Wen soll man denn nun wählen? Bundestagswahl 2013

Nachdem Besim vom blog@Netplanet immer wieder die Blogger aufruft über die Wahl zu bloggen, komme ich auch endlich mal aus dem Quark. Vor habe ich dies seit ungefähr zwei Wochen – aber man kommt ja zu nichts.

Es ist soweit: Wieder die Qual der Wahl und wer mein Blog verfolgt, weiß, dass ich nicht der Typ bin, der auf aktuelle Wahlversprechen (gibt es diese – so inhaltlich?) vertraut, deshalb werde ich einfach die vergangenen Jahre betrachten. Denn wählen hat für mich mehr mit Vertrauen zu tun. Was nutzt es, wenn ich aktuelle Wahlversprechen bewerte, aber gänzlich neue Probleme auf die zukünftige Regierung zukommen? Ich muss einer Regierung vertrauen können, auch bei unvorhergesehenen Problemen verantwortungsvoll und in meinem Interesse zu handeln.

Am einfachsten ist es bei der AFD: Sorry, aber rückwärts gewandte Parteien haben in meiner Entscheidungsblase nichts zu suchen. Wobei ich nicht sagen will, dass alle Änderungen gut sind (vergl. Hartz-IV in der praktizierten Form). Die AFD empfinde ich als fast noch gefährlicher als eine andere Partei des rechten Spektrums, die ich hier nicht einmal mit einer Erwähnung adeln möchte. Ich mag Offenheit und keine wohl formulierten und verharmlosenden Phrasen, welche die wahren Ziele verschleiern.

Die nächste NoGo-Area auf dem Wahlzettel ist die FDP: Wer erinnert sich nicht an das Wahlgeschenk an den Möwenpick-Konzern und alle anderen Hoteliers? Die Zeiten von Scheel & Genschman sind nun mal endgültig vorbei. Sie wurden abgelöst von Spielzeugpolitikern wie Philip Rösler und dieser seltsamen Marionette der Privatversicherungen, Daniel Bahr. Auch die Ernennung von Otto Graf Lambsdorff zum Ehrenvorsitzenden – nachdem er als rechtskräftig wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde – sind nicht gerade vertrauenseinflößend. Die generelle Einstellung zum Thema Steuern sollte hinreichend bekannt sein.

Was ist mit den Grünen?: Ja, die Grünen – der Ablasshandel für Umweltsünder. Dass man die typischen Vertreter der Wähler dieser Partei daran erkennt, dass diese mit dem SUV vor dem Bioladen vorfahren, macht diese Partei für mich deutlich problematisch. Auch die Mitverantwortung an Hartz-IV und den Auslandseinsätzen der Bundeswehr sind ein absolutes „Geht gar nicht“. Komplett unwählbar wurden die Grünen aber für mich 2008. Sie gingen in die Wahl der Hamburgischen Bürgerschaft mit dem Wahlversprechen „Moorburg wird es mit uns nicht geben”. Nachdem sie dann die gepolsterten Sitze im Hamburger Rathaus erklommen hatten, wurde in der Schwarz/Grünen Koalition natürlich das Kohlekraftwerk Moorburg mit den Stimmen der Grünen gebaut. Tipp für Politiker mit Arsch in der Hose: Für ein Versprechen an die Wähler darf man eine Koalition auch zerbrechen lassen.

Die christlichen Werte der CDU: Sorry, aber ich kann die Merkel-Raute nicht mehr ertragen – sie fügt mir körperliche Schmerzen zu. Egal was angepackt wird: Es ist zumindest unterhalb von „gut“ angesiedelt. Eurokrise? Erst verdienen sich deutsche Unternehmen und die deutsche Geldwirtschaft eine goldene Nase um dann ganze Länder fallen zu lassen? Warum werden nicht die Banken fallen gelassen? Wenn der Ackermann nicht 1994 so auf die Nase gefallen wäre mit seinen „Peanuts“, wäre sicherlich etwas ähnlich verwertbares bei der Bankenrettung gefallen. Was sagt die CDU zu der unerhörten Überwachung der gesamten westlichen Welt durch die USA und Großbritannien? Nix, ist erledigt. Alles schön, denn die eigenen Bürger zu überwachen gehört zum geheimen Grundportfolio des Machterhaltes.

