Die Piraten und das liebe Geld

Was finanziellen Aufwand angeht, sind die Mitglieder der Piratenpartei voll in der Mitte der Gesellschaft angekommen und das stimmt mich traurig.

Grundlage: Die Piratenpartei braucht mehr Einnahmen. Die politische Arbeit, die Infrastruktur und nicht zuletzt die Information der Bürger kostet Geld. Das Problem mit den Einnahmen potenziert sich sogar dadurch, dass die Berechnungsgrundlage der höchstmöglichen Parteienunterstützung durch den Bund die „Eigeneinnahmen“ der Partei sind. Wenn also eine Partei (nicht nur die Piraten) ein rechnerisches Anrecht auf Parteiunterstützung von 250.000€ hätte aber nur 150.000€ eigene Einnahmen hat, so verfallen 100.000€ Unterstützung und es werden nur 150.000€ vom Bund ausgezahlt. In genau dieser Situation befindet sich die Piratenpartei. Jeder Euro Mehreinnahmen wird (noch) durch einen weiteren Euro Bundesmittel unterfüttert.

Die Situation auf dem Bundesparteitag in Neumünster: Es wird abgestimmt, ob die Mitgliedsbeiträge erhöht werden und ein Sturm der Entrüstung (den ich aus gesundheitlichen Gründen leider nur remote mitbekam) bricht los.

Meine Meinung dazu:

  1. Es gibt Menschen die jeden Euro umdrehen müssen. Ich halte zwar eine monatliche Mehrbelastung von einem Euro/Monat für durchweg vertretbar – das müsste sich auch ein Hartz-IV Empfänger vom Munde absparen können – dennoch weiss ich wie viel ein Euro tatsächlich wert sein kann.
  2. Viel wichtiger ist doch aber die Frage: Warum spenden wir, die wir finanziell besser gestellt sind, nicht schlicht einen über den Mitgliedsbeitrag hinausgehenden Betrag freiwillig und ohne die Pflicht für alle einzuführen?

Wir wollen als Partei ein BGE einführen, welches dadurch finanziert wird, dass jeder Bürger – basierend auf seinen finanziellen Möglichkeiten – den schwächer gestellten besser als bisher unterstützt. Wir wollen einen umlagefinanzierten ÖPNV, der ebenfalls durch sozial basierte Umlage finanziert wird. Warum zum Henker schaffen wir es nicht eben dieses Solidarprinzip bei der Finanzierung unserer Partei anzuwenden? Warum brauchen wir eine Verpflichtung, warum finanzieren diejenigen mit den Möglichkeiten nicht freiwillig?

Ich werde heute nachmittag 50€ an die Piratenpartei spenden. Wer macht mit?

Pro-Tipp: Spendet dieses Geld an euren Landes/Bezirksverband. Dann kommt es direkt eurer „lokalen“ politischen Arbeit zugute. Der Bundesverband bekommt dann den gleichen Betrag über die Parteienfinanzierung und es ist allen geholfen!

Sachpolitik auf Basis von Kompetenz und Vernunft

Nun also soll die Piratenpartei daran schuld sein, dass nach der nächsten Bundestagswahl wohl Frau Merkel weiter Kanzlerin bleibt und wir von einer großen Koalition regiert werden „müssen“.

Aber wieso? Es gibt doch Alternativen:

  1. Die SPD (als ehemaliger Platzhirsch) könnte es versuchen über Inhalte wieder eine absolute Mehrheit oder zumindest eine ausreichende Menge an Stimmen für eine Koalition mit den Grünen zu erlangen
  2. Die Grünen könnten es schaffen eine ausrechende Menge an Wählern hinter sich zu bringen um (als Ersatz für die SPD) eine Koalition mit der CDU anzustreben

OK, ich gebe zu – das ist alles sehr unwahrscheinlich. Und meine Idee (Phantasie) ist sogar noch unwahrscheinlicher, erscheint mir aber der einzig sinnvolle Weg für das Land und die Bürger zu sein: Keine Koalitionen sondern Sachpolitik auf Basis von Kompetenz und Vernunft.

