Darf man DIE PARTEI wählen?

In „gewissen Kreisen“ scheint ein Disput zu herrschen, ob man denn nun DIE PARTEI wählen soll oder ob man bei dieser Entscheidung zur Wurst macht.

In der TAZ fand ich heute einen Artikel, der eine deutliche Position gegen die Wahl von DIE PARTEI findet:

Klar, kann ich einen Luftballon aufblasen und dann sagen, ich hätte die Welt verändert. Ich kann auch die PARTEI wählen und mir einreden, damit etwas Kluges zu tun. Das kann ich alles machen. Ich bin dann eben: ein dekadenter Witzbold, der sich selbst dafür feiert, keinen Unterschied machen zu wollen.

Man man nicht nur als Witzbold DIE PARTEI wählen. Es kann einen guten Grund geben, der Partei DIE PARTEI seine Stimme zu geben. Ich denke der Wahlspott von Nico Semsrott bringt es auf den Punkt:

Jede nicht abgegebene Stimme stärkt vor allem die Parteien, die einem eben so gar nicht passen. Vor ein paar Tagen unterhielt ich mich mit einem Bekannten, der mir erklärte, dass er bewusst „ungültig“ wählen würde, denn dies bringt seinen Unwillen mit dem Agieren der derzeitig zur Verfügung stehenden Parteien zum Ausdruck bringen. Eine prekäre Fehleinschätzung.

Sicherlich kann man auch eine andere Partei wählen, quasi den Haufen Mist der am wenigsten stinkt – solange man eben keinem braunen Haufen seine Stimme gibt. Was das zur Folge haben kann, sollte jeder wissen der im Geschichtsunterricht zum Thema „Was geschah von 1933 bis ’45 in Deutschland und welche Folgen hatte dies für Europa und die Welt“ aufgepasst hat. Zu dem Thema „Wen wählen“ und dem Hilfsmittel Wahl-O-Mat hatte ich bereits vor einigen Tagen meine Meinung formuliert.

Geht wählen! Bitte!

Wahlen: Wahl-O-Mat und Wahlprognosen

Veröffentlichung von Prognosen vor der Wahl

Zu dem Thema Prognosen vor Wahlen las ich der Tage in der Zeit folgendes, von dem von mir sehr geachteten Gerd Bosbach:

Wahlprognosen sind nicht nur oft falsch, sie entpolitisieren die Gesellschaft und manipulieren die Wähler. So hart es klingt: Man sollte besser auf sie verzichten.

Bosbach setzt sich in dem Artikel mit dem Einfluss von Wahlprognosen auf das Wahlverhalten der Bürger auseinander und befürchtet, dass Prognosen schlecht für die Demokratie sind:

Viele Wähler dürften angesichts der scheinbar klaren Prognosen auf das Wählen verzichtet haben oder sogar gegen ihre Überzeugung für den Brexit gestimmt haben, um der Regierung einen Denkzettel für Versagen auf anderen Feldern verpassen zu wollen. Es verzerrt Wahlergebnisse, wenn viele Menschen zu wissen glauben, wie die Wahl ausgehen wird.

Warum also nicht diese ganzen Umfragen und Prognosen einfach sein lassen? Man könnte einmal darüber nachdenken. Letztendlich gibt es nur einen sehr kleinen Personenkreis, der sich wirklich mit den Prognosen auseinandersetzt: Die Berater der Parteien/zur Wahl stehenden Personen – die „Spin-Doctors„. Wer sich über das Verhalten dieser Spezies einmal informieren möchte, dem lege ich den Film „Wag the Dog“ nahe.

Der Wahl-O-Mat

Der Wahl-O-Mat ist ja eine tolle Sache um recht umfangreich seine eigenen politischen Ansichten mit denen der bei den Wahlen antretenden Parteien abzugleichen. Allerdings birgt der Wahl-O–Mat einige Gefahren, welche das Wahlverhalten beeinflussen können:

1) Man kann seine eigenen Bedürfnisse nur mit größerem Aufwand mit allen Parteien abgleichen.

Nachdem ich in einem „sozialen Medium“ (seit wann macht man dies eigentlich?) erklärte, dass der Wahl-O-Mat mir „DIE PARTEI“ als Wahlempfehlung ausspuckte, wurde kommentiert dass jemand anderes mehr Übereinstimmung mit der MLPD hätte. MLPD? Die hatte ich gar nicht in der Auswahl. Also alles nochmal und auch bei mir war die MPLD tatsächlich vor der Partei DIE PARTEI. Bei jemand anderem war es die Partei der Humanisten. OK, die hatte ich auch nicht gecheckt. Also habe ich nochmal den Durchlauf gemacht und ja, auch wenn die Humanisten nicht auf Platz 1 waren, so doch im oberen Bereich. Daraus folgt, dass allein durch die Tatsache, dass nicht die Standpunkte aller Parteien pauschal abgeglichen werden, die persönlich favorisierten Parteien durch den Wahl-O-Mat einen Bonus bei der Auswertung bekommen.

