Politiker, Regeln, Social Media und Pseudonyme

Wenn der Innenminister (Sinn und Unsinn wird separat diskutiert) eine Klarnamenpflicht für das Internet fordert, so sollte er vorab einmal mit dem derzeitigen Vizekanzler und Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschlen, dem Herrn Philipp Rösler sprechen. Dieser Herr Rösler ist auf der Social-Media Plattform Google+ aktiv.

Aber halt! Ist das wirklich der Herr Rösler? Das Profil(über mich) sagt zwar aus:

Dies und Das

Bundesvorsitzender der FDP

Beruf

Bundeswirtschaftsminister

Beschäftigung

  • Bundesrepublik Deutschland
    Vize-Kanzler, 2011 – heute
  • Bundesrepublik Deutschland
    Bundeswirtschaftsminister, 2011 – heute
  • Bundesrepublik Deutschland
    Bundesgesundheitsminister, 2009 – 2011
  • Land Niedersachsen
    Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, 2009 – 2009
  • Land Niedersachsen
    Stellvertretender Ministerpräsident, 2009 – 2009

und der geneigte Leser wird dies interpretieren als „Ja, hier schreibt der Herr Rösler selbst“. Stimmt aber nicht. In den Kommentaren zu einem der von „Herrn Rösler“ geschriebenen Artikel stellt sich heraus, mit wem man tatsächlich kommuniziert, sollte man mit „Philipp Rösler Kontakt aufnehmen:

Liebe User von Google+,

haben Sie vielen Dank für Ihre Nachrichten an Herrn Dr. Rösler und Ihre Fragen zum Profil.

Wir freuen uns über die überwältigende Resonanz. Leider kann Philipp Rösler aufgrund seiner Tätigkeit als Wirtschaftsminister und Parteivorsitzender der FDP sein Profil nicht selbst pflegen. Wie Sie an dieser Nachricht sehen, überträgt er die Beantwortung einzelner Anfragen und die Pflege seines Profils an sein Team. Um dies deutlich zu machen, schreiben wir für Ihn in der dritten Person.

Seien Sie aber versichert,dass Dr. Rösler von den Zuschriften erfährt und sich darüber freut.

Mit freundlichen Grüßen

TOMMY Diener
Pressereferent
FDP-Bundesgeschäftsstelle

Es ist also nicht das Profil des Herrn Vizekanzlers, es ist „nur“ das Profil seines Presseteams. Warum dies nicht aus der Profilbeschreibung hervorgeht, wissen sicher nur der Herr Rösler und sein Diener.

Transparente Kommunikation mit dem Bürger sieht für mich anders aus.

Zwei kleine Schmankerl am Rande:

  1. Die Tatsache, dass Herr Diener (unter dem Namen Rösler) eine der wenigen Personen ist, welche die unter dem Profil Rösler geposteten Artikel  stets als „gefällt mir“ hervorhebt. Das ist so ungefähr wie sich selbst auf die Schulter klopfen. Obschon dieses Eigenlob ja ein für Politiker typischer Verhalten ist.
  2. Der Fakt, dass derzeit(Beta-Phase)  nur persönliche Profile bei Google+ erlaubt sind. Insofern stellt sich die Frage ob diese Art des Auftritts (abgesehen von der Benamsung) nicht ein genereller Missbrauch des Dienstes darstellt. Aber Regeln (auch Nutzungbedingungen) gelten wohl kaum für bundesdeutsche Politiker.

Anonym, Pseudonym, reale und statische Namen #TAZ

Am Samstag den 13.08. wurde ein Kommentar von mir in der TAZ – im Rahmen „Streit der Woche“ – veröffentlicht. Ich schreibe diesen Blogartikel prophylaktisch, da ich davon ausgehe, dass meine 1200 Zeichen für deutlich Missverständnisse sorgen werden. Man kann ein so komplexes Thema wie „Klarnamenforderung in sozialen Netzwerken“ nicht in ein paar Worten ausarbeiten. Da bleibt zwangsläufig das meiste auf der Strecke. Aber wie heißt das Zauberwort, dass man in solchen Fällen konsultiert: Sachzwang.

Eines vorab: Ich fordere keine Klarnamenpflicht im Internet. Ich fordere höchstens die Benutzer auf mit statischen, verlässlichen Namen zu agieren. Aber das zu erklären ist eine längere Geschichte.

