Wen wählen?

Warum dieser Artikel?

Die Frage „Wen wählen“ treibt mich dieses Jahr deutlich mehr um als all die vorigen Jahre – und ich durfte schon oft wählen (Alter MannTM). Aufgrund der Situation unseres Landes, aber auch der Situation unseres Planeten, erscheint mir die Frage „Wen wählen“ heute schwieriger denn je. Deshalb möchte ich meine Gedanken niederschreiben und Andere an diesen teilhaben lassen. Auch möchte ich meine Gedanken gern mit dem geneigten Leser diskutieren – zur gegenseitigen Erhellung.

Warum wählen?

Alle (vier) Jahre wieder stehen die wahlberechtigten Bürger vor dem Problem: Wen wählen. Und es ist immer eine Frage, die man sich mit Gewissen und Verantwortungsbewusstsein stellen sollte. DASS wir alle wählen sollten/müssen steht dabei – für mich – völlig außer Frage. Wie sagte mein damaliger Politiklehrer so treffend und richtig: Aus jedem Bürgerrecht ergibt sich auch automatisch eine Pflicht. Und das trifft bei Wahlen zu 100% zu.

Wechselwählen oder alles wie immer?

Für unsere Altvorderen stellte sich die Frage „Wen wählen“ nicht. Früher gab es drei ansatzweise ernst zu nehmende Parteien: CDU/CSU(Rechts), SPD(Links) und FDP(Mitte). Anmerkung: Das „rechts“ der CDU/CSU ist nicht zu verwechseln mit dem Rechts von AFD oder gar NPD! Damals war das noch anders.

Der Rest war ein Sammelsurium kleinerer Interessenvertreter wie NPD, KPD und vielen anderen. Die SPD setzte sich für die „arbeitende Bevölkerung“ ein, die CDU/CSU für Selbstständige und Unternehmen und die FDP hatte im Bereich der erfolgreichen Kleinunternehmer ihre Kernwählerschaft. So ergab es sich, dass sich aus der familiären Herkunft meist die favorisierte Partei automatisch ergab. Diese Zeiten sind spätestens seit Gründung der Grünen vorbei: Die ehemals statische Aufteilung der potentiellen Wählerschaft zerfaserte – zuerst am linken Spektrum. Mit den Linken(PDS), den Piraten, der AFD und auch der PARTEI sowie anderen Parteien wurde die Frage „Wen wählen“ deutlich schwerer zu beantworten. Wer früher sicher wusste, welche Partei seine Interessen vertritt, steht heute vor dem „Wen Wählen“-Dilemma. Das Wahlvolk muss sich informieren, um die Frage „Wen wählen“ auch wohlwissend zu treffen (wählen zu dürfen IST eine Verantwortung!).

Köpfe oder Programme?

Das ist immer mehr eine Gretchenfrage: Wen wähle ich? Die potentiellen Kandidaten oder das Wahlprogramm? Ein Wahlprogramm sollte(!) die Versprechen der Partei enthalten, welche diese in der Zeit ihrer Verantwortung/Möglichkeiten gedenkt umzusetzen. Eigentlich ganz einfach – ABER: Werden die gewählten Abgeordneten sich auch an diese „Versprechen“ halten? Mein liebstes Beispiel ist immer noch die Hamburger Bürgerschaftswahl 2008, worum es geht habe ich hier beschrieben. Es ist ein Paradebeispiel für den maximalen Abstand zwischen Wahlversprechen und agieren.

Auch wenn das Studium der Wahlprogramme die Frage „Wen wählen“ beantworten könnte, so steht das Wahlprogramm nur auf brennbarem Papier oder löschbaren Bits und Bytes. Deshalb sind also auch die Köpfe wichtig, die Frage „Wen wählen“ beantwortet also nicht die Frage „KandidatIn oder Programm“ sondern „KandidatIn und Programm“.

Köpfe und Programme!

Wie im vorigen Absatz beschrieben, sollte man sich bei der Stimmabgabe nicht auf Köpfe oder Programm konzentrieren, sondern beides gleichwertig und in Kombination bewerten. Was nutzt ein Programm, an dass sich die Köpfe nicht halten – was nutzen die besten Köpfe, wenn das Programm – vorsichtig beschrieben – suboptimal ist? Ich werde hier also nicht dediziert auf die Wahlprogramme der Parteien eingehen, sondern versuchen aus der Melange Wahlprogramm/Kopf das Problem der Entscheidung „Wen wählen“ beschreiben.

Wen wählen: Prioritäten

Grundsätzlich ist heute der Zeit reif für eine absolute Trendwende der Politik. Ich sehe die Klimakatastrophe als das Problem dieses Jahrhunderts an. Dieses Problem sollte – da es um den Fortbestand der Menschheit geht – absolute Priorität haben.