Es ist traurig liebe SPD: Ich bin in einem sozialdemokratischen Haushalt aufgewachsen. SDP und Gewerkschaften waren immer nah beieinander – für das Wohl der Arbeiterschaft, denn die Schwachen brauchen Hilfe. Spätestens seit eurem Gazprom-Kanzler habt ihr schlicht verspielt. Die Absenkung des Spitzensteuersatzes von 53% auf 42/45% geht nahezu allein auf eure Kappe. Und ausgerechnet derjenige, der als Finanzminister der großen Schwarz/Roten Koalition den deutschen Kapitalmarkt für die Heuschrecken öffnete – Peer Steinbrück – will jetzt den Bankensektor wieder regulieren? Auch über Hartz-IV müssen wir reden. Aber ihr habt ja recht: So eine Geißelung des Schwachen kann nur durch eine „soziale“ Partei erfolgen – die CDU hätte einen Volksaufstand geerntet. Von euch bin ich – ehrlich – am meisten enttäuscht.

Verdammt, liebe Piraten: In meiner Brust müsste eigentlich das absolute Piratenherz schlagen. Tat es ja auch eine ganze Weile – aber die Realität holte mich und meine ideellen Vorstellungen ein. Ausgerechnet in meinem Wahlkreis steht auf Platz 1 ein Kandidat, der sich zum einen (sanktionsfrei) bei der #Aufschrei Diskussion als Sexist outen dufte und sich zudem auch noch als wenig demokratischer Alleingänger herausgestellt hat. Ja, dass sind die Probleme, wenn man „nah dran“ sitzt und „zuviel“ mitbekommt. Auf meinem RADAR (welches bis nach München reicht – huhu dyfa) gibt es großartige Menschen, die sich in den Dienst dieser Partei stellen. ABER: Es gibt auch leider (zu viele) Menschen, die auf dem Rücken der guten Sache und der wahren Ziele, bereit sind – zur Erlangung von persönlichen Vorteilen – die Partei zu schädigen und zu verraten. Und genau DAS ist mir zu gefährlich. Deshalb sind es auch nicht die Piraten – so sehr ich mir gewünscht hätte sie wählen zu können. Sorry! – und nun kreuzigt mich.

Bleibt eigentlich nur noch Die Linke: Jaja, ich weiß. Die PDS-Vergangenheit. Aber wo finden eigentlich die Ex-DDR Politiker Erwähnung, die bei FDP, SPD und CDU Unterschlupf gefunden haben? Ja, Die Linke macht immer wieder durch „interne“ Streitereien auf sich aufmerksam. Aber sorry, der Disput gehört dazu. Dass Die Linke die Regierung stellt ist sicherlich ausgeschlossen. Also könnte sie höchstens als Korrektiv für SDP oder (hihihihi) CDU aktiv werden – oder eben eine starke Oppositionspartei stellen. Die Themen Der Linke finden weitestgehend meine Zustimmung – in meinem Wahlbezirk liegen diese sogar deutlich weit vor dem Kandidaten der Piratenpartei – das macht mir die Entscheidung einfach.

Meine Wunschregierung: OK, ich bin ein Träumer – aber ich wünsche mir, dass sich das derzeit gespaltene (verfeindete?) Spektrum des linken Flügels zusammen rauft. Eine „Koalition der Vernünftigen“ aus SPD, Der Linken, den Piraten und auch den Grünen stelle ich mir sehr hilfreich für die Politik der Bundesrepublik Deutschland vor. Da aber viel zu viele persönliche Befindlichkeiten und auch Abhängigkeiten von der Industrie (ja, damit meine ich euch ihr Sozis), wird dies nichts werden. Denn leider haben gerade die großen Parteien den Fraktionszwang noch nicht hinter sich gelassen. Wenn jeder Politiker nur nach seiner eigenen (und nicht der ihm nahe stehenden Lobbyisten) Überzeugung abstimmen würde, könnte dies etwas werden. Ich werde nicht aufhören zu träumen.

Meine wichtigsten „ersten Schritte“ (Reihenfolge eher zufällig):

  • Völlige Aufklärung des NSA-Skandals, inkl. Sanktionen gegen die USA, sollten diese die Aufklärung behindern.
  • Reform des Sozialgesetzbuches (Hartz-IV) um den Betroffenen ein wenig Würde zu gewähren
  • Einführung eines Mindestlohnes (deutlich über Hartz-IV Satz), denn es kann nicht sein, dass Unternehmen sich über „Hartz-IV Subvention“ bereichern.
  • Wiederanhebung des Spitzensteuersatzes, um den Schuldenberg einzudämmen und um den Bereich Bildung wieder zu beleben.
  • Eine Einheits-Sozialversicherung bei welcher alle Erträge mit einem festen Prozentsatz Berücksichtigung finden. Dies würde die gemachten Fehler der Vergangenheit revidieren. Zusätzlich zu dieser Standard-Versicherung können natürlich Zusatzversicherungen abgeschlossen werden. Aber der Grundbeitrag für eine angemessen umfangreiche Versorgung muss von allen eingezahlt werden.
  • Generelle Kursänderung in Sachen fortgesetzte Bankenkrise (Vulgo Griechenland, Spanien etc). Es darf nicht sein, dass die Erträge der konstitutionellen Anleger einen höheren Stellenwert haben, als die eingezahlten Steuern der Bürger.

