt gegen unbeteiligte Personen kein Mittel sei, mit dem man seine politischen oder sonstigen Ansichten durchsetze.

langfristig weiterhin Gültigkeit haben kann, muss man sich aber um die minderbemittelten kümmern. Man muss ihnen zuhören und dafür Sorge tragen, dass ihnen ein Leben in Würde ermöglicht wird.

Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hat keine Angst vor Unruhen:

Sollten in Berlin „ähnliche Krawalle wie in englischen Städten“ auftreten, könnte Berlin „in kürzester Zeit durch Unterstützung der Bereitschaftspolizeien der anderen Bundesländer und des Bundes eine hohe Polizeidichte erlangen“

Dann bin ich ja beruhigt. Im Zweifel noch den Bundeswehreinsatz im Innern. Jagdbomber über – und Panzer in – Berlin und Hamburg. Super! Und vor allem: Vorher die Überwachungsmassnahmen erhöhen – das ist billiger als dem Volk ein bisschen Würde zu schenken.

22 Gedanken zu „Deutschland verteidigt Besitzstand mit Herzblut und Engagement

  1. Die Erkenntnis, daß soziale Ausgrenzung dazu beiträgt, ist doch lobenswert. Das mit der „Verachtung für den Staat“ ist aber Quatsch. Wäre es der Staat, der da das Ziel der Verachtung ist, würde nicht der kleine Eckladen der Immigrantenfamilie das Ziel der Plünderungen und Brandschatzungen. Es ist viel mehr das „System“, zu dem jeder zählt außer dem direkten eigenen Umfeld, insbesondere jeder, der nicht im Selbstmitleid ertrinkt, sondern auch unter schwierigen Umständen versucht, mit eigener Energie eine lebenswerte Existenz aufzubauen und zu erhalten.

    Denn bei diesen Krawallen („Proteste“ mag ich sowas nicht nennen) spielen Schuldzuweisungen eine große Rolle: Alle sind schuld, nur nicht ich, ich bin ein Opfer der Umstände. Natürlich weiß ich, daß die Situation arbeitsloser Jugendlicher in Großbritannien nicht rosig ist, und ich vermute, sie ist deutlich schwieriger als in Deutschland. Aber das entschuldigt nicht die frühe Selbstaufgabe schon in der Jugend („hat doch eh alles keinen Sinn“), die dann natürlich geradewegs in die Jugendarbeitslosigkeit und entsprechend unbefriedigende wirtschaftliche Situation führt. Ich bin absolut sicher, daß auf jeden, der sich anhaltend, aber erfolglos, um einen sinnvollen Lebensinhalt bemüht, mindestens zwei kommen, die schon angesichts geringer Hindernisse frühzeitig erkannt zu haben glauben, daß es nur am „System“ liegt und keineswegs an ihnen selbst.

    Ich halte es durchaus für notwendig, durch eine vernünftige Sozial- und Wirtschaftspolitik die Situation aus schwachen wirtschaftlichen Verhältnissen kommender junger Menschen zu verbessern. Aber nichts, aber auch gar nichts, entschuldigt die Entfachung bürgerkriegsähnlicher Zustände zu Lasten derer, die nicht solche erbärmlichen Jammerlappen und Vollversager sind und nun vor den schwelenden Ruinen ihrer hart erarbeiteten Existenzen stehen.