2) Es sind nur vorgegebene Standpunkte vergleichbar

Durch die redaktionelle Auswahl der zur Verfügung stehenden Fragen ist es möglich, dass wichtige Themen komplett bei diesem Meinungsbild ausgeblendet werden. Dazu zählen derzeit Themen wie Digitalisierung, Umgang mit Lobbyisteneinfluss und vieles andere. Daraus ergibt sich, dass durch die Definition der verfügbaren Fragen die Ergebnisse der Auswertung manipuliert werden können. Dies will ich dem Wahl-O-Mat gar nicht ankreiden, es liegt in der Natur der Sache – aber es kann eine Beeinflussung der Wahlen beinhalten.

3) Das Agieren der Parteien in der Vergangenheit/Vertrauen

Politik braucht Vertrauen. Vertrauen in die Parteien ebenso wie in die Personen welche die Parteien in den unterschiedlichen Organen vertreten. Wie sagte der Herr Müntefering so entlarvend:

Daß wir oft an Wahlkampfaussagen gemessen werden, ist nicht gerecht

Nein, das ist nicht ungerecht. Es ist eine der Messlatten in der politischen Meinungsfindung. Warum sollte der Wähler bei Wahlen seine Stimme einem mehrfachen Wahlbetrüger geben? Warum sollte man einer Partei bei Wahlen seine Stimme geben, bei welcher die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass sich die die Gewählten hauptsächlich um eigene Belange oder die Belange einer kleinen Gruppe von Wählern bemühen? Dieser – nicht unwichtige Aspekt – wird von dem WAHL-O-MAT nicht bewertet.

Wie könnten Wahlen in Zukunft aussehen?

Abgesehen davon, dass man in Perspektive vor Wahlen auf Prognosen verzichten sollte, hatte ich „die Tage“ die Idee Wahlen gänzlich von den zur Wahl stehenden Parteien zu entkoppeln. Wenn die obigen, beim Wahl-O-Mat zu lösenden Probleme vom Tisch sind – so dachte ich – könnte man vielleicht ein System entwickeln, dass Menschen und Parteien anonym anhand von „Kennwerten“ ausgewählt werden. Quasi eine reine Zuordnung von Bedürfnissen des Wählers zu den Standpunkten der Parteien – inkl. Bewertung der Verlässlichkeit der Parteien in der Vergangenheit. Das Problem ist, dass der Wahlvorgang an sich sehr langwierig wird und sich sehr wahrscheinlich negativ auf die Wahlbeteiligung auswirkt. Davon abgesehen wäre dieses Verfahren nur mit EDV-Unterstützung zu bewältigen. Und EDV und Sicherheit ist ein viel zu kritisches Thema, um Wahlen auf diesen basieren zu lassen. Ich sage nur Wahlcomputer. Und zum Thema EDV und Wahlen kommt gerade – der Artikel war frisch geschrieben –  eben ganz frisch Folgendes rein:

Der Chaos Computer Club veröffentlicht in einer Analyse gravierende Schwachstellen einer bei der Bundestagswahl verwendeten Auswertungssoftware. Im Bericht wird eine Vielfalt erheblicher Mängel und Schwachstellen aufgezeigt.

Tja, und damit stand ich dann wieder am Anfang. Wohin also sollte der Weg gehen? Wie können wir die politische Willensbildung und Willenserklärung optimieren? Geht das überhaupt?

Vom Brexit lernen

So, die Abstimmung liegt hinter uns (also hinter den Bürgern von Groß-Britannien) und nach vielen (vor?)schnellen Reaktionen kann man nun – mit ein wenig Abstand – anfangen zu reflektieren.

Das Leben lehrte mich, dass ALLES auch gute Seiten hat. Jede noch so schmerzhafte Erfahrung ist eben eine Erfahrung. Und genau diese sollten genutzt werden um aus ihnen zu lernen um in Zukunft weiser zu sein.So wie Kinder sich immer erstmal ein Körperteil verbrennen müssen um zu wissen was die Eltern meinen, wenn sie sagen „Vorsicht, das ist heiß“. Die Urform von „Learning by burning“.

