Lawblogger goes Bundestag? Wie Andere und ich es sehen

Dass Udo Vetter Mitglied der Piraten ist, war mir schon länger bekannt, dass er nun derartige Aktivitäten an den Tag legt überrascht mich dann doch. Vor allem möchte ich in diesem Artikel auf den ersten Reaktionen auf  folgenden Artikel, der heute in Spiegel erschien, eingehen und meine Meinung dazu äussern:

Er ist erfolgreicher Anwalt, Bürgerrechtler und beliebter Blogger: Jetzt will der Düsseldorfer Rechtsanwalt Udo Vetter für die Piraten in den Bundestag einziehen.

Und sofort kommen – neben den positiven Stimmen – drei akute Kritikpunkte:

  1. Udo Vetter ist erst dieses Jahr bei den Piraten eingetreten und will schon hoch hinaus
  2. Udo Vetter verteidigt mutmassliche Neonazis
  3. Udo Vetter wäre ein Gesicht – wir wollen Themen statt Gesichter

Und ich habe 3x eine gegenteilige  Meinung, welche ich gern begründen möchte.

Sicher ist Udo Vetter erst Anfang dieses Jahres in die Partei eingetreten. Aber ist es nicht das Besondere an den Piraten, dass JEDER und SOFORT wirksam werden kann? Warum sollte ein fähiger Mensch sich erst durch langjährige Grabenkämpfe hocharbeiten, wenn er es schafft das VERTRAUEN derjenigen Personen zu erhalten, um die es geht? Wo es endet, wenn man sich erst durch die Instanzen kämpfen muss, aber andererseits auch von den Instanzen oben gehalten werden kann, sieht man dieser Tage bei den Grünen, wo Claudia Roth völlig überraschend abgewatscht wurde, nachdem Posten nicht mehr innerhalb eines kleinen Zirkels ausgeteilt werden und wo innerhalb der Zirkel ein deutliches Hauen und Stechen auf dem Weg zur Wirksamkeit besteht?

Eben DASS Udo Vetter mutmassliche Neonazis verteidigt zeigt mir, dass Udo bereit ist sich auch für die Rechte derjenigen einzusetzen, deren Weltbild er eben nicht teilt. Gern vergisst „der Deutsche“[TM], dass auch Menschen die äußerst verurteilenswerte Dinge getan haben (oder auch nur ihrer verdächtigt werden), Rechte haben. Wie kann ein Mensch, der der Grundidee  der Piraten positiv gegenüber steht, es verurteilen wenn jemand die Grundrechte von Menschen (selbst wenn sie sich schuldhaft in die betreffende Lage versetzt haben) schützt? Es wir wohl niemand dem Udo Vetter unterstellen wollen, er wäre auf dem rechten Auge blind, oder gar ein Freund der rechten Szene. Würde er sonst großartige Vorträge wie folgenden auf der SIGINT 2012 des Chaos Computer Clubs halten? Für ein doch eher linkes-alternative Publikum?

httpv://www.youtube.com/watch?v=WqQVHx0a1Qo&feature=related

Anmerkung: Ich habe das Video getauscht, da der Vortrag auf dem  23. Chaos Communication Congress technisch (Bild und Ton) besser ist. Der oben angesprochene Vortrag ist hier zu finden.

Last but not least das Thema „Themen statt Köpfe“. Ist ja alles schön und gut, wenn die Piraten intern die Köpfe nicht so wichtig nehmen und statt dessen Themen in den Vordergrund stellen. Aber wer soll denn bitte diese Themen vertreten? Jede Gruppierung braucht Menschen, die nach vorn treten, wenn die Themen auch kommuniziert werden sollen und vor allem, wenn man glaubhaft machen möchte, dass den Ankündigungen(!) von Themen auch Umsetzungen folgen. Vielleicht hat der Eine oder Andere meiner Leser schon einmal den Satz gehört „Geschäfte werden immer noch zwischen Menschen gemacht“. Wer im Vertrieb beschäftigt ist, weiss wie wertvoll eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Kunde und Dienstleister/Lieferant ist. Man verlässt sich auf Zusagen – aber nicht weil die XY GmbH diese getroffen hat, sondern weil man dem Menschen vertraut, der einem eine Zusage macht. Der Mensch schließt Verträge, wo das Vertrauen seine Grenzen findet. Und genau DAS ist es, was die Piratenpartei – neben den Themen – auch ganz dringend braucht: Menschen, die Themen transportieren und denen man vertrauen kann. Was nutzt es mir, wenn jemand das Parteiprogramm auswendig und jegliche Abstimmungsergebnisse des Liquid Feedback runterleiern kann? Wer sagt mir, wie dieser Mensch – wenn er dann tatsächlich gewählt sein sollte – dann zu Fragen steht, für die es keine Parteimeinung gibt? DANN wird es nämlich knifflig, das ist die Stelle bei der es auf den Menschen ankommt. Dann ist nicht nur der Kopf (Hirn, Intelligenz) gefragt, sondern auch die Moral.