    • @buntklicker.de:

      Einer der Krawallisten in England sagte sinngemäß dem Reporter (oder der Reporterin): „Als wir letztens friedlich Demonstriert hatten, stand davon nichts in der Presse. Erst durch die Ausschreitungen werdet ihr aktiv“.
      Das ist einer der Gründe, warum nicht nur stupide Krawallmacher dort rumlaufen, sondern auch intelligente Leute. Sie merken: mit friedlichem Protest erreicht man nichts. Ich befürchte, in Deutschland wäre das ähnlich. Wenn 100 frustrierte Leute vor dem Reichstag protestieren, dann geht das vielleicht durch die Lokalpresse. Wenn allerdings eine handvoll Leute über Monate Autos abfackeln, dann schlägt das viel höhere Wellen. Konnte man in der Vergangenheit ja schon sehen. Man könnte jetzt verschwörerln und behaupten, dass genau das von „oben“ gewollt ist. Leider bringt weder das eine noch das andere was. Durch Gewalt sehen sich die Überwacher und Unterdrücker bestätigt und fordern mehr, was dann der hirngewaschene Regenbogengebildete auch brav unterschreibt. Wenn man in letzter Zeit mal wieder auf der DDR rumhackt (klar gings euch gut, wenn ihr mitgeschwommen seid), dann seh ich da klare Parallelen. Hier gehts mir auch gut, wenn ich mitschwimme. Die Mechanismen sind die selben. Hirnwäsche durch die Medien, kleinhalten der Aufmüpfigen und Ausweitung von Überwachung und Unterdrückung. Mal sehen, wann wir ne neue Mauer bauen, damit nicht mehr so viel wichtige Leistungsträger abhauen.

      • @Ben: Wenn es nur 100 Leute sind, dann ist es eigentlich auch gut so, daß es untergeht. Wenn Du Dir aber die Geschichte der Umweltschutzbewegung in Deutschland ansiehst, dann siehst Du, daß friedlicher Protest durchaus etwas Positives bewirken kann. (Ja, ich weiß, Holger mag die Grünen nicht [mehr].) Es dauert nur halt länger, aber es ist möglich.

        Ich habe die von Dir zitierte Äußerung auch gelesen. Ob es aber ehrlich gemeint oder nur eine freche Ausrede ist? Wer weiß das schon. Eins jedenfalls ist sicher: Durch Krawallmachen wird es nicht besser, dadurch diskreditiert man nur den legitimen Protest. Deswegen setzt die deutsche Polizei ja so gerne auf gezielte Eskalation, wie neulich bei S21 oder auch vor ein paar Jahren in Rostock.

        • @buntklicker.de:

          Sicher ist Randale nicht zielführend, aber wenn sich erstmal ein Mob zusammenrauft und ein effizienter Anstifter drunter ist, geht das ruckzuck. Friedliche Proteste haben schon was gebracht, allerdings dauerte das immer sehr lange und war jetzt nicht auf grundlegende Mängel begründet. Es ist ein unterschied, ob ich 10 Jahre für eine saubere Umwelt protestiere oder ob ich 10 Jahre für Existenzsicherung protestiere. Letzteres hat viel höheres Frustpotential und entlädt sich irgendwann schlagartig. Ich will das nicht befürworten, aber meiner Meinung nach sind das zwei Paar Schuhe: wogegen die Leute in England gewaltsam losziehen ist was andres als hier gegen z.B. den Castor zu protestieren.

          • @Ben: Stimmt, sie ziehen gegen eine Perspektivlosigkeit los, die sie, wenn auch begünstigt durch die ihnen von außen aufgedrückte Situation, maßgeblich mit geschaffen haben. Und das soll nun besser sein?

            @Holger: Es mußte beides zusammenkommen. Erst die Umweltschutzbewegung seit den 80ern hat einen Bewußtseinswandel eintreten lassen, der den Atomausstieg möglich gemacht hat, auch wenn es den Fukushima-Tropfen brauchte, um das Faß überlaufen zu lassen.

          • @Holger: Nein, natürlich nicht. Der Atomausstieg war ja bereits unter Rot/Grün beschlossen worden, und zwar nicht unter dem unmittelbaren Eindruck einer Katastrophe. Nicht einmal Schwarz/Gelb hat es gewagt, ihn grundsätzlich offen in Frage zu stellen, wissend, daß die Bevölkerung das nicht geschluckt hätte.

