Von der Leyen und das Sommertheater der beruflichen Erreichbarkeit

Uschi von der Leine läutete gestern offiziell das politische Sommerloch ein.

Viele Arbeitnehmer sind jederzeit für ihre Firma erreichbar – per Mail, per Smartphone, per Telefon. Arbeitsministerin von der Leyen allerdings will, dass Unternehmen ihre Mitarbeiter besser vor Stress durch Computer und Smartphones schützen. Dazu seien klare Regeln nötig.

„Etwa ein Drittel aller Arbeitnehmer ist nach Erhebungen des Branchenverbandes Bitkom jederzeit durch seinen Arbeitgeber erreichbar. 85 Prozent der Befragten geben in einer Studie des BKK-Bundesverbandes an, außerhalb ihrer regulären Arbeitszeit für Kunden, Kollegen oder Vorgesetzte per Internet, Festnetzanschluss oder Handy erreichbar zu sein.“

Ja, was soll man dazu sagen? Zuerst einmal muss ich an den alten Spruch denken „Mein Telefon hat so eine neue Funktion: Einen Ausschalter“. Denn machen sich die meisten Menschen den Stress nicht selbst? Ich kenne viele Menschen die (auch) beruflich erreichbar sein wollen. Gründe dafür sind vielfältig: Selbst definierte Wichtigkeit, kritische Projekte, Geschäfte mit Firmen in anderen Zeitzonen oder einfach nur das Gefühl „es könnte ja etwas sein“. Wer aber beruflich erreichbar sein muss, sollte sich diesen Stressfaktor auch – durch Mehrurlaub oder Gehaltsanteil – angemessen vergüten lassen.

Ob ich erreichbar bin weil es sein will, oder erreichbar sein muss macht einen grossen Unterschied, desweiteren muss man unterscheiden zwischen der theoretischen Erreichbarkeit (berufliche Ansprechpartner hat die Rufnummer) und der Verpflichtung erreichbar zu sein. Nach den Worten der Studie sind 85% erreichbar, es wird aber keine Aussage getroffen, ob diese Erreichbarkeit tatsächlich – durch Anrufe oder beantworten von Mails – Folgen für das Privatleben hat.

Peter Glaser hat mich meine Einstellung zur Erreichbarkeit deutlich geprägt (siehe hier), gebe ich zu, mich in den Anfängen meiner Tätigkeit in einer leitenden Position mich auch unnützem Stress ausgesetzt zu haben: Am Wochenende wurde stets die Mail kontrolliert, selbst im Urlaub war ich stets für Kunden und Mitarbeiter erreichbar. Die Folge war, dass ich ausbrannte. Dies ist aber eine Tatsache, die man für sich selbst feststellen und darauf reagieren sollte. Wer Urlaub hat, ist nicht erreichbar (absolute Ausnahmen sind erlaubt), was am Abends oder am Wochenende an Mail reinkommt hat Zeit bis Montag. Da braucht der Erwachsene keine gesetzlichen Regelungen, sondern schlicht Erkenntnis.

Insofern wandelt Zensursula wieder auf den Spuren von Inge Meisel und will ihr den Ruf als „Mutter der Nation“ streitig machen. Wann wird Sie eine Gesetzesinitiative auf den Weg bringen, dass Erwachsene täglich mindestens 7 Stunden Schlaf haben müssen, da man andernfalls müde ist?

Die Piratenpartei fordert das bedingungslose Grundeinkommen

Dies ist die Meldung, die vom heute zu Ende gegangenen Bundesparteitag der Piratenpartei sicherlich viele konservative Menschen dazu verleiten wird: „Nun fordern die Piraten den Sozialismus“ zu denken.

Der FPD-Generalsekretär kommentiert dies bereits wie folgt:

 Zum bedingungslosen Grundeinkommen, das die Piraten an diesem Wochenende bei ihrem Parteitag in Offenbach beschlossen haben, sagte Lindner: “Wer soll das bezahlen? Rente ab Geburt funktioniert nicht.”

Beschlossen haben? Ja, der Herr Lindner sollte genauer hinschauen, bevor er die von anderen Parteien beschlossenen Forderungen kommentiert. Denn wer sich einmal anschaut, was denn genau beschlossen wurde, wird aus dem Antrag wohl eher herauslesen können, dass die Piraten die erste politische Partei in Deutschland ist, die einfordert sich Gedanken über die langfristige Entwicklung der Sozialpolitik und der Arbeitslage in der westlichen Welt zu machen. Denn was genau steht eigentlich in dem beschlossenen Antrag PA284? Ich werde hier nur die – in meinen Augen – wichtigsten Passagen einfügen. Ich empfehle aber jedem, den ganzen Text zu lesen.

Wir nehmen viele engagierte Menschen wahr, die sich seit Jahren in- und außerhalb von Parteien für ein bedingungsloses Grundeinkommen einsetzen. Wir wollen dieses Engagement auf die politische Bühne des Bundestages bringen und mit den dortigen Möglichkeiten eine breite und vor allem fundierte Diskussion in der Gesellschaft unterstützen.

