Berechtigte Kritik am Job-Killer Ein-Euro-Job

Der Bundesrechnungshof kritisiert „eklatante Mängel im Hartz-IV-System“, dieses geht aus einem internen Bericht hervor auf den sich die Tagesschau bezieht:

Danach würden bei mehr als der Hälfte der geprüften Fälle die Voraussetzungen für eine staatliche Förderung fehlen.

Und genau diese Grundlage für staatliche Förderung möchte ich an einem Beispiel betrachten. Wer mein Blog aufmerksam liest, weiss dass auch ich vor ein paar Jahren die Erfahrung „Ein-Euro-Job“ machen durfte. Als Es-Selbstständiger rennt man ja direkt zur Arge – ohne Umweg über das Arbeitsamt. Im Gegensatz zu vielen Ein-Euro-Jobbern war ich froh ein wenig Kleingeld hinzu verdienen zu können. Und Erfahrungen machte ich in der Zeit auch.

Dem Betrieb in dem ich für die EDV zuständig war, ist eine Stadtteilküche mit angeschlossenem Partyservice

Außerdem werden umliegende Schulen mit leckeren Schulfrühstücken und Schulmittagessen versorgt.

An exakt diese Passage der Webdarstellung des betreffenden Betriebes wurde ich erinnert, als ich letzten Freitag in der FTD einen Bericht über das sogenannte Schulcatering las:

Täglich ein warmes Hauptgericht mit Gemüse, dazu Obst und Rohkost für zwischendurch, frische Kräuter, nur fettarme Milch, kein Salz, kein Formfleisch, und ein Getränk, mindestens 200 Milliliter, aber nur Wasser, oder Fruchtschorle, mit einem Drittel Fruchtsaft. Das Ganze für maximal 2 Euro. So soll die gastronomische Versorgung an Berliner Schulen aussehen. Auf dem Papier.

„Wir können doch nicht zaubern“, sagt Stephan Dürholt, Bereichsleiter Service Solutions beim Catering-Dienstleister Sodexo. Gute Qualität, nahrhaft und wohlschmeckend für einen Discountpreis – „das ist nicht machbar“, so Dürholt, der deswegen kürzlich sogar bei einer Ausschreibung ein Angebot zurückgezogen hat.

Ja, ich kann Herrn Dürholt verstehen. Denn wer in der Küche, der Logistik, der Ausgabe und der Buchhaltung (Finanz und Personal) mit sozial-versicherungspflichtigen Arbeitnehmern arbeiten muss, hat natürlich verloren.

Wer mit Betrieben wie dem Laurens-Janssem-Haus konkurieren muss, der kann gleich einpacken. Denn:

Die gesunden und leckeren Speisen werden zum Selbstkostenpreis verkauft. So leisten wir einen Beitrag zur gesunden Ernährung und Esskultur der Kinder, der auch für sozial schwache Familien bezahlbar ist.

Und in Sachen Selbstkosten ist ein Betrieb, der sich auf Ein-Euro-Kräfte stützt, natürlich unschlagbar.

Schaun wir uns mal an, wie sich so ein Betrieb der ausschliesslich auf „Ein-Euro-Abzocke“ gestützt ist, kalkuliert:

  • Eine fest angestellte Betriebsleiterin vor Ort (die Frau war SUPERnett! Auf die lasse ich nichts kommen!)
  • Einen fest angestellten Koch
  • Lohnbuchhaltung durch den Mutterbetrieb (zu dem unten mehr)

Jeder Ein-Euro-Jobber bringt dem Betrieb bares Geld ein, denn die Arge zahlt nicht nur an den Ein-Euro-Jobber, sondern auch eine Pauschale für „Verwaltungsaufwand“ an den beschäftigen Betrieb. Diese Pauschale beträgt etwas über 200 Euro/Pro Monat und Person.

Allein durch das zur Verfügung stellen von 20 Ein-Euro-Stellen, kassiert der Betrieb also 4000€. Dieses Geld wird nun in die Verwaltung gesteckt und sobald ich die Ein-Euro-Kräfte auch nur ansatzweise produktiv einsetze, kann ich Ertrag erwirtschaften und jedes normal agierende Unternehmen ausbooten.