  2. „Und vor allem: Vorher die Überwachungsmassnahmen erhöhen – das ist billiger als dem Volk ein bisschen Würde zu schenken.“

    Eben nicht. Und das ist eigentlich das Erschreckende: es wäre (gesamtwirtschaftlich) viel billiger, allen Menschen Würde zu finanzieren. Aber dann könnten einige wenige Menschen nicht mehr 5 Milliarden haben, sondern nur noch 4 Milliarden.

    So wird kaputtgespart, was geht und dann mit viel mehr Geld wieder aufgebaut.

  3. Wie soll die Gemeinschaft in Frieden sein miteinander funktionieren, wenn eine kleine kriminelle Minderheit ihr Privileg, Geld aus dem blanken Nichts zu drucken, dieses skrupellos gegen die gesamte Welt einsetzt?

    Hätten die Mitspieler beim Monopoly-Spiel noch eine Chance, wenn einer das Recht hätte, das Geld selbst zu machen? Natürlich nicht.
    Warum aber soll das im richtigen Leben weiterhin erlaubt sein?

    Müssen wir erst alle (noch mehr) versklavt sein? Soll den Staaten gar nichts mehr gehören? Nur noch alles „privaten Investoren“? Ist das das Ziel? Dann sage ich schon mal gute Nacht! Was private Investoren wollen, ist raffen, raffen, raffen. Die Welt gehört jetzt schon mehr oder weniger einigen mächtigen Familien. Staaten sind doch nur noch Pseudo-Demokratie-Veranstaltungen. Und wie am Beispiel EU sieht, werden sie Staaten auch bald Geschichte sein.

    Die ganzen Probleme, die wir haben, alle, und die ganzen Perversionen, die sich daraus ableiten, sind nur darauf zurückzuführen, dass die breite Masse immer mehr gezwungen ist, völlig irre Dinge zu tun, um einfach zu überleben.

    Sie dürfen nicht nur kein Geld drucken – warum eigentlich nicht? nach dem Grundsatz der Gleichberechtigung sollten es alle dürfen oder keiner! Oder sind Bankster etwas besonders? – sondern müssen darüber hinaus noch die Zinsen erwirtschaften.

    Man denke das zu Ende, das allein für sich ist schon Wahnsinn. Irgendwann wird sich aller materieller Reichtum – d. h. die Sicherheiten für alle aus dem Nichts geschöpften Gelder – in einer Hand befinden.

    Und dann? Meint einer, der, oder die paar, die das erreicht haben, teilen dann oder sind plötzlich die netten Jungs von nebenan?

    Sie haben auf dem Weg dahin MILLIARDEN von Menschen umgebracht, vergiftet, verstümmelt, kontaminiert, die Erde zu einer Müllhalde gemacht.

    Die Weltgemeinschaft muss sich jetzt dafür entscheiden, dieses Zinseszins-Geldsystemmonopol (auf materiellen Gütern aufbauend) zu beenden!

    Nur jetzt geht da noch! Bald wird es zu spät sein! Eigentlich ist es jetzt schon fast aussichtlos, wenn man bedenkt, welche Armeen allein diesen Verbrechern zur Verfügung stehen, die sie auch wie man am Beispiel Afghanistan, Irak, Libyen und ungezählten anderen Kriegsschauplätzen ohne Skrupel einsetzen. Desweiteren sind sie auch mit ihrer Gentech-Pest schon weiter als uns allen lieb ein kann. Bald wird keiner mehr auch nur ein Gras wachsen lassen dürfen, ohne Lizenz zahlen zu müssen und es jedes Jahr neu zu kaufen!

    Man sollte sich in Erinnerung rufen, dass ALLE US-Präsidenten, die das Geldsystem ändern wollten und die Macht der Bankster drastisch beschneiden wollten, kurzerhand umgelegt wurden.