Direkt verbunden ist das Problem Klimakatastrophe mit unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung: Dem Kapitalismus. Der Kapitalismus basiert auf den Grundprinzipen von Wachstums und Kapitalvermehrung(sic) , welche wiederum auf der Nutzung von endlichen Ressourcen basieren (Ausbeutung). Auch die menschliche Arbeitskraft ist eine Ressource, was wiederum bedeutet dass auch die bestmögliche Nutzung des Humankapitals (menschliche Arbeitskraft) ein Grundpfeiler des Kapitalismus ist. Für mich ist – aus dem gesagten hervorgehend – eine soziale Gesellschaftsordnung (soziale Marktwirtschaft), in der alle Beteiligten gleichwertig profitieren, absolut wichtig.

Neben der Klimakatastrophe und der Art der sozialen Teilhabe gibt es noch nahezu unendlich viele kleine Themenfelder, die für Einzelne unterschiedliche Wichtigkeit haben. So ist für Menschen mit Kindern, die Kinderbetreuung elementar (aber nachrangig zur Klimakatastrophe). Auch Mobilität mit den unterschiedlichen Anforderungen (Stadt/ländlicher Bereich) sowie Altersversorgung, medizinische Versorgung etc. sind spannende Einzelprobleme, die sehr viele Menschen betreffen. Diese – und andere – Problemfelder können und sollen eine Wahlentscheidung mit beeinflussen.

Regierungszusammensetzung/strategisch wählen?

Da es derzeit unwahrscheinlich ist, dass eine Partei allein die Regierung stellen kann und wird, stellt bei der Frage „Wen wählen“ auch die Frage ob es eventuell sinnvoll sein kann strategisch zu wählen. „Wenn ich die Grünen wähle und diese mit der CDU koalieren, wähle ich im persönlichen Worst-Case eine CDU-Regierung, wenn ich den Grünen meine Stimme gebe“. Oder: „Wenn ich die Linke wähle, wähle ich eventuell eine SPD-Kanzler“. All dies sind Möglichkeiten, die das Wahlverhalten beeinflussen können (und auch sollten!). Wer 2008 in Hamburg die Grünen wählte, wählte „über Bande“ einen CDU-Bürgermeister. Bei der Wahlentscheidung sollte also auch die Frage nach Regierungsbündnissen nicht außer acht gelassen werden.

Die Krux bei der strategischen Wahl ist, dass die Einzelentscheidung auf dem wahrscheinlichem Wahlausgang basiert. Der strategische Teil basiert also grundsätzlich auf den persönlichen Prioritäten und wird erschwert durch das Wahlverhalten des Rests der wahlberechtigten Bevölkerung. Das heißt, dass ich bei der Frage „Wen wählen“ zu meinen Prioritäten sowohl die Koalitionswahrscheinlichkeiten der Parteien, als auch das Wahlverhalten der „Restbevölkerung“ mit einbeziehen muss. Und an der Stelle wird es wirklich sehr knifflig. Zu viele unbekannte und unberechenbare Faktoren.

Gedankenspiele zu Koalitionen

Bei der Frage „wen wählen – strategisch wählen“ ergeben sich folgende Möglichkeiten:


Aus dem Diagramm(Quelle) – basierend auf Umfragen – ergeben sich viele Möglichkeiten, die die Wahl – wenn man gewisse Parteien garantiert nicht an die Macht heben möchte – sehr schwierig machen. Aber es ergeben sich auch Möglichkeiten: Wen MUSS ich wählen, wenn ich die Möglichkeit einer gewissen Koalition minimieren möchte.

Heißt „Wen wählen“ „Wen nicht wählen“?

Dieser Absatz könnte zu einem eigenen Artikel werden, aber genau dies möchte ich umgehen – es wäre zu subjektiv. Alle zur Wahl stehenden Parteien/KandidatInnen haben „Dreck am Stecken“, dies sollte uns Wahlberechtigte aber nicht vom Gang zur Wahlurne abhalten! Die Entscheidung wie einzelne Verfehlungen „Zitate nicht gekennzeichnet“, „Kohleindustrie mit Geld beworfen“, „Hotelbesitzer begünstigt“, „Persönliche Vorteilsnahme“, „Brechmitteleinsatz“ (und vieles andere ) zu bewerten sind, muss man für sich selbst definieren. Am Ende bleibt es auch hier wieder bei „Den Haufen wählen, der am wenigsten unangenehm riecht“, denn in meinen Augen ist keine Partei ohne Fehl und Tadel.

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