Mein Mitleid mit Unternehmen wie BP hält sich in Grenzen

Es gibt Dinge die sind für Firmen absolut wichtig und es gibt Dinge die sind eher nebensächlich. Der Shareholdervalue ist das maß aller Dinge und Naturschutz und das Erbe unser aller Kinder ist eher egal.

Ein wunderschönes Beispiel ist BP und die Katastrophe die im Golf von Mexiko begann aber wohl noch Spätfolgen an weiten Teilen der amerikanischen Ostküste verursachen wird.

760 Millionen US-Dollar soll die Ölpest bislang gekostet haben. Ich frage mich ob dies ein Zehntel, ein Hundertstel, ein Tausendstel oder noch weniger der Gesamtkosten sind, die dieses „nicht beherrschen der Technik“ die Menschen der Region kosten wird. Die Spätfolgen für die Natur kann man erfahrungsgemäß rechnerisch gar nicht erfassen.

Habe ich Mitleid mit BP? Nein, keineswegs. Auch das Argument: Hey, wir brauchen das Öl kann, will und werde ich nicht gelten lassen. Denn es gibt etwas, dass wir (und unsere Kinder!) viel dringender benötigen als Energie: Einen bewohnbaren Planeten! Aber solange die Damen und Herren Ausbeuter mit den erzielten Gewinnen sich Grundstücke in den letzten bewohnbaren Enklaven erwerben können besteht für diese kein Grund ihr Handeln zu überdenken.  Was jammern die Menschen in Louisiana? Sollen sie doch in das Sommerhaus auf den Malediven auswandern – tun wir doch auch.

Das schlimmer ist: Dieser Raubbau an der Natur  passiert (wenn auch nicht SO massiv)  in vielen Teilen der Welt – nur wird selten darüber so massiv berichtet, da nicht „wir Westler“ bestroffen sind.

Über Dreistigkeit und Unverfrorenheit

Es gibt genügend Arbeitsplätze – nur nicht genug Arbeitswillige. Das scheint der Vorstandsvorsitzender der Marseille-Kliniken AG, Ulrich Marseille (Über Marseille gibt es auch einen bemerkenswerten Wikipedia-Artikel) so zu sehen und entblödet sich nicht seine kapitalistische Gier offen zur Schau zu stellen. Solche frechen Aussagen wird man nur lesen können, wenn die herrschende kapitalistische Klasse sich sehr-sehr sicher ist, dass sie die absolute Macht besitzen. Bei ein wenig sozialem Anstand und Verantwortungsgefühl würde Marseille als Ausbeuter von Politikern geschasst und seinen Aktionären wegen schlechtem Marketing vom Hof gejagt. Aber in der jetzigen Situation darf man so frech sein.

Marseille betreibt als Vorstandsvorsitzender der Marseille-Kliniken AG in Deutschland 61 stationäre Altenpflege-Einrichtungen mit knapp 9000 Betten und 6000 Mitarbeitern. Er will mindestens 500 Hartz-IV-Empfänger einstellen und ihnen bis zu 400 Euro im Monat zahlen. Bewährt sich ein Arbeitsloser, will Marseille ihm nach zwei Jahren eine feste Arbeitsstelle anbieten. Nach seiner Einschätzung könnte ein Drittel dieser Hartz-IV-Pflegehelfer dauerhaft in der Branche bleiben. (FAZ) (Hervorhebung von mir)

Da soll den Hartz-IV Beziehern tatsächlich 400€ pro Monat bezahlt werden – und das bis zu 2 Jahre lang? Es spricht für die Situation in diesem Land, dass sich jemand überhaupt – unter Nennung seines Names und nicht anonym – traut Arbeitsplätze mit solch einem Hungerlohn anzubieten.

Man darf nicht vergessen, dass jeder dieser angebotenen Arbeitsplätze zu 99% direkt durch Hartz-IV Zuzahlungen (Steuergelder..)  subventioniert ist. Oder glaubt hier jemand, dass man hier in Deutschland (nicht bei Continental in Tunesien) von 400€ leben kann? Allein die Miete dürfte typischerweise diesen Betrag übersteigen.

Marseille nimmt wirklich kein Blatt vor den Mund:

Dennoch sieht er auch eine staatsbürgerliche Verpflichtung der Langzeitarbeitslosen, dem Staat, der sie finanziert, auf diese Weise etwas zurückzugeben. Aus seiner Sicht ist die Einstellung Langzeitarbeitsloser für alle Beteiligten ein gutes Geschäft. Er selbst sparte erheblich gegenüber der Anstellung einer regulären Hilfskraft, die bis zu 1800 Euro brutto verdient. Das Argument zählt, denn wie fast alle Pflegeanbieter – gemeinnützig, privat oder öffentlich – drücken ihn die steigenden Kosten noch mehr als der Personalmangel.

Ja, tatsächlich ein gutes Geschäft: 500 Personen denen man JE 1400 weniger bezahlen muss – sind 700.000 Euro Ersparnis für seine Aktiengesellschaft IM MONAT! Und nun nochmal – sollte es in Vergessenheit geraten sein: Marseille ist Vorstandsvorsitzender der Marseille-Kliniken AG. Hat jemand einen Verdacht, was man so als Vorstandsvorsitzender dieser Aktiengesellschaft für ein Einkommen hat? Was er verdient, steht auf einem ganz anderen Blatt. Das darf ich hier nicht schreiben, denn es wäre Aufruf zu einer Straftat.

Revolution anybody?