  4. @ Buntklicker und RZ:

    Um Gottes willen, ich will keinesfalls sagen, dass die gewaltsamen Aktionen besser sind oder dass es ohne die nicht geht. Mir stört nur, dass viele Leute total erschüttert sind, was da abgeht. Das ist eben so. Wenn ich den Druck erhöhe, platzt der Kessel irgendwann. Das ist nicht gut und auch nicht immer zielführend, aber es ist nun mal so. Mit friedlichen Mitteln oder legalen Mitteln erreicht man schon seine Ziele. Aber meistens ist das zu umständlich oder es dauert zu lange. Dann ist eben die „JETZT REICHTS“-Schwelle überschritten und man greift zur Axt. Man sieht ja in Deutschland, was passiert, wenn man mit legalen Mitteln versucht, was zu erreichen. Streiks werden vor Gericht gezerrt, Demonstranten werden „kriminalsiert“, Volksbegehren werden ignoriert usw.
    Ich sage ja nur: Es kommt eben irgendwann dazu, wenn sich lange genug Wut aufstaut. Ich heiße das keinesfalls gut, da ich generell ein friedliebender Mensch bin und lieber jede heikle Situation mit allen Anwesenden totquatsche. Das kann ich besser als zuhauen! 😀
    Fazit: Gewalt in UK ist schlimm, aber nicht verwunderlich. Sowas kommt von sowas.

    • @Ben: Grundsätzlich bin ich da ja bei Dir, nur bei den sog. „Streikenden“ muß ich Dir widersprechen: So, wie Streiks in letzter Zeit in Deutschland meist laufen, geht es immer um ohnehin schon recht gut bezahlte exponierte Arbeitnehmergruppen, wie Lokführer, Piloten oder Fluglotsen, die weitere Privilegien zu Lasten ihrer weniger privilegierten Kollegen und/oder der Allgemeinheit durchdrücken wollen. Das ist genau dieselbe Denke wie bei Investmentbankern, die nichts dabei finden, wenn ihre Banken erst von der Allgemeinheit gerettet werden, nur um ihnen dann fette Erfolgsboni bezahlen zu können. Die eigenen Partikularinteressen nach vorne, und scheiß auf alle, die zufällig nicht am Hebel sitzen.

      Meine Meinung: Wenn Du mit Deinem Gehalt und Deinen Arbeitsbedingungen nicht zufrieden bist, dann kündige und suche Dir einen anderen Job, der besser bezahlt ist. Du findest keinen? Vielleicht ist Deine Arbeit einfach nicht mehr wert, als Du zur Zeit verdienst. Du meinst, wenn nur Du das tust, dann wirkt es nicht? Könnte sein. Wozu gibt es Gewerkschaften? Wenn alle Fluglotsen gleichzeitig ihre fristgerechte Kündigung einreichen, könnte es zu einem spontanen Umdenken der DFS kommen.

      • @buntklicker.de:
        Ich kann das Märchen von der Entsozialisierung nicht mehr hören. Jeder, der das erzählt, will entweder, dass „die da unten“ auch dort bleiben oder dass alle gleich sind. Und gerade letztes sind wir eben nicht. Es war schon immer so und wird auch so bleiben, dass Leute mit einer wichtigen „Stellung“ andere quasi erpressen können.

        Sieht man sich aber die Forderungen der Lokführer oder auch Fluglotsen genauer an, kann man keinem wirklich vorwerfen, dass sie gierig wären. In beiden Fällen fehlen tausende Mitarbeiter und das Problem ist eben nicht erst seit 2-3 Jahren bekannt. Bei der Flugsicherung geht es hauptsächlich um mehr Mitbestimmung, damit eben sowas nicht passiert und bei den Lokführern der DB war es zuletzt die Weigerung die Löhne auf Privatbahnenniveau absenken zu lassen.
        Wenn jemand gierig war, dann wohl in der Vergangenheit jemand, für den zukünftige Personalplanung Pillepalle und Dividendenzahlung alles war.

