Die Rücktrittsrede Wulffs in der Nachbearbeitung

Es hat im Reizzentrum Tradition, dass ich gewisse Reden interpretiere. Mit dieser Tradition kann ich natürlich bei der Rücktrittsrede unseres jüngsten Ex-Bundespräsidenten nicht brechen.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Bürgerinnen und Bürger,

gerne habe ich die Wahl zum Bundespräsidenten angenommen und mich mit ganzer Kraft dem Amt gewidmet. Es war mir ein Herzensanliegen, den Zusammenhalt unserer Gesellschaft zu stärken.

Inbesondere der Zusammenhalt zwischen Politik und Gesellschaft wurde aber durch die Trennung „Nach deutschen Recht“ und der Moral deutlich gestört. Auch und gerade Angehörigen des öffentlichen Dienstes wurde vorgelebt, dass eine Gleichheit (Verdacht der Vorteilsnahme) nicht praktiziert wird.

Alle sollen sich zugehörig fühlen, die hier bei uns in Deutschland leben, eine Ausbildung machen, studieren und arbeiten, ganz gleich, welche Wurzeln sie haben – wir gestalten unsere Zukunft gemeinsam.

Zur Gemeinsamkeit gehört auch eine sozial-moralische Verantwortung jedes Einzelnen, die leider nicht umfassend praktiziert wurde.

Ich bin davon überzeugt, dass Deutschland seine wirtschaftliche und gesellschaftliche Kraft am besten entfalten und einen guten Beitrag zur europäischen Einigung leisten kann, wenn die Integration auch nach innen gelingt.

An der Stelle frage ich mich, ob hier auch die Integration von Vorteilsnehmern gemeint ist. Diesem Aspekt möchte ich deutlichst widersprechen, da Integration ein Prozess ist der erfordert, das beide Seiten aktiv an diesem mitwirken.

Unser Land, die Bundesrepublik Deutschland, braucht einen Präsidenten, der sich uneingeschränkt diesen und anderen nationalen sowie den gewaltigen internationalen Herausforderungen widmen kann;

Dem ist nicht hinzuzufügen.

einen Präsidenten, der vom Vertrauen nicht nur einer Mehrheit, sondern einer breiten Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger getragen wird. Die Entwicklung der vergangenen Tage und Wochen hat gezeigt, dass dieses Vertrauen und damit meine Wirkungsmöglichkeiten nachhaltig beeinträchtigt sind.

Naja, ich würde von Tagen, Wochen und Monaten sprechen. Auch würde ich nicht von „Beeinträchtigung“ sprechen wollen, sondern deutlich formulieren, dass dieses Vertrauen bei weiten Teilen der Bevölkerung schlicht vom Amtsinhaber zerstört wurde.

Aus diesem Grund wird es mir nicht mehr möglich, das Amt des Bundespräsidenten nach innen und nach außen so wahrzunehmen, wie es notwendig ist.

Späte Einsicht, aber wenigstens einsichtig

Ich trete deshalb heute vom Amt des Bundespräsidenten zurück, um den Weg zügig für die Nachfolge freizumachen. Bundesratspräsident Horst Seehofer wird die Vertretung übernehmen. Bundeskanzlerin Angela Merkel wird auf der so wichtigen Gedenkveranstaltung für die Opfer rechtsextremischer Gewalt am Donnerstag der kommenden Woche sprechen.

Dieser Teil dient der Aufklärung über über protokollarische Gegebenheiten und Änderungen und ist als informell sinnvoll anzusehen.

Was die anstehende rechtliche Klärung angeht, bin ich davon überzeugt, dass sie zu einer vollständigen Entlastung führen wird.

WENN dem so wäre, hätte diese Entlastung schon – durch proaktive Informationspolitik – bereits viel früher angegangen werden können und müssen.

Ich habe in meinen Ämtern stets rechtlich korrekt mich verhalten.

Dies ist eine zu prüfende Tatsachenbehauptung, um die sich derzeit nicht zuletzt die Staatsanwaltschaften zu bemühen haben.

Ich habe Fehler gemacht, aber ich war immer aufrichtig. Die Berichterstattungen, die wir in den vergangenen zwei Monaten erlebt haben, haben meine Frau und mich verletzt.