Was also können/sollten wir von der Brexit-Abstimmung lernen?

  1. Wähle niemals aus Protest, wähle stets nach deiner Überzeugung. Einige Brexit-Befürworter stehen nun wie begossene Pudel und erklären, dass Sie „denen“ nur einen Denkzettel verpassen wollten. Denke an Goethes Zauberlehrling: „Die ich rief, die Geister werd ich nun nicht los“.
  2. Wähle verdammt! Wie sagte es mein mittlerweile verstorbener Politik-Lehrer Heinz Lindau: „Aus jedem Recht erwächst auch eine Pflicht“. Eine Weisheit, die sich mir eingeprägt hat. Die Statistiken zeigen, dass ältere Wähler die Wahl massiv in Richtung „raus aus der EU“ beeinflusst haben, während jüngere für einen Verbleib in der EU gestimmt haben. Die Sache hat aber einen Haken: Die Wahlbeteiligung der Älteren war deutlich höher, als die der Jüngeren. Während bei den 18-24 Jährigen nur 36% der Wahlberechtigen teilnahmen, waren es bei den 65+: 83%. (Quelle) Ja, liebe Jungwähler, das habt ihr selbst verkackt! Wärt ihr Nichtwähler wählen gegangen hätte es vielleicht anders ausgesehen. Hört also auf zu jammern. Es schmerzt, aber gerade die jungen Menschen nutzen doch von morgens bis abends soziale Netze, warum nicht die Gleichaltrigen motivieren und von der Wichtigkeit der Abstimmung überzeugen?
  3. Informiere dich bevor du dich entscheidest. Kaum jemand rennt heute los und gibt Geld aus ohne sich vorher im Internet zu informieren. Wir treffen private Entscheidungen so, dass sie sich – möglichst – nicht negativ auf uns selbst auswirken. Über Urlaubsorte, Haushaltsgeräte Fahrzeuge etc. pp. informieren wir uns umfassend bei vertrauenswürdigen (!) Quellen, bevor wir uns entscheiden. Wir vertrauen nicht auf die Werbeaussagen der Profiteure unserer Entscheidungen (die machen doch nur Marketing), sondern erlesen uns eigenes Wissen. Warum also sollten wir ausgerechnet bei Wahlen auf die Profiteure (die Politiker..) hören? Die Politiker werden dank unserer Stimme schließlich genau so profitieren, wie die Aktiengesellschaft, die das Auto baut, das wir erwerben. Nur wenn wir einem Anbieter wirklich vertrauen (aufgrund Erfahrung), kann man sich vielleicht auf ihn verlassen. Aber selbst das ist heikel (wieso muss ich jetzt an den VW-Konzern denken?)
  4. Alle die irgendwie mit Politik zu tun haben, sollten (müssen!) lernen, dass man entweder die Meinungen und Emotionen des Volkes ernst nehmen oder  alternativ das Volk aufklären muss. Wissen über die Folgen einer Entscheidung und das Wissen über die Grundlagen der politischen Entscheidungen kann Wunder wirken.
  5. Beachte den kategorischen Imperativ – IMMER! Es ging das (böse) Wort, dass diejenigen die am wenigsten (weil kürzesten) unter dem Brexit (eventuell!) zu leiden haben (die Alten) diese Entscheidung am massivsten beeinflusst haben. Liebe Alte: Denkt an eure Kinder und Enkelkinder. Aber genau sollten die Raucher an Nichtraucher, die Autofahrer an die Radfahrer und Fußgänger denken. Denkt immer an ALLE. Ja, und auch die Deutschen sollten auf die Befindlichkeiten der Belgier, Engländer, Sudanesen und Isländer denken. Denn sehr viele unserer Entscheidungen haben auch Folgen für unsere Umwelt. Sei nicht egoistisch. Denke an dich, aber vergiss die anderen nicht.
  6. Vor allem: Entscheide langfristig. Die Folgen mancher Entscheidungen begleiten uns ein Leben lang. Nur sehr-sehr wenige Menschen werden mal eben ein Haus für sehr viel Geld kaufen. Eltern werden ihrem Kind nur selten erklären „Hach wenn Du keine Lust auf lernen hast, dann gehe halt nach den Pflichtschuljahren ohne Abschluss von der Schule“. Umso länger eine Entscheidung wirkt, desto mehr Zeit nehme dir für die Entscheidungsfindung.

Quintessenz: Handel überlegt und weniger emotional, nutze deine Möglichkeiten, informiere dich, lerne und denke an deine Umwelt. Und vor allem: Nimm dir angemessen Zeit um vorige Punkte wirken zu lassen.