        Ich kann diese Neiddebatte nicht mehr hören. Es wird dann reduziert darauf, dass Lotsen ja solch paradiesische Gehälter und Zustände haben oder dass sie durch ihren Egoismus andere Leute beeinträchtigen.

        Und bei dem Killerargument „Kündigen“ könnte ich kotzen. Das geht erstens vorbei an jeder Lebensrealität und zweitens ist es in Deutschland einfach „verboten“ zu kündigen egal aus welchen Gründen.

        Sozial waren wir noch nie und in einer Gesellschaft, die immer mehr das einzelne Individum in den Mittelpunkt stellt und Dinge wie Mitgefühl und Verantwortung für die Schwächeren nicht mehr zählen, darf sich niemand wundern, dass eben Leute, die die Chance haben, mehr zu fordern, dies auch tun.
        Und wenn mir nochmal jemand sagt, dass wir Deutschen ja ständig und gleich streiken würden, den kotze ich an.

        Und bevor jemand nörgelt, ich habe niemanden in meiner Familie, der Fluglotse, Lokführer, Arzt oder was auch immer ist. Ich habe aus meiner Präkariatskindheit nur genug behalten, dass ich nicht nur ausschließlich an mich und meine Geldbörse/Bequemlichkeit denke.

        • @Usi: Entschuldige bitte, aber wer hat Dir denn das erzählt: „und zweitens ist es in Deutschland einfach “verboten” zu kündigen egal aus welchen Gründen.“ Das ist natürlich ganz großer Schwachsinn, um es mal deutlich zu sagen. (§ 622 BGB.) Natürlich darfst Du als Arbeitnehmer kündigen. Normalerweise jederzeit, wenn auch natürlich mit einer Frist, die im Übrigen nicht länger sein darf als die Frist, mit der der Arbeitgeber Dir kündigen kann. Und (in der Regel) anders als der Arbeitgeber (§1 KSchG) brauchst Du nicht einmal einen Grund. „Ich will und kann woanders mehr verdienen“ dürfte in der Tat einer der häufigsten Gründe sein, warum Arbeitnehmer ihre Jobs kündigen. Passiert ständig, ist völlig normal und geht auch nicht an der Lebenswirklichkeit vorbei.

          Und was es mit Neid zu tun hat, wenn ich asoziales Verhalten ablehne, erschließt sich mir auch nicht. Die meisten Fluglotsen verdienen mehr als ich, aber ich bin ihren Job bestimmt nicht neidisch. Auch nicht auf den eines U-Bahn-Fahrers. (Noch viel weniger ehrlich gesagt.) Aber wenn der kleine Kioskbesitzer auf dem U-Bahnhof seinen Laden zumachen muß, weil streikbedingt der U-Bahnhof zu ist und keiner mehr zu ihm kann, dann kriege ich halt das Kotzen. An den eigenen Vorteil zu denken ist das Eine (legitim und Antriebskraft unseres Wirtschaftssystems), dabei Unbeteiligte mit reinzuziehen und im schlimmsten Falle deren Ruin in Kauf zu nehmen ist das Andere. Daran will und kann ich mich nicht gewöhnen.

          • @reizzentrum: Ich kann mich schon noch an Streiks bei BVG und S-Bahn Berlin erinnern, die nicht punktuell waren. Für dieses Jahr magst Du recht haben. Ich habe übrigens auch nie behauptet, es werde „immer gleich gestreikt“ — es fällt nur auf, daß wenn denn gestreikt wird, es meist Berufsgruppen sind, bei denen der Kollateralschaden bei Unbeteiligten weit höher ist als der direkte Schaden auf Arbeitgeberseite. Streikdruck durch Geiselnahme ist die Regel geworden. Und ich bin nach wie vor der Meinung, daß dem ein Riegel vorgeschoben werden sollte, zum Beispiel dadurch, Streikende zivilrechtlich für Kollateralschäden in Anspruch zu nehmen. Ihr Streikrecht würde dadurch nicht verletzt, sie müßten nur Verantwortung für die Folgen ihres Handelns übernehmen.