Hier aber habe ich – im Gegensatz zu dem TAZ-Artikel – Platz für viel mehr Buchstaben und somit auch für eine tiefer gehende Erklärung.  Auch schrieb ich bereits zu dem Thema

  • Hier lächelte ich über Klarnamenforderung durch Politiker (Nov.2010)
  • Hier spreche ich mich gegen Anonymität aus (Jan. 2010)
  • Hier über Spitznamen, die nicht anonym sind (Jan. 2009)

aber ich muss und will nochmal nachlegen – allein, weil ich in der TAZ missverstanden werde (ich weiß das jetzt schon).

Zuerst einmal möchte ich die Begrifflichkeiten ein wenig betrachten. Was heißt eigentlich Realname(Klarname), Pseudonym(Künstler- oder Spitzname) und anonym(nicht identifizierbar)? Wir werden feststellen, dass diese Begriffe sehr miteinander verwoben sind.

Realname ist typischerweise der Name, wie er in unserem Ausweis steht. Meiner ist „Holger Köpke“. Aber nicht alles, was sich wie ein Realname anhört, muss auch ein Realname sein. Während man geneigt sein könnte, den Namen des Maler Hieronymus Bosch als Realname zu akzeptieren, muss man feststellen, dass es nur ein Pseudonym ist, denn er heißt wirklich Jeroen Anthoniszoon van Aken – Hieronymus ist „nur“ ein Künstlername. Wohingegen man bei Johnny Depp denken könnte, hier hat man ein Pseudonym vor sich, muss man feststellen: Der heißt wirklich so. Sollte ich mich irgendwo als „Werner Lange“ anmelden, wird man mir (ohne Ausweiskontrolle) nur schwer nachweisen können, dass dies nicht mein Name ist. Der Name hört sich halt wie ein Realname an – wäre an der Stelle aber ein Pseudonym.

Also schauen wir uns das Pseudonym mal an: griechisch ψευδώνυμος, -ον, psevdónymos – wörtlich „fälschlich so genannt“ von τὸ ψεύδος, psévdos – „Lüge“ und ὄνομα, ónoma – „Name“(Wikipedia)
Pseudonyme werden meist als Künstler- oder Spitznamen bezeichnet. Sie werden von den Inhabern (bei Spitznamen manchmal auch vom Umfeld) nach belieben an- und auch wieder abgelegt. Für die Nutzung von Pseudonymen gibt es diverse Gründe:

  • Der Inhaber möchte mit dem Werk nicht in Verbindung gebracht werden. Beispiel: Frank Farian und „Boney M“ – oder auch Schriftsteller, die „Lapidares“ unter Künsternamen veröffentlichen.
  • Der Realname des Künstlers ist schwer aussprechbar oder nicht für Zweck geeignet: Zum Beispiel wenn „Anis Mohamed Youssef Ferchichi“ unter dem Künstlernamen Bushido auftritt oder Reginald Kenneth Dwight als Elton John.
  • Die sogenannten Kampfnamen waren bei Kommunisten sehr modern. Beispiele: Lenin, Stalin oder Che Guevara

Auch hier steckt die Tücke im Detail, denn Pseudonyme können sehr wohl in Richtung „Realname“ wandern, wenn diese als Künstlername in den Ausweispapieren hinterlegt sind. Denn dann sind diese Namen „statisch“ mit der Person verknüpft. Pseudonyme sind nicht zwangläufig anonym!

Anonym kommt aus dem Griechischen und bedeutet ursprünglich „namenlos“. Anonym bedeutet, dass keine Rückschlüsse auf die betreffende Person gemacht werden können. Pseudonyme können nur solange anonym sein, bis jemand die Verknüpfung zwischen Realnamen und Künstlername „enttarnt“.

Bin ich für Klarnamen? Ungenaue Fragestellung, denn ich bin für statische Namen innerhalb einer Plattform. Ob der Name meines Gesprächspartners Erwin Kaluppke, Holger Köpke, Max Mustermann, Frimp, THW, Poetronic, Padeluun, Snake oder Ca$h ist, ist mit eigentlich egal. Es geht um eine gewisse Statik und Wiedererkennung innerhalb einer Plattform. Tatsächlich werden einige meiner Bekannten eher unter ihrem statischen(!) Pseudonym angesprochen (kaum ein Mensch kennt den Geburtsnamen von Padeluun).

