Die Abwägung von Vor- und Nachteilen

  1. Wer nichts zu verbergen hat, kann auch für Vorratsdatenspeicherung sein
  2. Für ein paar Prozent Rabatt lassen wir unsere Verbrauchsdaten auswerten

Ich fürchte die beiden obigen Punkte – sowie auch der Standpunkt zu Streetview, Netzneutralität, Drogenfreigabe, Rauchverboten und anderen Entscheidungen – wird vorrangig danach beurteilt welch persönliche Vor- und Nachteile der Mensch  als Entscheider hat.

Ebenso spielen Empfänglichkeiten für bestimmte Bedrohungs- aber auch Belohnungszenarien in die Entscheidungsphase mit hinein.

Die TAZ schreibt heut – völlig zu recht:

Es ist paradox: In Umfragen geben rund 70 Prozent an, Datenschutz sei ihnen wichtig. Doch die Aussicht auf einen kleinen Rabatt oder ein Topfset als Treueprämie lässt die Verbraucher Privates preisgeben

Aber ist jedem Verbraucher bewusst, dass er einen grossen Teil des Rabattes (Treueprämie)  direkt mit der Ware mit bezahlt? Nur einen Teil, denn den anderen Teil trägt der Anteil der Kundschaft, die (vielleicht bewusst) auf die Treueprämie verzichtet. Es gibt kein kostenloses Frühstück. Gab es nie, wird es nie geben. Aber wenn wir – rein rechnerisch – von den 2% Rabatt real tatsächlich einen Prozentpunkt sparen, lassen wir die Hose runter und teilen dem Geschäft gern mit, dass wir aufgrund unseres Einkaufverhaltens – je nach Warenauswahl – Hartz-IV EMpfänger sind, ein Alkoholproblem haben oder Veganer sein müssen. Geht dies jemanden etwas an?

Vorratsdatenspeicherung. Mal Hand aufs Herz: Wer aus der hier anwesenden Zielgruppe hat seinen Mobilfunk- , DSL- oder  Telefonvertrag gekündigt oder gewechselt, nur weil unser Anbieter die Vorratsdatenspeicherung willfährig unterstützt(e), Wer hat den Internetanbieter aufgrund der Stoppschild-Verträge gewechselt oder sich ernsthaft Gedanken gemacht, wie er sich wehren kann?

Wer hat schon bei der Initiative Pro Netzneutralität unterschrieben? (Info siehe auch hier)

Wenn nicht, warum nicht? Weil es dich/euch nicht interessiert, weil ihr nicht wisst um was es geht, weil es euch nicht betrifft (böse Fehleinschätzung!!) oder weil „bringt ja eh nichts“?

Typischerweise gibt es unterschiedliche Gründe warum wir uns entscheiden oder sogar zu einem Thema einer Meinung enthalten. Einige davon sind (oder jeweils das Gegenteil):

  • Ich habe – oder jemand aus meinem Umfeld hat –  durch die Entscheidung persönliche Vorteile
  • Die Vorteile über wiegen für mich (oder jemanden aus meinem Umfeld)  die Nachteile
  • Ich bin von der Boshaftigkeit, dem Segen der Sache im generellen überzeugt
  • Ich schliesse mich der allgemeinen Meinung an, will nicht anecken
  • Ich habe keine Ahnung von dem Thema
  • Das betrifft mich ohnehin nicht
  • Ich kann da ja sowieso nichts ausrichten.

Ich kann niemandem vorschreiben wie er zu einem Thema steht, will dies auch gar nicht. Obschon es mich manchmal schon etwas … nervös machen kann, was ich so den Medien als „Meinungsmache“ entnehmen muss.

Wie schön wäre es, wenn alle Menschen versuchen würden nur nach einem Punkt zu entscheiden: „Ich habe mich umfassend informiert und ich bin von der Boshaftigkeit oder dem Segen der Sache im generellen überzeugt“. Wichtig ist hierbei das Detail „generell“. Ein Bankmanager wird sein Gehalt loben – ob er es als generellen Segen ansehen kann ist mal dahin gestellt. Unternehmen, die ihre Mitarbeiter ausbeuten, handeln im Sinne ihres Bankkontos und ihrer Aktionäre. Aber handeln Sie auch generell Segen verbreitend?