          • @buntklicker.de:

            OK, Berlin habe ich – als Hamburger – nicht so auf dem Radar. Da mag es tatsächlich fiesere Behinderungen gegeben haben.

            Wie sieht es denn bei der IGMetall aus? Wenn ein einzelner Betrieb bestreikt wird, so bringt das eher wenig: Hohe Ausgaben (Streikgeld) – wenig Resonanz. Erst wenn eine breite Masse (im worst-case auch die Volkswirtschaft) darunter „leidet“ bekommen die Streikenden Aufmerksamkeit. Schau mal nach Frankreich, wenn dort die Bauern, LKW- oder Taxifahrer streiken. Da werden Grenzübergänge, Autobahnen und Innenstädte gänzlich blockiert. Dort sehen aber auch die betroffenen „Opfer“ das ganze wesentlich lockerer, als es der Deutsche tut. Wenn bei der Bahn mal 3 Tage nur jeder dritte Zug fährt, wird der Notstand ausgerufen. Wenn in Frankreich die Lokführer streiken, werden diese von der Bevölkerung unterstützt. Dort wird Kollateralschaden als Solidarbeitrag und nicht als Geschäftsschädigung betrachtet.

            Andererseits: Was haben den Streikenden all die Streiks gebracht? Die Reallöhne sind seit Jahren immer weiter gesunken. Die Streiks haben höchstens erreicht, dass die Reallöhne nicht viel stärker sanken 🙁

          • @buntklicker.de: Die IGM versucht das auch: Zulieferbetriebe bestreiken (ZF in Brandenburg 2003) heißt wenig Aufwand bei viel Kollateralschaden, wobei der immerhin bei anderen Arbeitgebern entsteht, die derselben Tarifgemeinschaft angehören, also indirekt vom Konflikt betroffen sind. IIRC ist die IGM damals böse auf den Pinsel gefallen, weil die Beschäftigen etlicher ostdeutscher Betriebe nicht bereit waren, ihre Arbeitsplätze auf dem Altar der sog. „Solidarität“ zu opfern. (Die Arbeitnehmer und Betriebsräte vor Ort wissen meistens besser als die Tarifkommission, wie viel ihre Arbeitgeber verkraften können …)

  5. @buntklicker: Ist ja schön, dass Du das BGB kennst, aber dem Arbeitsamt ist es völlig egal. Da spielt es keine Rolle, ob Dein Arbeitgeber ein Sklavenhalter war oder Du einfach keinen Bock mehr hattest zu arbeiten. Kündigen ohne Anschlussanstellung in Deutschland ist einfach hirnverbrannt, wenn man auf den monatlichen Geldeingang angewiesen ist.

    Und was asozial ist, empfindet jeder anders.

    • @Usi: Ach, Du spielst auf die Sperre beim AlG I an. Dann sag das doch. Mit „nicht dürfen“ hat das jedenfalls nichts zu tun. Daß die Agentur mit den Sperren viel Schindluder treibt, ist auch meine Meinung.

      Wenn Du wirklich kündigst, solltest Du besser schon den nächsten, besseren (was immer das heißt, es muß ja nicht immer nur das Geld sein) am Start haben. Nun sag nicht, das sei weltfremd … ist es nicht. Habe ich sogar schon gemacht. Mehrfach in meinem Leben. Und viele andere auch.

      Aber was meinst Du, passiert, wenn alle (oder fast alle) Fluglotsen, koordiniert von der ach so tollen Gewerkschaft, gleichzeitig damit drohen, zu kündigen? On die DFS dann sagt „macht doch“? Glaube ich nicht …

      Ich verlange ja auch gar nicht, daß Du dasselbe denkst wie ich. Ich sage halt meine Meinung und Du Deine.

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