Und bestimmt noch weitere Themen 🙂

Sachpolitik auf Basis von Kompetenz und Vernunft

Nun also soll die Piratenpartei daran schuld sein, dass nach der nächsten Bundestagswahl wohl Frau Merkel weiter Kanzlerin bleibt und wir von einer großen Koalition regiert werden „müssen“.

Aber wieso? Es gibt doch Alternativen:

  1. Die SPD (als ehemaliger Platzhirsch) könnte es versuchen über Inhalte wieder eine absolute Mehrheit oder zumindest eine ausreichende Menge an Stimmen für eine Koalition mit den Grünen zu erlangen
  2. Die Grünen könnten es schaffen eine ausrechende Menge an Wählern hinter sich zu bringen um (als Ersatz für die SPD) eine Koalition mit der CDU anzustreben

OK, ich gebe zu – das ist alles sehr unwahrscheinlich. Und meine Idee (Phantasie) ist sogar noch unwahrscheinlicher, erscheint mir aber der einzig sinnvolle Weg für das Land und die Bürger zu sein: Keine Koalitionen sondern Sachpolitik auf Basis von Kompetenz und Vernunft.

Warum sollte nicht ein z.B. 7% Partei den Kanzler/die Kanzlerin stellen? Warum sollte keine „Oppositionspartei“ auch Minister/innen stellen? Und warum müssen Abgeordnete entgegen ihrer eigenen Vernunft bei Abstimmungen Fraktionsmeinungen vertreten?

Das ursächliche Problem ist nicht, dass es keine Partei mehr die absolute Mehrheit erreicht. Das Problem sind persönliche Befindlichkeiten und Machtphantasien. Welche vernünftige Argument spricht dagegen, dass eine 7%-Partei den Kanzler/die Kanzlerin stellt? Wer definiert, dass die am stärksten vertretene Partei auch die fähigsten Personen für alle zu vergebenen Ämter in ihren Reihen hat? Die stärkste Partei stellt die meisten Abgeordneten – das ist ein Fakt und dies ist auch gut so. Aber warum müssen die Posten – per Dekret – innerhalb der Partei vergeben werden? An dieser Stelle geht es doch nur um die Macht (und das Geld) in den eigenen Reihen. Es geht nicht – und so sollte es doch sein – darum, dass die Aufgaben von den am besten befähigten Personen erledigt werden.

Und was ist mit den Abstimmungen? Wenn Abgeordnete sich an ihr Gewissen (und somit an den Auftrag der Wähler! – nicht der Sponsoren) halten, kann auch ein Politiker der „AKW-Ja-Partei“ sehr wohl gegen ein Atomkraftwerk im Nordseewatt stimmen. Es geht doch schlussendlich um vernünftige Lösungen für das Volk und das Land.

Vielleicht bin ich ein Phantast – aber ich hoffe, dass wir in ein paar Jahren von einer Regierung vertreten werden, die vernunftbetont und nicht auf Grund von Parteibuch und egozentrischen Motiven agiert.

Die Piratenpartei und das rechte Problem

Lange genug habe ich mir die Diskussionen angesehen und angehört, ich habe auch mehrere Nächte darüber geschlafen und nun muss meine Meinung einfach raus. Ich weiss, es ist ungemein gefährlich etwas zu diesem Thema zu formulieren. Schon das gesprochene Wort kann dazu führen, dass man in der Luft zerrissen wird, schriftliche Aussagen sind ungleich gefährlicher. Ich versuche es dennoch – ich brauche ein Ventil.