Sollten nicht bei jeder Entscheidungsfindung zuerst gefragt werden: Wer verliert wie viel? Um wie viel würden wir besser miteinander klar kommen, wenn wir nicht vorrangig an unsere Vorteile, sondern auch an die nachteile für Andere denken?

Google öffnet die Büchse der Pandora

Nun also doch: Internetriese Google gibt den Grundsatz auf, Datenverkehr müsse im Internet gleich behandelt werden. Die seltsame Argumentation des Konzerns: Das Prinzip der Netzneutralität sei ein Segen für das kabelgebundene Netz – aber bei Funkverbindungen nicht.

lese ich gerade im Spiegel und frage mich, woran ein IP-Paket erkennt auf welchem Medium es gerade unterwegs ist. Oder waran Sender und Empfänger sich sicher sein können, auf welchem Medium die Daten auf der Strecke übertragen werden.

Google war nicht dumm, aber anscheinend hat irgendjemand wesentlich verantwortlichen Menschen bei Google ins Hirn geschissen, dass dieses Unternehmen sich nun hinstellt und erklärt:

Die zweite große Ausnahme vom Grundsatz der Netzneutralität wünschen sich Google und Verizon im Mobilfunkbereich. Immer wenn Daten nicht durch Kabel, sondern per Funk übertragen werden, sollten die Telekommunikationsanbieter entscheiden dürfen, was wie schnell wohin gelangt. Warum? Weil dieser Markt „heftiger umkämpft ist und sich schnell wandelt“.

Für jeden Buchstaben in obigem Zitat möchte ich einem Google-Mitarbeiter eine kräftige Ohrfeige schlagen dürfen. Warum? Weil die Mobilfunkcarrier uns Nutzer seit ca. 4 Jahren versuchen auf mobile Kommunikation einzustimmen. Weil z.B. Vodafone schon lange versucht kabelgebundene Hausanschlüsse durch Mobiltelefonie abzulösen.

Das auch ausgerechnet Google Betriebssystem Android nahezu ausschliesslich auf mobile Kommunikation angewiesen ist, hat sich wohl noch nicht in die Chefetage von Google rumgesprochen.

Der Spiegel schreibt weiter

Sollte der Grundsatz der Netzneutralität aber in Teilbereichen aufgeweicht werden, könnte dass irgendwann ganz einfach bedeuten, dass bestimmte Angebote schneller sind – zum Beispiel Videos, die man über Mobiltelefon bei YouTube aufruft. Wie solche bevorzugten Anbieter die Telekommunikations-Firmen für diese Sonderbehandlung entschädigen, ist offen. Vielleicht mit einer Beteiligung an den Werbeeinnahmen? Vielleicht mit Zahlungen? Es könnte auch sein, dass Kunden für bestimmte Internetdienste zusätzlich zahlen müssen. In Deutschland müssen zum Beispiel Kunden, die den internetbasierten Telefonservice Skype auf ihrem Mobiltelefon im Netz der Telekom nutzen wollen, in den meisten Tarifen 15 Euro extra im Monat zahlen.

Und genau an der Stelle könnte Google mittels seiner Marktmacht versuchen sein Quasi-Monopol weiter auszubauen. Don’t be evil ist definitiv vorbei.

Ich sehe es schon kommen: Technikaffine Menschen arbeiten nur noch über lokale und entfernte Proxys oder VPNs, damit der Carrier den Datenstrom mal auf der Protokollebene identifizieren kann. Sollte man sich eh mal angewöhnen.

Anonymität: Fluch oder Segen

Letztes Jahr schrieb ich ein paar Betrachtungen meinerseits bezüglich des Netzes. Vielleicht weil ich mich mit dem Netz an sich beschäftigte, war mein Hirn noch im „Bemerkmodus“ was das Netz und die Themen drumherum angeht, so dass ich meine Gedanken zu dem Thema „Anonymität: Fluch oder Segen“ sammelte.