So, und mit ein paar Worten zum Thema Moral will ich diesen Artikel dann auch schließen: In meinen Augen braucht es keine Piratenpartei mit einem tollen 1256523 Punkte umfassenden Programm, sondern schlicht Menschen denen ich vertraue. Deren Wertesystem möglichst identisch ist mit dem meinen. Über die Themen die uns wichtig sind definieren wir Menschen mit denen wir konform gehen. Am Ende sind die Themen nur das Band, dass von Mensch zu Mensch führt.

Verhält sich der Staat wie ein Straftäter oder wie ein Dienstleister?

Sollte ich jemals eine Straftat begehen, wird mir mein Anwalt ganz sicher raten, nur das zu gestehen, was der Staatsanwalt mir nachweisen kann. Alles andere werde ich bestreiten sollen. Als Angeklagter ist es mein gutes Recht mich derart zu verhalten, schliesslich muss ich mich nicht selbst belasten.

Bei einem Angestellten sieht die Sachlage ein wenig anders aus, denn dieser ist seinem Arbeitgeber gegenüber zur Wahrheit verpflichtet. Wird ein Angestellter gefragt, ob er die Beule in das Auto gefahren hat, so ist er verpflichtet dieses zuzugeben, da er ansonsten das Vertrauen aufs Spiel setzt, welches für das Vertragsverhältnis mit seinem Geldgeber ein wichtiger Bestandteil ist.

Wie verhalten sich nun unsere Staatsdiener (Politiker und Beamte)? Spielen diese mit offenen Karten und sind somit unser Vertrauen wert? Oder verhalten sie sich wie Straftäter vor Gericht wären somit als Angestellte stets abmahnfähig?

Die Dresdner Polizei hat während einer Anti-Nazi-Kundgebung Gespräche von Demonstranten abgehört. Dies bestätigte nun die Staatsanwaltschaft. Bisher war nur die Aufzeichnung von Handydaten eingeräumt worden. Die Opposition kritisierte, dass Informationen nur nach und nach herausgegeben würden.

Quelle: Spiegel. Unsere Staatsdiener mauern und belügen uns passiv durch Fehlinformation – verhalten sich also nicht wie loyale Angestellte, eher scheinen sie uns – das Volk – als Richter anzusehen. Was eine sich selbst erfüllende Prophezeiung zu sein scheint.

Sperrt die #Spackeria in Niedersachsen bald auch Dial-Ip-IPs aus?

Wer unentdeckt auf Webseiten des Landes Niedersachsens surfen oder mit niedersächsischen Behörden anonym kommunizieren will, hat Pech. Der technische Dienstleister für die Internetangebote der Region zwischen Harz und Nordsee, der Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsens (LSKN), sperrt die Nutzer von Services wie Tor aus.  „Wir setzen eine Sperrliste für bestimmte Anonymisierungsdienste ein“, erklärte eine LSKN-Sprecherin gegenüber heise online. Es gehe dabei im Interesse der IT-Sicherheit um den Schutz vor Angriffen aus dem Cyberspace.

schreibt Heise und ich bin hier schwer ab kollabieren. Mittlerweile seit Jahrzehnten beten diverse Internetgrundrechtler, dass man so weitgehend wie möglich anonym im Internet bewegen sollte. Und nun kommen die Spacken der niedersächsischen Landesregierung an, und erfordern (wohl schon mit einem Auge auf die Vorratsdatenspeicherung schauend), dass man eben nicht mittels Anonymisierungsdienst auf das Internetangebot zugreifen darf.

Was kommt als nächstes? Muss ich mich mittels ePerso identifizieren, wenn ich nach einer Rufnummer einer Beratungsstelle für Alkoholprobleme suche? Es gibt vielerlei Gründe, warum es sehr berechtigt sein kann, seine Identität zu verschleiern. Wer in Dresden auf eine Demonstration geht, sollte zum Beispiel sein Mobiltelefon zu Hause lassen. Warum will unser Staat so viele Daten von uns sammeln. Sollten wir einem Staat, der seine Bürger allerorten unter Pauschalverdacht stellt, nicht misstrauen? Sollten wir einem so misstrauischen Staat nicht ignorieren? Muss man bald beim Betreten eines öffentlichen Gebäudes zuerst seinen Ausweis zeigen?

Bürger haben Rechte! Der Staat hat Pflichten. Es wird Zeit, dass man das den Zuständigen wieder ins Bewusstsein bringt. Wenn es sein muss, wohl auch mit (sanfter) Gewalt.

Thomas Stadler hat zu dem Thema auch etwas geschrieben – etwas sachlicher als ich hier 🙂