Es spricht nichts Konkretes dagegen, sich z.B. bei Twitter als Hansel_A anzumelden und bei Facebook als A-Gretel. Es erschwert den Gesprächspartner unnötig die gesuchte (vielleicht auch geschätzte) Person auf einem anderen Medium wieder zu finden. Dies ist aber vielleicht von Hansel_A aka A-Gretel gewollt.

Allerdings habe ich feststellen müssen, dass einige Menschen die gefühlte Anonymität bei Nutzung eines Pseudonyms dazu nutzen, sich wie die Axt im Walde zu benehmen. Dies betrifft ausschliesslich Personen, die von der Möglichkeit Gebrauch machen, die Pseudonyme schneller zu wechseln als die Unterhemden. So nach dem Motto: Die verbale Sau rauslassen, andere Menschen bepöbeln, denunzieren und dann schnell das Pseudonym wechseln. Die Mehrzahl der Pseudonymnutzer verhält sich zwar „gesittet“, mir persönlich gehen diese Pseudo-Hopper allerdings bemerkenswert auf die Waffel.

To make a long story short: Es ist sowohl der plattformübergreifenden Kommunikation als auch der Selbstdisziplinierung dienlich, sich mit statischen Namen im Internet zu bewegen.

Daneben gibt es Themen, bei denen es angezeigt ist, seine Identität zu verschleiern – dann aber bitte richtig.

All dies ist nur meine Meinung – ganz massiv subjektiv. Am Ende könnt ihr alle selbst machen, was ihr wollt – ob ich persönlich dies  gut finde oder nicht, steht auf einem anderen Blatt.

Vermummungsverbot im Internet – jeder wie er kann

Und wieder hat ein Politiker gezeigt, wie fest er mit beiden Beinen im Leben verankert ist. Diesmal ist es der

  • CDU-Bundestagsabgeordnete und
  • Vorsitzende der Enquete-Kommission Internet und Digitale Gesellschaft und
  • Mitglied der Europa-Union Parlamentariergruppe Deutscher Bundestag und
  • Mitglied des Haushaltsausschusses und
  • Berichterstatter der CDU/CSU-Fraktion für den Etat Arbeit und Soziales und
  • Mitglied der deutschen Delegation zur Parlamentarischen Versammlung des Europarates und
  • Mitglied parlamentarischen Versammlung der Westeuropäischen Union

Axel E. Fischer. Fischer scheint mal wieder ein blühendes Beispiel für das Vorurteil „Wem der liebe Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand“ zu sein. Fordert Fischer doch in den Badischen Neuesten Nachrichten (Quelle Heise):

„Vermummungsverbot im Internet“ müsse her, forderte der Vorsitzende der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft des Bundestags. Es könne nicht sein, dass sich Bürger hinter selbstgewählten Pseudonymen versteckten und sich so der Verantwortung entzögen, sagte der Karlsruher Abgeordnete

Mittels dieser Forderung wird nun auch der ePerso zwingend eingeführt, damit auch jeder Brief und jede Postkarte eindeutig zugeordnet werden kann. Dies könnte dergestalt umgesetzt werden, dass es – wie bei Banken am Schalter – eine Diskretionszone um den Briefkasten eingerichtet wird. Der Briefkasten nimmt nun den Brief/Postkarte nur zur Beförderung an, wenn die auf dem ePerso hinterlegten – und zugriffsfrei lesbaren Daten – mit den biometrischen Daten der einliefernden Person überein stimmt.

Ich frage mich, ob der Journalist sich den Personalausweis des Herrn Fischer hat zeigen lassen. Denn solchen Schwachsinn wie oben kann schliesslich jeder von sich geben.

Norbert Hense hat in seinem Blog schon ein paar Ideen für weitere Forderungen, mit denen Herr Fischer wohl bald von sich reden machen wird (hier nur ein kleiner AUszug und ein GROSSER Dank an Norbert):

  • Axel E. Fischer, CDU, fordert Nichtraucherschutz in sozialen Netzwerken.
  • Axel E. Fischer, CDU, fordert Drogenspürhunde für Datenpakete.
  • Axel E. Fischer, CDU, fordert Winterreifenpflicht für Datenautobahnen
  • Axel E. Fischer, CDU, fordert Angelschein für Phishing
  • Axel E. Fischer, CDU, fordert dass Datenmüll getrennt wird

Wie gesagt: Nur ein kleiner Ausschnitt. Schaut auch den – teilweise grossartigen – Blödsinn selbst bei Norbert  an 🙂