Wer aber baut ein Unternehmen auf, dass – wie das Laurens-Janssen Haus – ausschliesslich als Aufgabe hat, Arbeitslosen einen Ein-Euro-Job zu bieten? Dieses ist eine Organisationen namens „passage gemeinützige Gesellschaft für Arbeit und Integration mbH“ – kurz Passage gGmbH. Und laut ihrem Impressum ist diese gGmbh:

Die passage gGmbH ist Mitglied im Diakonischen Werk Hamburg

Die Diakonie Hamburg betreibt unter der Firmierung Passage gGmbH einige Betriebe wie z.B. die „Quartierspflege“:

Seit 1998 bieten wir für Wohnungsgesellschaften und kommunale Einrichtungen im Süden Hamburgs die Dienstleistung der Hausbetreuung an.

womit der Hausmeister arbeitslos wird, oder auch das Projekt Samt und Seife, in dem:

In der Näherei werden überwiegend Raum- und Heimtextilien für gemeinnützige Einrichtungen gefertigt. Ein Schwerpunkt der Arbeit sind Textilien für kirchlichen Bedarf, wie z.B. Halskrausen, Stolen und Altardecken aus Seide.

Die Wäscherei arbeitet für gemeinnützige Einrichtungen, insbesondere aus dem kirchlichen und sozialen Umfeld des Betriebes, aber auch für bedürftige KundInnen.

Ist das nicht großartig? Da werden Kirchenausstattungen ganz legal von Ein-Euro-Jobbern erstellt und gereinigt. Der Küster braucht sich um nichts zu kümmern und die Reinigung um die Ecke geht leer aus.

All diese Dienstleistungen werden von der Arge finanziert/subventioniert. Auch hier greift uns – diesmal die evangelische – Kirche tief in die Tasche. Sozial und Kirch scheinen sich zu beissen. Was das Diakonische Werk dort treibt ist modernes Raubrittertum zu Lasten der Allgemeinheit.

Während meiner persönlichen Ein-Euro-Zeit wurde an mich die Aufgabe herangetragen, ich solle doch mal bitte eine Projektierung für das zu erstellende Ethernet-Netzwerk einer Schule erstellen. Nachdem sich meine Empörung gelegt hatte, erklärte ich der (oben bereits löblich erwähnten) Betriebsleiterin, dass ich mit EXAKT der Arbeit vor meiner Arbeitslosigkeit versuchte mein Geld zu verdienen. Ich war ganz sicher nicht bereit diese Arbeit nun für „lau“ zu tätigen und einem weiteren Berufskollegen seinen Ertrag zu stehlen. Die Dame hatte Verständnis und wir lehnten die Umsetzung (die Aufgabe kam „von Oben“ ab.

Wenn Oettinger Bürgermeister von Hamburg gewesen wäre

Aus der Abteilung: Wenn ich auch mal meinen Senf dazu geben darf.

Irgendwie bin ich ja ganz froh, dass  Günther Oettinger NICHT in Hamburg Erster Bürgermeister (als Bundeslandsvorsitzender) war, bevor der sich als Englischlehrer in die Eu verpisst hat.

httpv://www.youtube.com/watch?v=-RrEQ8Ovw-Q

Wir haben in Hamburg zwar unseren Beust am Arsch, der sich mit der Elbphilharmonie ein 500 Millionen teures Monument erbauen lässt. Oettingen hätte in Hamburg bestimmt die Elbe komplett unterirdisch verlegen lassen.

So haben wir Hamburger eine kulturelle Einrichtung für 500 Millionen Euro, die eher von den oberen 10.000 besucht werden wird. Die Stuttgarter aber geben 7 Milliarden aus, um einen Bahnhof unterirdisch verschwinden zu lassen.

Wäre es nicht billiger geworden den Bahnhof einfach mal zu verpacken? Die Berliner haben den Reichstag ja auch nicht gleich verbuddelt. Was hätte man mit 7 Milliarden alles im Bildungssektor machen können.