Zuzugeben, dass Fehler gemacht werden ist eines, die Behauptung immer aufrichtig gewesen zu sein, wage ich – nicht zuletzt da man Herrn Wulff ungestraft einen Lügner nennen darf, für deutlich gewagt. Das Herr Wulff allerdings die Chuzpe hat darauf hinzuweisen, dass seine Frau und er von der Berichterstattung verletzt wurden ist schon „bemerkenswert“. Denn im Gegenzug wurde er dadurch verletzt, dass die Medien über gewissen Tatsachen und Zusammenhänge berichteten, die letztendlich Herr Wulff selbst zu verantworten hat. Hier macht er sich vom Täter zum Opfer – und dies ist in meinen Augen schlicht widerlich.

Ich danke den Bürgerinnen und Bürgern, die sich für unser Land engagieren. Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bundespräsidialamt und allen anderen Behörden, die ich als exzellente Teams erlebt habe. Ich danke meiner Familie, vor allem danke ich meiner Frau, die ich als eine überzeugende Repräsentantin eines menschlichen und eines modernen Deutschland wahrgenommen habe. Sie hat mir immer – gerade auch in den vergangenen Monaten – und auch den Kindern starken Rückhalt gegeben.

Standardfloskel, ohne wirklichen Inhalt. Darf aber bei keiner Rücktrittsrede fehlen.

Ich wünsche unserem Land von ganzem Herzen eine politische Kultur, in der die Menschen die Demokratie als unendlich wertvoll erkennen und sich vor allem – das ist mir das Wichtigste – gerne für die Demokratie engagiert einsetzen.

Dieser Satz aus dem Munde eines Vorteilsnehmers von so vielen Lobbyisten schnürt mir ein wenig die Kehle zu. Wer sich aufrichtig für die Demokratie einsetzt, sorgt dafür das niemals auch nur der Verdacht entsteht, dass sein handeln von wirtschaftlichen Befindlichkeiten beeinflussbar ist. Und genau hier liegt wohl der grösste Kritikpunkt im Handeln des Ex-Bundespräsidenten.

Und ich wünsche allen Bürgerinnen und Bürgern, denen ich mich vor allem verantwortlich fühle, eine gute Zukunft und schließe Sie alle dabei ausdrücklich mit ein.

Alle „Bürger und Bürgerinnen“ ist vollumfanglich – wenn mit „schliesse Sie alle dabei ausdrücklich mit ein“ die anwesenden Medienvertreter gemeint ist, ist diese Aussage entweder redundant, oder eine versteckte Spitze – was eine Frechheit wäre.

Vielen Dank.

Hier fehlt mir persönlich das „Gott schütze Deutschland“ dass durch Herrn Sauerland ein neuer Standard in hoher Floskelkunst wurde.

Gedanken zu Einkommen und Arbeit

Wikipedia definiert „Einkommen“ wie folgt:

Als Einkommen bezeichnet man umgangssprachlich die Einnahmen eines Privathaushalts. Es ermöglicht ihm, über Konsum heute und Sparen für die Zukunft seinen Wohlstand zu vergrößern.

Diese Definition hat sich meines Erachtens wohl deutlich überlebt, da zu den „Einkommen des Privathaushaltes“ auch zum Beispiel Hartz-IV Bezug gehört und dieser ist wohl schwerlich geeignet zu sparen und den Wohlstand zu mehren.

Man wird sich in Zukunft Gedanken sowohl über den Begriff „Arbeit“ machen müssen, als auch über die Form des „Einkommens“. Auch die Begrifflichkeit „Erwerbstätigkeit“ bedarf einer gesellschaftlichen Neudefinition.

Als Erwerbstätigkeit wird heutzutage jegliche Tätigkeit bezeichnet, die es einem Menschen ermöglicht ein Einkommen zu erzielen. Dies ist nicht gleichzusetzen mit dem Begriff Arbeit (im betriebswirtschaftlichem Sinne), da nicht jede Arbeit ein Einkommen erzeugt. Denn eine Mutter, die ihr Kind erzieht arbeitet gewiss auch und erzeugt sogar einen gesellschaftlichen Mehrwert. Nur wird diese Arbeit gesellschaftlich nicht als Erwerbstätigkeit anerkannt und honoriert. Genau so geht es auch all den ehrenamtlich engagierten Menschen, die ihre „Frei“zeit opfern um sich in Sportvereinen, Museen, karitativen Einrichtungen oder in anderen Formen um das Gemeinwohl verdient machen. All diese Personen „arbeiten“, erzielen aber kein Einkommen mit ihrer Tätigkeit. Wäre es nicht sinnvoll, ein System aufzusetzen in dem es dem Menschen ermöglicht wird auch durch diese Art der „Investition in die Allgemeinheit“ seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können?