Warum sollte nicht ein z.B. 7% Partei den Kanzler/die Kanzlerin stellen? Warum sollte keine „Oppositionspartei“ auch Minister/innen stellen? Und warum müssen Abgeordnete entgegen ihrer eigenen Vernunft bei Abstimmungen Fraktionsmeinungen vertreten?

Das ursächliche Problem ist nicht, dass es keine Partei mehr die absolute Mehrheit erreicht. Das Problem sind persönliche Befindlichkeiten und Machtphantasien. Welche vernünftige Argument spricht dagegen, dass eine 7%-Partei den Kanzler/die Kanzlerin stellt? Wer definiert, dass die am stärksten vertretene Partei auch die fähigsten Personen für alle zu vergebenen Ämter in ihren Reihen hat? Die stärkste Partei stellt die meisten Abgeordneten – das ist ein Fakt und dies ist auch gut so. Aber warum müssen die Posten – per Dekret – innerhalb der Partei vergeben werden? An dieser Stelle geht es doch nur um die Macht (und das Geld) in den eigenen Reihen. Es geht nicht – und so sollte es doch sein – darum, dass die Aufgaben von den am besten befähigten Personen erledigt werden.

Und was ist mit den Abstimmungen? Wenn Abgeordnete sich an ihr Gewissen (und somit an den Auftrag der Wähler! – nicht der Sponsoren) halten, kann auch ein Politiker der „AKW-Ja-Partei“ sehr wohl gegen ein Atomkraftwerk im Nordseewatt stimmen. Es geht doch schlussendlich um vernünftige Lösungen für das Volk und das Land.

Vielleicht bin ich ein Phantast – aber ich hoffe, dass wir in ein paar Jahren von einer Regierung vertreten werden, die vernunftbetont und nicht auf Grund von Parteibuch und egozentrischen Motiven agiert.

Die Piratenpartei und das rechte Problem

Lange genug habe ich mir die Diskussionen angesehen und angehört, ich habe auch mehrere Nächte darüber geschlafen und nun muss meine Meinung einfach raus. Ich weiss, es ist ungemein gefährlich etwas zu diesem Thema zu formulieren. Schon das gesprochene Wort kann dazu führen, dass man in der Luft zerrissen wird, schriftliche Aussagen sind ungleich gefährlicher. Ich versuche es dennoch – ich brauche ein Ventil.

Wie groß ist das Problem das die Piratenpartei mit Personen mit rechten Hintergrund hat?  Aus meinem Blickwinkel ist das Problem der Piratenpartei nicht grösser, als das gesellschaftliche Problem mit „rechts“ in Deutschland generell. Eher würde ich es (oha, ich relativiere – SEHR gefährlich!) als kleiner einschätzen, als es im Bundesdurchschnitt ist. Daraus den Schluss abzuleiten, dass die Piratenpartei frei von Personen mit rechtem Gedankengut ist, wäre sicherlich falsch. Im Gegensatz zu diversen deutschen Stammtischen und anderen formellen und informellen Zusammenschlüssen steht die Piratenpartei aber unter penibler – nicht zuletzt interner(!) – Beobachtung.  Jeder Aussage eines „Piraten“ wird geprüft und bewertet. Wenn auch nur der Verdacht von rechter Gesinnung hinter einer Aussage steht, wird dies thematisiert. Um einmal den Herrn Wowereit mit einem seiner grössten Sätze zu zitieren: „Und das ist auch gut so“. Gibt es dieses kritische Regulativ auch an Stammtischen? Nein, dort wird – teilweise – unwidersprochen gegen Ausländer gehetzt, weil keine Kritiker sofort thematisieren und kritisieren.