Tja, was halte ich eigentlich von Anonymität im Netz? Wenn ich ehrlich bin  habe ich eine deutlich schizophrene Haltung zu diesem Thema. Auf der einen Seite gibt es einige Gründe, welche themenabhängig, eine Anonymität deutlich anzeigen. Auf der anderen Seite verleitet diese Anonymität aber auch einige Menschen  dazu jegliche Umgangsformen zu vergessen und sich wie die Axt im Walde zu benehmen. Schon sehr früh wurde im Usenet festgestellt (Quelle):

Warum wollen diese Leute keine Pseudonyme dulden?
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Der Grund ist einfach: Die erfahrenen User haben in der Vergangenheit
sehr, sehr schlechte Erfahrungen mit pseudonymen Autoren gemacht. Die
meisten waren der Ansicht, im – vermeintlichen – Deckmäntelchen der Anonymität mal so richtig die Sau rauslassen zu können. Sie haben dem Netz damit schwer geschadet und darüber hinaus eine äußerst skeptische Haltung pseudonymen Postern gegenüber erzeugt.

Auch im richtigen Leben würde – Karnevalsumzüge und dergleichen einmal ausgenommen – kaum jemand mit Maskierten debattieren, die einen auf der Straße ansprechen.

Es gibt zwar auch im de-Usenet einzelne Gruppen, in denen aus
bestimmten Gründen die Verwendung von Pseudonymen geduldet wird. dnq zählt aber mit Sicherheit nicht zu diesen Bereichen, sodaß hier die Angabe des Realnamens allgemein erwartet wird. Unter „Realname“ wird meist ein ausgeschriebener Vorname plus Nachname verstanden.
Spezielle Regeltexte legen aber beispielsweise für Abstimmungen
mitunter davon abweichende Definitionen fest.

Das Usenet war quasi die Krabbelgruppe des Internets wie wir es heute kennen: Viele Menschen mit mannigfaltigen Themen und Ansichten trafen aufeinander und tauschten sich aus. Quasi wie im echten Leben. Auch heute erlebe ich es immer wieder, dass sich Menschen hinter Nicknamen verstecken um „die Sau rauszulassen“. Mir tun diese Menschen – ehrlich gesagt – leid. Mit anonymen Nicknamen kann ich solange leben, bis diese missbraucht werden um sich unangemessen zu benehmen. Ob es Foren sind oder Onlinespiele, immer wieder begegnen wir Menschen die jegliche Kinderstube zu vergessen scheinen, wenn sie in scheinbarer Sicherheit agieren können.

Aber nimmt man diese Menschen ernst? Das Schlimme ist: Teilweise ja. Denn gerade wenn es um Beschimpfungen und Beschuldigungen geht, passiert es all zu leicht, dass das Opfer der Unsäglichkeiten dann entweder von anderen daraufhin angesprochen wird, oder – viel schlimmer – weil er kein stahlhartes Ego besitzt, sich den „Verbalangriff“ zu Herzen nimmt.

Wie einige Mitleser wissen spiele ich ein Onlinespiel: World of Warcraft oder kurz WoW. Während ich an diesem Artikel schriebt fiel mir eine Begebenheit von vor ein paar Wochen wieder ein. Ein (mir nicht bekannter) Spieler machte im Gruppenspiel einige derbe Fehler. Ich sprach/schrieb ihn darauf (sachlich-helfend) an, woraufhin er derbst anfing mich zu bepöbeln und zu verunglimpfen. Insgesamt ließ seine Ausdrucksweise und die Art seiner Auslassung darauf schliessen, dass er altersmässig eher in die Schule, denn in eine Ausbildung gehörte.

Zwei Dinge gibt es an der Stelle zu bemerken: Erstens besitze ich genügend Selbstbewusstsein um über dieser Art von Anfeindung zu stehen. Und zweitens tauchte bei mir die Frage auf, ob sich dieser Mensch trauen würde, sich mir gegenüber auch Aug in Aug dermaßen aufzuführen. Ich glaube er käme nicht einmal ansatzweise auf die Idee mich reizen zu wollen, wenn er mir gegenüber stehen würde. Aber hinter seiner Anonymität ist er sicher – und im Worst-case kann er sich sogar damit brüsten, es „dem aber gezeigt zu haben“.

Das Prekäre ist: Das Verhalten in der Sicherheit der Anonymität wird auf das reale Leben übertragen. Wenn 15-Jährige grundlos verprügelt werden, so ist das eventuell auch eine Folge der Anonymität in der Gesellschaft.

Ich bin für weniger Anonymität, wenn dies mehr Freiheit für alle bedeuten kann. Es geht nicht nur um das Individuum, sondern auch um den Rest der Gesellschaft