Aber auch im Bereich der Erwerbstätigkeit kann ich mir ein Umdenken vorstellen. Derzeit definiert sich unser „Arbeitsentgelt“ über die Faktoren „Berufserfahrung“, „Ausbildung“, „Branche/Firma ist erfolgreich“ und auch der Faktor „Glück“. Nicht zuletzt ist das Arbeitsentgelt leider auch noch vom Geschlecht der betreffenden Personen abhängig.

Wir definieren das Arbeitsentgelt einer studierten Person (Kopfarbeiter) pauschal höher, als das Entgelt eines ungelernten Arbeiters, der „nur“ seine körperliche Arbeit verkaufen kann. Auch eine stupide „Schrauben sortierende“ Person an einem Fließband  erhält ein niedrigeres Arbeitsentgelt als ein „Schreibtischtäter“ im geheizten Büro (inklusive Kaffeemaschine, manikürten Fingern und Einladungen zu leckeren Arbeitsessen.

Der Anreiz sich zu bilden wird allein auf dem monetären Weg befriedigt. Die Möglichkeit eine anspruchsvollere, den Intellekt befriedigendere Tätigkeit ausführen zu dürfen kann aber auch ein Grund sein sich zu bilden/weiterzubilden. Wer wäre nicht bereit das verhasste Fließband zu verlassen, um anstelle dessen sich an einem Schreibtisch mit Projektarbeit zu beschäftigen, oder technisch dafür zu sorgen dass das Fließband technisch stets einwandfrei arbeitet. Wie viele Personen studieren BWL oder Informatik weil man in dem Bereich besser verdient und nicht weil es ihren persönlichen Neigungen entspricht.

Könnte man sich eine Gesellschaft vorstellen, in der jeder Mensch allein aufgrund seiner Produktivzeit und nicht aufgrund seiner Ausbildung entlohnt wird? Ist ein Manager produktiver als eine Putzkraft? Automatisch wird man sagen: Klar, natürlich. Aber was wäre, wenn dieser Manager keine Putzkraft hätte und keine ihm zuarbeitenden Mitarbeiter? Dann müsste er (der „Teure“) seine Arbeitszeit damit verbringen zu staubsaugen und Statistiken zu erstellen. Diese Tätigkeiten werden ihm abgenommen, von Hilfskräften, die – rein zeitlich – einen ähnlichen Ertrag erwirtschaften, wie unser erwähnter Entscheider. Wäre unser Entscheider genau so zufrieden mit sich und seinem Leben, würde er den ganzen Tag putzen und Statistiken erstellen? Wohl kaum. Es geht um die Gemeinschaftsleistung. Wie in der Musik: Ist eine Schlagzeuger oder ein Trompeter wertvoller? Oder gar der Sänger? Sie sind alle nichts, solange das Gesamtwerk keinen Erfolg erzielt, jeder ist von jedem abhängig.

Wenn wir es schaffen gesellschaftlich die Definition von „Arbeit“ und „Entlohnung“ in eine Formen zu giessen, sollten wir einen riesen Schritt nach vorn tun können.

Die Piratenpartei fordert das bedingungslose Grundeinkommen

Dies ist die Meldung, die vom heute zu Ende gegangenen Bundesparteitag der Piratenpartei sicherlich viele konservative Menschen dazu verleiten wird: „Nun fordern die Piraten den Sozialismus“ zu denken.

Der FPD-Generalsekretär kommentiert dies bereits wie folgt:

 Zum bedingungslosen Grundeinkommen, das die Piraten an diesem Wochenende bei ihrem Parteitag in Offenbach beschlossen haben, sagte Lindner: “Wer soll das bezahlen? Rente ab Geburt funktioniert nicht.”

Beschlossen haben? Ja, der Herr Lindner sollte genauer hinschauen, bevor er die von anderen Parteien beschlossenen Forderungen kommentiert. Denn wer sich einmal anschaut, was denn genau beschlossen wurde, wird aus dem Antrag wohl eher herauslesen können, dass die Piraten die erste politische Partei in Deutschland ist, die einfordert sich Gedanken über die langfristige Entwicklung der Sozialpolitik und der Arbeitslage in der westlichen Welt zu machen. Denn was genau steht eigentlich in dem beschlossenen Antrag PA284? Ich werde hier nur die – in meinen Augen – wichtigsten Passagen einfügen. Ich empfehle aber jedem, den ganzen Text zu lesen.