Aber der Oettinger weiss genau was es heisst, wenn man sagt „Ich habe 7 Milliarden versenkt“. Was bleibt ist die Frage, was wird Oettinger machen, wenn er von seinem EU-Auftritt zurück kommt? Vielleicht einen gut dotierten Job bei einem Bauunternehmen? Man weiss es nicht.

Über Dreistigkeit und Unverfrorenheit

Es gibt genügend Arbeitsplätze – nur nicht genug Arbeitswillige. Das scheint der Vorstandsvorsitzender der Marseille-Kliniken AG, Ulrich Marseille (Über Marseille gibt es auch einen bemerkenswerten Wikipedia-Artikel) so zu sehen und entblödet sich nicht seine kapitalistische Gier offen zur Schau zu stellen. Solche frechen Aussagen wird man nur lesen können, wenn die herrschende kapitalistische Klasse sich sehr-sehr sicher ist, dass sie die absolute Macht besitzen. Bei ein wenig sozialem Anstand und Verantwortungsgefühl würde Marseille als Ausbeuter von Politikern geschasst und seinen Aktionären wegen schlechtem Marketing vom Hof gejagt. Aber in der jetzigen Situation darf man so frech sein.

Marseille betreibt als Vorstandsvorsitzender der Marseille-Kliniken AG in Deutschland 61 stationäre Altenpflege-Einrichtungen mit knapp 9000 Betten und 6000 Mitarbeitern. Er will mindestens 500 Hartz-IV-Empfänger einstellen und ihnen bis zu 400 Euro im Monat zahlen. Bewährt sich ein Arbeitsloser, will Marseille ihm nach zwei Jahren eine feste Arbeitsstelle anbieten. Nach seiner Einschätzung könnte ein Drittel dieser Hartz-IV-Pflegehelfer dauerhaft in der Branche bleiben. (FAZ) (Hervorhebung von mir)

Da soll den Hartz-IV Beziehern tatsächlich 400€ pro Monat bezahlt werden – und das bis zu 2 Jahre lang? Es spricht für die Situation in diesem Land, dass sich jemand überhaupt – unter Nennung seines Names und nicht anonym – traut Arbeitsplätze mit solch einem Hungerlohn anzubieten.

Man darf nicht vergessen, dass jeder dieser angebotenen Arbeitsplätze zu 99% direkt durch Hartz-IV Zuzahlungen (Steuergelder..)  subventioniert ist. Oder glaubt hier jemand, dass man hier in Deutschland (nicht bei Continental in Tunesien) von 400€ leben kann? Allein die Miete dürfte typischerweise diesen Betrag übersteigen.

Marseille nimmt wirklich kein Blatt vor den Mund:

Dennoch sieht er auch eine staatsbürgerliche Verpflichtung der Langzeitarbeitslosen, dem Staat, der sie finanziert, auf diese Weise etwas zurückzugeben. Aus seiner Sicht ist die Einstellung Langzeitarbeitsloser für alle Beteiligten ein gutes Geschäft. Er selbst sparte erheblich gegenüber der Anstellung einer regulären Hilfskraft, die bis zu 1800 Euro brutto verdient. Das Argument zählt, denn wie fast alle Pflegeanbieter – gemeinnützig, privat oder öffentlich – drücken ihn die steigenden Kosten noch mehr als der Personalmangel.

Ja, tatsächlich ein gutes Geschäft: 500 Personen denen man JE 1400 weniger bezahlen muss – sind 700.000 Euro Ersparnis für seine Aktiengesellschaft IM MONAT! Und nun nochmal – sollte es in Vergessenheit geraten sein: Marseille ist Vorstandsvorsitzender der Marseille-Kliniken AG. Hat jemand einen Verdacht, was man so als Vorstandsvorsitzender dieser Aktiengesellschaft für ein Einkommen hat? Was er verdient, steht auf einem ganz anderen Blatt. Das darf ich hier nicht schreiben, denn es wäre Aufruf zu einer Straftat.

Revolution anybody?