Der V-Fall der Atomindustrie

Wenn ich lese, dass das Gesetz zur Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke ausgesetzt werden soll, frage ich mich unwillkürlich was für intellektuelle Dünnbrettbohrer da am Werk sind (Jaja, Westerwelle….).

Aber was bedeutet es, wenn ein Gesetz temporär ausgesetzt wird.

  1. Es wird pausiert. Das heisst, die pausierte Zeit wird hinten dran gehängt.
  2. Die Kraftwerke laufen keinen Tag kürzer, es wird nur eine Pause eingelegt, bis die japanische Katastrophe aus den Medien verschwunden ist UND/ODER diverse Wahlen in Deutschland hinter uns liegen.
  3. Wann werden typischerweise Gesetze ausgesetzt? Richtig: Im V-Fall, auch Verteidigungsfall genannt.

Und genau das ist die derzeitige Situation: Eine riesige Verteidigungsschlacht unserer Atomindustrie um an den Milliardengewinnen festzuhalten. Dutzende von Atomlobbyisten rennen unseren Politikern derzeit die Türen ein und flüstern solch tolle Phrasen wie „Temporäre Aussetzung der Laufzeitverlängerung“ ins Ohr. Aber dies sind nur Hohlphrasen ohne jegliche wirklich konstruktive Aussagekraft. Es ist nur Politik – Politik im V-Fall. Denn im Krieg stirbt die Wahrheit immer zuerst!

Von den Konservativen guttenbergen

Eines muss man der Anti-Atom-Bewegung in Deutschland lassen: Ihre Reaktionszeit ist bemerkenswert kurz. Die Meldungen über einen Reaktorunfall im japanischen Fukushima waren kaum über die Agenturen gegangen, da meldeten sich schon die ersten Politiker zu Wort, die die Abschaltung der deutschen Kraftwerke forderten. Andernorts in Europa sind die Bürger noch damit beschäftigt, sich einen Überblick zu verschaffen, was genau in dem Unglückswerk eigentlich vorgefallen ist; dem deutschen Atom-Gegner reicht die Nachricht von einem brennenden Meiler, und er weiß, dass es Zeit für Mahnwachen ist.

schreibt Jan Fleischhauer (Von einem, der aus Versehen konservativ wurde) im Spiegel. Und ich denke mir so: „Ja, da haben die Atomkraftgegner doch tatsächlich von den Sicherheits- und Überwachungsfanatikern unseres Landes gelernt. Ich frage mich, ob Fleischhauer sich auch zutraut – bei gegebenen Anlass – auch folgende Zeilen zu veröffentlichen:

Eines muss man den Sicherheitsfanatikern in Deutschland lassen: Ihre Reaktionszeit ist bemerkenswert kurz. Die Meldungen über einen Amoklauf in einer deutschen Schule ist kaum über die Agenturen gegangen, da meldeten sich schon die ersten Politiker zu Wort, die ein Verbot der Ego-Shooter forderten. Andernorts in Deutschland sind die Bürger noch damit beschäftigt, sich einen Überblick zu verschaffen, was genau den Täter zu seiner Tat trieb; dem deutschen Konservativen reicht die Nachricht von einem Amoklauf, und er weiß, dass es Zeit für ein Computerspiel-Verbot ist.

Alternativ schlage ich auch folgenden Passus vor:

Eines muss man den Überwachungsbefürworten in Deutschland lassen: Ihre Reaktionszeit ist bemerkenswert kurz. Die Meldungen über einen Anschlag im benachbarten Ausland kaum über die Agenturen gegangen, da meldeten sich schon die ersten Politiker zu Wort, die eine weitergehende Überwachung des Internets forderten. Andernorts in Europa sind die Bürger noch damit beschäftigt, sich einen Überblick zu verschaffen, was genau  eigentlich vorgefallen ist; dem deutschen Sicherheitspolitiker reicht die Nachricht von einem Bombenanschlag, und er weiß, dass es Zeit für weniger Menschenrechte ist ist.

Ist es nicht seltsam, dass es das konservative Lager so überhaupt nicht ab kann, wenn man mit seinen Mitteln arbeitet? Seltsam, was der Spiegel so alles – unreflektiert – verbreitet. Er reiht sich halt in die Ecke der konservativen Kampfpresse mit ein.

Über die Schwierigkeiten politischer Entscheidungen

Die Energiewirtschaft (wie andere Wirtschaftszweige auch) ist schon seit längerem sehr eng mit der Bundesregierung verbandelt. Erhalten doch z.B. Ex-Kanzler Schröder sowie Ex-Aussenminister Fischer ihre Wirtschaftsrente von Energieunternehmen.

Derzeit wird es zwischen Politikern und Lobbyisten massiv rumoren, steht doch die Verlässlichkeit der Politikeraussagen in Sachen Wirtschaft auf dem Prüfstand. Wahlkampflügen in Richtung Wahlvolk sind eine Seite der Medaille, mit den Parteispendern und potentiellen Arbeitgebern, nach der parlamentarischen Zeit, traut man es sich aber nicht zu verscherzen.

Der Umweltminister Röttgen z.B. gilt seit gestern Abend als „In der Energiewirtschaft schwer vermittelbar, nachdem er bei Anne Will erklärte:

Nach langem Lavieren sprach Röttgen endlich offen aus, dass es jetzt an der Zeit sei, „möglichst schnell aus dieser Kernenergie herauszukommen“.

Quelle Süddeutsche. Raus aus der Kernenergie? Wenn das man so einfach wäre. Die Verlässlichkeit der Regierung in Richtung Wirtschaft – ähh, Lobbyisten und Zahlern – steht auf dem Spiel. Wenn CDU/CSU und FDP jetzt in Sachen Laufzeitverlängerung zurück rudern, wird es eng mit Posten im Aufsichtsrat. Da werden auch Parteispender aus anderen Wirtschaftsbereichen überdenken, ob diese Parteien das die überwiesenen Gelder noch wert sind.

Wie viel einfacher wäre das Leben eines Politikers doch, wäre man nur seinem Gewissen und nicht der Wirtschaft verpflichtet.