Und auch ich nehme viele Menschen wahr, die dies tun. Z.B. Götz Werner, der Begründer der Drogeriekette DM, der  auf der Webseite seiner Aktion „Unternimm die Zukunft“ zitiert wird:

«Die Grundfrage lautet doch, ob unsere Gesellschaft einen so großen Überschuss an Gütern und Dienstleistungen produzieren kann, dass wir für 82 Millionen Menschen ein Grundeinkommen von ungefähr 1000 Euro gewährleisten können. Angesichts eines Bruttosozialproduktes von rund 2500 Milliarden und Konsumausgaben von rund 1800 Milliarden Euro beantworte ich das mit ja.»

Es gibt also sehr wohl auch Menschen ausserhalb der „Hartz-IV Szene“, die sich diesbezügliche Gedanken machen.

Aber wieder zu den Piraten und ihrem Antrag:

Dazu wollen wir eine Enquete-Kommission im Deutschen Bundestag gründen, deren Ziel die konkrete Ausarbeitung und Berechnung neuer sowie die Bewertung bestehender Grundeinkommens-Modelle sein soll. Für jedes Konzept sollen die voraussichtlichen Konsequenzen sowie Vor- und Nachteile aufgezeigt und der Öffentlichkeit transparent gemacht werden.

Was? Die wollen das Für und Wider der Argumente testen lassen? Das liest sich nicht nach „blindem Aktionismus“ sondern eher nach der bodenständigen Forderung einer Idee und diversen Konzepten überhaupt erstmal eine Chance zu geben. Nur soll dies nicht inkleinen Hinterzimmern, sondern offiziell auf der politischen Ebene geschehen. Das ist ein kleiner Unterschied zu „fordert Grundeinkommen“. Ist aber leider nicht so griffig als Schlagzeile.

Zeitgleich werden wir uns im Bundestag dafür einsetzen, dass noch vor Ende der Legislaturperiode die gesetzlichen Grundlagen für Volksabstimmungen auf Bundesebene geschaffen werden. Sie sollen den Bürgern ermöglichen, sowohl die in der Enquete-Kommission vorgestellten als auch andere Grundeinkommens-Modelle als Gesetzentwurf direkt zur Abstimmung zu stellen. Um dabei über eine Vielfalt an Konzepten gleichzeitig entscheiden zu können, sollen Volksabstimmungen auch mit Präferenzwahlverfahren durchgeführt werden können.

Das Volk soll also entscheiden? Hmm, hört sich nach dem Artikel 20 GG an:

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

Ist doch legitim, solch einschneidende Entscheidungen wie das Umkrumpeln des sozialen Selbstverständnisses vom Volk entscheiden zu lassen. Und auch verfassungskonformer, als so manche Entscheidung, welche die Bürger der BRD in der Vergangenheit hinnehmen mussten.

Bis zur Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens setzen sich die PIRATEN für einen bundesweiten gesetzlichen Mindestlohn ein.

Die Sahnehaube: Bis ein Fernziel erreicht oder sich als unerfüllbar herausstellt, definieren wir sofort einen Plan-B.

Dieser Antrag gibt für mich ein sehr gelungenes Bild, wie politisch interessierte Bürger selbst und eigenhändig (keine Delegierten!) Politik in die Hand nehmen, die sich sehen lassen kann. Und er ist ein Beispiel, dass man lesen muss, was genau beschrieben wird. Denn der Antrag sagt vor allem aus:

Die Piratenpartei fordert, sich politisch mit der sozialen Teilhabe sowie dem Bedingungslosen Grundeinkommen auseinander zu setzen.

Ist als Überschrift aber leider viel zu lang ….

EU reagiert auf radioaktiv verseuchte Lebensmittel aus Japan

War bisher eine kumulierte Radioaktivität von Cäsium-134 und Cäsium-137 von maximal 600 Becquerel/Kilogramm zulässig, traten am vergangenen Wochenende bis zu 20-fach höhere Obergrenzen von bis zu 12.500 Becquerel/Kilogramm für bestimmte Produkte aus Japan in Kraft.

kann man beim Glocalist nachlesen. Jetzt wissen wir endlich was es heisst, wenn die Hure der Wirtschaft, die Umweltministerin Aigner typisch christlich-sozial agiert:

Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner verweist seit Tagen auf „verstärkte Kontrollmaßnahmen“ und „spezielle Schutzstandards“ – sie informiert die Öffentlichkeit jedoch nicht darüber, dass die EU-weit geltenden Grenzwerte für die radioaktive Belastung von Lebensmitteln aus den betroffenen Regionen Japans am vergangenen Wochenende deutlich erhöht wurden.

Ich frage mich so langsam nicht mehr, was in den hohlraumversiegelten Köpfen der bundesdeutschen Politikern vorgeht. Wir werden nach Strich und Faden verarscht – Hauptsache die Bilanzen stimmen und die Aktionäre sind zufrieden.

Ich hätte noch diverse Bezeichnungen für diese Bundesverbraucherministerin, die tiefer in den Arsch der Wirtschaft zu kriechen scheint, als es der weinselige Wirtschaftsminister könnte. Aber ich will hier keine FSK-21 einführen müssen, also denke ich mir nur meinen Teil über die Verbraucherveraschungsfachfrau, die durch solche Aktionen den Verdacht aufkommen lässt, nichtmal die Steuergelder wert zu sein, die ein Glas Wasser kostet, welches man benötigt um sich nach dem Kotzen den Mund abzuspülen.

Und ja, ich bin stinksauer – und ja, es tut gut das raus zu lassen!

 

PS: Meine Prinzessin erklärt:“ Du bist jetzt definitiv bei R – wie RANT  – angekommen“