Der Kampf der Befindlichkeiten beginnt – Hartz-IV, Unternehmerlobby und das Verfassungsgericht

Der Lokus — sorry – Fokus bezieht Stellung auf Seite derjenigen Arbeitgeber, die ich als Ausbeuter bezeichnen würd (Erklärung weiter unten). In dem verlinkten Artikel wird eine Meinung forciert, die in die Richtung „Hartz-IV muss noch weniger werden, damit die Arbeitslosen motiviert werden“ abzielt.

So komme etwa ein verheirateter Vater von drei Kindern und einem monatlichen Bruttoeinkommen von 2500 Euro unterm Strich auf 2368,04 Euro.Das seien 264 Euro mehr, als eine vergleichbare Hartz-IV-Familie bekomme.

Allein aus den oben angebenen Zahlen lässt sich leicht ablesen, dass man lange hin und herrechnen musste, bis man ein Bruttogehlt fand, welche so so minimalen Abzügen führt, dass es diese minimale Differenz Brutto-> Netto ergibt.

Rechnen wir mal gegen: Diese 5 köpfige Familie bekommt Hartz-IV:

  • Miete: 800€
  • 2 Erwachsene a‘ 359€ = 718€
  • 3 Kinder über 14 Jahre a‘ 287€ = 861€

wären also 2379€. Aber NUR wenn alle Kinder über 14 sind.

Nun könnte man sich hinstellen und sagen: Welch himmelschreiende Ungerechtigkeit, die Hartz-IV beziehende Familie bekommt zu viel Geld. Wenn man allerdings unterstellt, dass die „arbeitswillige“ Familie eventuell noch Urlaubsgeld und/oder 13 Monatsgehalt bekommt, sieht die Rechnung leicht anders aus. Fairerweise muss man auch die Fahrtkosten, Mehrkosten für Reinigung von Arbeitskleidung etc. mit berücksichtigen.

Was also tun? Den Hartz-IV Regelsatz nach unten drücken? Wenn ja: Wie weit? Um das ganze etwas transparenter zu machen habe ich mal Tariflöhnen gesucht und bei der IG Metall folgende Information gefunden:

(Lohnuntergrenzen für Wäschereien 01.09.2009) Die Vertreter der Arbeitgeber und der IG Metall haben sich im Tarifausschuss auf die Mindestlöhne verständigt. Diese betragen zunächst im Westen 7,51 Euro und im Osten 6,36 Euro.

Bei einer 40 Stundenwoche würde ein Arbeitnehmer im Westen also 300,40€ pro Woche verdienen, somit ca. 1502 € BRUTTO wenn der Monat mit 5 Wochen angesetzt wird.

Die Gebäudereiniger(ein Ausbildungsberuf!) – die ja gerade streiken – haben auch Mindestlöhne

Für Gebäudereinigungskräfte gelten bislang Untergrenzen von 8,15 Euro pro Stunde im Westen und 6,58 Euro im Osten. Doch der Tarifvertrag zwischen der Industriegewerkschaft Bau, Agrar und Umwelt (IG BAU) und dem Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks läuft am 1. Oktober aus (Quelle)

Was verdient man bei diesem Mindestlohn? 40x 8,15€ = 326€ – bei 5 Wochen = 1630€. Ebenfalls deutlich weniger als ein Hartz-IV Empfänger.

Nehmen wir den Gebäudereiniger mal als Maßstab und rechnen zurück. Wir nehmen an, er zahlt keinerlei Einkommenssteuer und Sozialabgaben. Dann behält er von seinem Einkommen nach Mietzahlung noch 830€ nach. Wie teilen wir das jetzt auf 2 Erwachsene und 3 Kinder auf?

  • 2 Erwachsene a‘ 200€ = 400€
  • 3 Kinder a‘ 143,33€ = 430€(Geld alle)

Das unser Gebäudereiniger mit seinem Gehalt nicht auskommt liegt auf der Hand, also wird er sein Einkommen durch Hartz-IV aufstocken.

Die Frage, die gerade das Aufstocken unseres Gebäudereinigers aufwirft ist folgende: Wird auch sein Kolonnenführer/Vorarbeiter mittels Hartz-IV aufstocken? Wieviel Gehalt bekommt der Inhaber des Unternehmens?

Am deutlichsten wird mein gedankliches Ziel, wenn ich euch von einer kleine Produktionsfirma in Heidelberg erzähle. Dort arbeitet eine Angestellte VOLLZEIT für 600€ brutto. Der Inhaber des Unternehmens schaut ab und an einmal rein, ist aber am Produktivbetrieb NICHT beteiligt. Der Inhaber fährt einen Mittelklasse-PKW, hat sein eigenes Haus und ernährt von den Erträgen  des Unternehmens sich, seine Frau (hat ebenfalls einen PKW) und einen Sohn.

Wer ist hier der Sozialschmarotzer? Doch wohl deutlich der Unternehmer, der zusätzlich zu seinen Entnahmen aus dem Unternehmen seine Angestellte massgeblich von der Allgemeinheit bezahlen lässt. Wie sieht es mit Unternehmern aus, die 50 Angestellten niederste Löhne (durch Hartz-IV aufgestockt) zahlt, aber sich Haus und Hof von der Firma finanziert? Wird der „Luxus“ dieses Unternehmers eventuell durch versteckte Lohnsubventionen vom deutschen Steuerzahler getragen? Dennoch stellt sich der Unternehmer hin und lässt sich als Erschaffer von Arbeitsplätzen feiern.

DAS muss ein Ende haben. Das Verfassungsgericht muss einen reellen Anspruch definieren und von dem aus muss es eine allgemein gültige Richtlinie geben, die einen angemessenen Mindestlohn definiert.