Wir nehmen viele engagierte Menschen wahr, die sich seit Jahren in- und außerhalb von Parteien für ein bedingungsloses Grundeinkommen einsetzen. Wir wollen dieses Engagement auf die politische Bühne des Bundestages bringen und mit den dortigen Möglichkeiten eine breite und vor allem fundierte Diskussion in der Gesellschaft unterstützen.

Und auch ich nehme viele Menschen wahr, die dies tun. Z.B. Götz Werner, der Begründer der Drogeriekette DM, der  auf der Webseite seiner Aktion „Unternimm die Zukunft“ zitiert wird:

«Die Grundfrage lautet doch, ob unsere Gesellschaft einen so großen Überschuss an Gütern und Dienstleistungen produzieren kann, dass wir für 82 Millionen Menschen ein Grundeinkommen von ungefähr 1000 Euro gewährleisten können. Angesichts eines Bruttosozialproduktes von rund 2500 Milliarden und Konsumausgaben von rund 1800 Milliarden Euro beantworte ich das mit ja.»

Es gibt also sehr wohl auch Menschen ausserhalb der „Hartz-IV Szene“, die sich diesbezügliche Gedanken machen.

Aber wieder zu den Piraten und ihrem Antrag:

Dazu wollen wir eine Enquete-Kommission im Deutschen Bundestag gründen, deren Ziel die konkrete Ausarbeitung und Berechnung neuer sowie die Bewertung bestehender Grundeinkommens-Modelle sein soll. Für jedes Konzept sollen die voraussichtlichen Konsequenzen sowie Vor- und Nachteile aufgezeigt und der Öffentlichkeit transparent gemacht werden.

Was? Die wollen das Für und Wider der Argumente testen lassen? Das liest sich nicht nach „blindem Aktionismus“ sondern eher nach der bodenständigen Forderung einer Idee und diversen Konzepten überhaupt erstmal eine Chance zu geben. Nur soll dies nicht inkleinen Hinterzimmern, sondern offiziell auf der politischen Ebene geschehen. Das ist ein kleiner Unterschied zu „fordert Grundeinkommen“. Ist aber leider nicht so griffig als Schlagzeile.

Zeitgleich werden wir uns im Bundestag dafür einsetzen, dass noch vor Ende der Legislaturperiode die gesetzlichen Grundlagen für Volksabstimmungen auf Bundesebene geschaffen werden. Sie sollen den Bürgern ermöglichen, sowohl die in der Enquete-Kommission vorgestellten als auch andere Grundeinkommens-Modelle als Gesetzentwurf direkt zur Abstimmung zu stellen. Um dabei über eine Vielfalt an Konzepten gleichzeitig entscheiden zu können, sollen Volksabstimmungen auch mit Präferenzwahlverfahren durchgeführt werden können.

Das Volk soll also entscheiden? Hmm, hört sich nach dem Artikel 20 GG an:

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

Ist doch legitim, solch einschneidende Entscheidungen wie das Umkrumpeln des sozialen Selbstverständnisses vom Volk entscheiden zu lassen. Und auch verfassungskonformer, als so manche Entscheidung, welche die Bürger der BRD in der Vergangenheit hinnehmen mussten.

Bis zur Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens setzen sich die PIRATEN für einen bundesweiten gesetzlichen Mindestlohn ein.

Die Sahnehaube: Bis ein Fernziel erreicht oder sich als unerfüllbar herausstellt, definieren wir sofort einen Plan-B.

Dieser Antrag gibt für mich ein sehr gelungenes Bild, wie politisch interessierte Bürger selbst und eigenhändig (keine Delegierten!) Politik in die Hand nehmen, die sich sehen lassen kann. Und er ist ein Beispiel, dass man lesen muss, was genau beschrieben wird. Denn der Antrag sagt vor allem aus:

Die Piratenpartei fordert, sich politisch mit der sozialen Teilhabe sowie dem Bedingungslosen Grundeinkommen auseinander zu setzen.

Ist als Überschrift aber leider viel zu lang ….