Wie groß ist das Problem das die Piratenpartei mit Personen mit rechten Hintergrund hat?  Aus meinem Blickwinkel ist das Problem der Piratenpartei nicht grösser, als das gesellschaftliche Problem mit „rechts“ in Deutschland generell. Eher würde ich es (oha, ich relativiere – SEHR gefährlich!) als kleiner einschätzen, als es im Bundesdurchschnitt ist. Daraus den Schluss abzuleiten, dass die Piratenpartei frei von Personen mit rechtem Gedankengut ist, wäre sicherlich falsch. Im Gegensatz zu diversen deutschen Stammtischen und anderen formellen und informellen Zusammenschlüssen steht die Piratenpartei aber unter penibler – nicht zuletzt interner(!) – Beobachtung.  Jeder Aussage eines „Piraten“ wird geprüft und bewertet. Wenn auch nur der Verdacht von rechter Gesinnung hinter einer Aussage steht, wird dies thematisiert. Um einmal den Herrn Wowereit mit einem seiner grössten Sätze zu zitieren: „Und das ist auch gut so“. Gibt es dieses kritische Regulativ auch an Stammtischen? Nein, dort wird – teilweise – unwidersprochen gegen Ausländer gehetzt, weil keine Kritiker sofort thematisieren und kritisieren.

Ich freue mich, dass wir Piraten – in vielerlei Hinsicht – kritisch sind und Misstände nicht unter den Teppich kehren oder hinter verschlossenen Türen diskutieren. Was uns teilweise fehlt ist das Fingerspitzengefühl. Nicht jede Aussage die man als „kommt aus der rechten Ecke“ bezeichnen kann, enttarnt einen Nazi. Wenn ich den NSDAP-Vergleich von Martin Delius betrachte, so würde ich Martin nicht als Rechts klassifizieren, höchstens als – in diesem Fall! – als ungeschickt bis dumm. Was sollte man mit Menschen tun, die etwas dummes sagen: Man spricht sie darauf an, gibt ihnen die Möglichkeit ihre Dummheit zu erkennen und sich zu bessern.

Marina Weisband hat in ihrem Blog einen Aussage getroffen, die ich hier wiedergeben und unterschreiben möchte:

Nazis einfach aus allen Parteien auszuschließen oder politisch zu isolieren ist nicht die ganze Lösung des Problems. Dadurch geht es nicht weg. Wir müssen uns als Gesellschaft (nicht als Partei!) um diese Menschen kümmern, sie bilden, sie bekanntmachen, ihnen erklären. Wir müssen ihnen immer einen Rückweg offen lassen. Sie treffen die Entscheidung.
Viele haben rechte Ansichten aus ihrem Elternhaus oder von ihren Schulfreunden mitbekommen. Wir dürfen diese Menschen nicht ohne Kampf dem Hass überlassen. Aber gegen die Ansichten, die sie vertreten, müssen wir erbarmungslos sein. Denn wir sind besser als die Nazis, wenn wir bestimmte Ideen ausgrenzen.

Das wahre Problem ist das rechte Gedankengut. Menschen können geläutert werden, sollten geläutert werden. Aber nicht nur rechtes, sondern auch fremdenfeindliches, Menschen verunglimpfendes – oder anders geartet nicht dem piratigen Konsens entsprechendes – Gedankengut gilt es zu erkennen und zu thematisieren. Auch auf unserem kleinen Bezirksstammtisch ist es bereits vorgekommen, dass ein Teilnehmer eine Aussage traf, die ich so nicht im Raum stehen lassen wollte (es ging nicht um rechts, sondern um Migranten). Ich sprach es an und stellte fest: Da hat sich jemand vergallopiert, ist in die Falle der öffentlichen Meinungsmache hineingetappt. Manche Begrifflichkeiten gelten im Sprachgebrauch als normal ohne dies aber zu sein. Man muss dann aufklären und versuchen ob die Person diese Aussage – siehe oben – aus Überzeugung oder Dummheit so formulierte. War es Dummheit: Lehrt den Menschen, macht ihn selbstkritischer und gibt ihm die Möglichkeit sich zu verbessern.

Ich erinnere mich nur ungern an die Dummheiten, die wir Schulkinder damals auf den Schulhöfen wiedergaben. (Nicht nur) Ich war unkritisch, fand Dinge lustig ohne zu reflektieren, was hinter den dummen Sprüchen stand. Heute – ca. 40 Jahre später – schäme ich mich dafür, aber ich habe gelernt, bin (selbst)kritischer.

Lasst uns zwischen Mensch und Meinung differenzieren und weiter alle Probleme offen ansprechen und an ihnen arbeiten. Aber lasst es uns bitte-bitte-bitte ohne Shitstorm versuchen, wenn dieser nicht nötig ist. Lasst uns nicht wegschauen und nicht unter den Teppich kehren, aber lasst es uns möglichst sachlich tun. Wirklich wichtig ist, dass wir diese Problembären erkennen und ihnen keine Plattform und noch viel weniger ein Amt geben.

So und nun warte ich – nach der Veröffentlichung dieses Blogposts – ab, ob und wann auch ich daneben griff und meinen eigenen Shitstorm auslöse.