Ich freue mich, dass wir Piraten – in vielerlei Hinsicht – kritisch sind und Misstände nicht unter den Teppich kehren oder hinter verschlossenen Türen diskutieren. Was uns teilweise fehlt ist das Fingerspitzengefühl. Nicht jede Aussage die man als „kommt aus der rechten Ecke“ bezeichnen kann, enttarnt einen Nazi. Wenn ich den NSDAP-Vergleich von Martin Delius betrachte, so würde ich Martin nicht als Rechts klassifizieren, höchstens als – in diesem Fall! – als ungeschickt bis dumm. Was sollte man mit Menschen tun, die etwas dummes sagen: Man spricht sie darauf an, gibt ihnen die Möglichkeit ihre Dummheit zu erkennen und sich zu bessern.

Marina Weisband hat in ihrem Blog einen Aussage getroffen, die ich hier wiedergeben und unterschreiben möchte:

Nazis einfach aus allen Parteien auszuschließen oder politisch zu isolieren ist nicht die ganze Lösung des Problems. Dadurch geht es nicht weg. Wir müssen uns als Gesellschaft (nicht als Partei!) um diese Menschen kümmern, sie bilden, sie bekanntmachen, ihnen erklären. Wir müssen ihnen immer einen Rückweg offen lassen. Sie treffen die Entscheidung.
Viele haben rechte Ansichten aus ihrem Elternhaus oder von ihren Schulfreunden mitbekommen. Wir dürfen diese Menschen nicht ohne Kampf dem Hass überlassen. Aber gegen die Ansichten, die sie vertreten, müssen wir erbarmungslos sein. Denn wir sind besser als die Nazis, wenn wir bestimmte Ideen ausgrenzen.

Das wahre Problem ist das rechte Gedankengut. Menschen können geläutert werden, sollten geläutert werden. Aber nicht nur rechtes, sondern auch fremdenfeindliches, Menschen verunglimpfendes – oder anders geartet nicht dem piratigen Konsens entsprechendes – Gedankengut gilt es zu erkennen und zu thematisieren. Auch auf unserem kleinen Bezirksstammtisch ist es bereits vorgekommen, dass ein Teilnehmer eine Aussage traf, die ich so nicht im Raum stehen lassen wollte (es ging nicht um rechts, sondern um Migranten). Ich sprach es an und stellte fest: Da hat sich jemand vergallopiert, ist in die Falle der öffentlichen Meinungsmache hineingetappt. Manche Begrifflichkeiten gelten im Sprachgebrauch als normal ohne dies aber zu sein. Man muss dann aufklären und versuchen ob die Person diese Aussage – siehe oben – aus Überzeugung oder Dummheit so formulierte. War es Dummheit: Lehrt den Menschen, macht ihn selbstkritischer und gibt ihm die Möglichkeit sich zu verbessern.

Ich erinnere mich nur ungern an die Dummheiten, die wir Schulkinder damals auf den Schulhöfen wiedergaben. (Nicht nur) Ich war unkritisch, fand Dinge lustig ohne zu reflektieren, was hinter den dummen Sprüchen stand. Heute – ca. 40 Jahre später – schäme ich mich dafür, aber ich habe gelernt, bin (selbst)kritischer.

Lasst uns zwischen Mensch und Meinung differenzieren und weiter alle Probleme offen ansprechen und an ihnen arbeiten. Aber lasst es uns bitte-bitte-bitte ohne Shitstorm versuchen, wenn dieser nicht nötig ist. Lasst uns nicht wegschauen und nicht unter den Teppich kehren, aber lasst es uns möglichst sachlich tun. Wirklich wichtig ist, dass wir diese Problembären erkennen und ihnen keine Plattform und noch viel weniger ein Amt geben.

So und nun warte ich – nach der Veröffentlichung dieses Blogposts – ab, ob und wann auch ich daneben griff und meinen eigenen Shitstorm auslöse.