Flüchtlingsgegner sind nicht zwingend Nazis!

Sind Flüchtlingsgegner automatisch Nazis? Ich sage nein! Ich finde es sogar äußerst gefährlich, die Gegner der Aufnahme von Flüchtlingen als Nazis zu bezeichnen. Das ist, als wenn ich sagen würde, jeder Mensch der als Kind Milch getrunken hat, nimmt automatisch Drogen. Denn (fast) alle Drogensüchtigen haben als Kind Milch getrunken. Angst vor dem Unbekannten macht noch keinen Nazi.

Welche Personengruppen sind – mit welchen Argumenten – gegen die Aufnahme von Flüchtlingen:

  • Eigenheimbesitzer in der Nähe von Flüchtlingsunterkünften. Eines derer Argumente ist: Der Wert meiner Immobilie sinkt. Abgesehen davon, dass ein Wert nur in dem Moment der Kaufs/Verkaufs zu bestimmen ist, führt dieses Argument nicht zu dem Klingelschild „Nazi“. Denn diese Person wäre genau so gegen den Bau eines Kinderspielplatzes oder Hospizes in der Nähe. Und einen Hospiz-Gegner würde man nur schwer als Nazi bezeichnen. Es sind Besitzängstler.
  • Hartz-IV Bezieher, Arbeitslose  und Menschen mit Niedrigeinkommen. Hier scheint die vorrangige Argumentation „Die nehmen mir etwas weg und ich habe selbst kaum zum Leben genug“. Hier ist die (unbegründete!) Existenzangst der Antriebsmotor der Ablehnung. Denn Flüchtlinge nehmen diesem Personenkreis nicht wirklich etwas weg. Deutlich mehr wird diesem Personenkreis z.B. von Steuerhinterziehern oder explodierenden Baukosten genommen. Dieser verängstigte Personenkreis ist nicht als Nazi zu bezeichnen. Denn wer – unbegründete – Ängste hat, ist nicht per se ein Nazi. Sonst könnte man auch Menschen mit behandlungsfähiger Angst vor der Farbe GRÜN als Nazi bezeichnen.
  • Menschen mit Angst vor dem Anstieg der Kriminalität. Sicherlich wird es einen statistischen Anstieg von Kriminalität geben. Denn wenn 10% mehr Menschen an einem Ort leben, dann wird es automatisch mehr Straftaten geben. Besonders wenn man bedenkt, dass sowohl auch Asylbetrug als Straftat gilt (die ein Deutscher nur schwerlich begehen kann), als auch dass einige Gegner der Heime Straftaten begehen: Eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Aber macht Angst vor Kriminalität/Gewalt jemanden zum Nazi? Dann wären die Bewohner, die wegen Angst vor Gewalt gegen eine Nazi-Kneipe sind Nazis? Der Gedanke scheint bizarr.

Natürlich gibt es im Kreise der Flüchtlingsgegner auch Nazis. Und diese Nazis spannen (nicht nur) die oben genannten Kreise vor ihren widerwärtigen Karren. Aber es macht noch nicht alle Flüchtlingsgegner zu Nazis – eher sollte man Sie als Flüchtlingsängsliche bezeichnen.

Oftmals ist es wahrscheinlich sogar so, dass der Flüchtlingsängstliche aufhört seinem Kontrahenten zuzuhören, wenn man ihn einen Nazi nennt. Denn er ist sich sicher, ein solcher nicht zu sein. Deshalb sollte man – wenn man Ängste und Befürchtungen argumentativ widerlegen möchte – das Gegenüber nicht zu unrecht verunglimpfen. Wenn mir mein Gegenüber erklärt „Du bist ein Arschloch“ höre ich auf zuzuhören. Denn ich weiss, dass ich vielleicht manchmal krude Ansichten habe, aber bin ich deshalb gleich ein Arschloch? Ruhe und Sachlichkeit und vor allem keine Übertreibungen – egal auf welcher Seite – ist wesentlich konstruktiver als als eine geöffnete Tür zuzuschlagen bevor man auch nur in den Raum hinein gesehen hat.

Wer in einer kontroversen Diskussion seinem argumentativen Gegner beleidigt oder gar angreift hat die Diskussion verloren. Im Internet wurde schon vor 1990 der Begriff „Godwins Law“ geprägt, der aussagt, dass bei einer Diskussion irgendwann der Nazi-Vergleich aufkommen wird. Und weiter heißt es: Wer als erstes den Nazi-Vergleich herauf beschwört hat automatisch verloren.

Vergessen scheint die größte Gefahr

Das Wetter war heute am Ostermontag prima, also machten die beste Ehefrau von allen und ich einen Ausflug. Aber wohin sollte es gehen? Mir fiel ein, dass ich so oft auf der A7 an der Gedenkstätte Bergen-Belsen vorbei gefahren bin und mir immer wieder vornahm: Wenn Du mal Zeit hast, biegst Du schlicht ab. Heute sind wir bewusst dort hingefahren.

Die Gedenkstätte liegt in der wunderschönen Lüneburger Heide, zwischen Celle und Fallingborstel. Von Hamburg aus locker innerhalb weniger als einer Stunde mit dem PKW zu erreichen.

Auf der Webseite der Gedenkstätte liest man:

„Die Gedenkstätte Bergen-Belsen ist heute ein Ort des Gedenkens, des Sammelns, Bewahrens und Forschens sowie ein Ort des Lernens und der Reflexion.“

genau dies ist passiert. Ich sammelte Gedanken, reflektierte und viele Gedankenströme und Erkenntnisse (welche bereits vorhanden waren) wurden wieder einmal überdeutlich. Der Philosoph Jorge Augustín Nicolás Ruiz de Santayana schrieb die wahren Worte:

„Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.“

und wir müssen uns alle besinnen uns stets die Vergangenheit vor Augen zu führen um in der Gegenwart die schlimmen Dinge zu vermeiden. Sie schon in den Anfängen zu unterbinden. Gerade aus der deutschen Vergangenheit kann und muss man sehr viel lernen. Wir müssen begreifen, welch Elend Menschen angetan werden kann und dass unterdrückte und verfolgte Menschen Schutz benötigen. Tausende von Deutschen sind vor dem Naziregime geflohen, weil sie verfolgt wurden. Aus politischen, religiösen oder anderen Gründen. Wer die Flucht nicht schaffte, wurde bestenfalls misshandelt schlimmstenfalls getötet. In dem relativ kleinen Lager Bergen-Belsen, welches „nur“ ein Kriegsgefangenen- / Konzentrationslager und KEIN Vernichtungslager war, starben zwischen 1941 und 1945 über 17.000 Menschen. An Krankheiten und Hunger. Nicht weil sie dort vernichtet werden sollten. Jeder Tod war für das Regime ein kalkuliertes Übel, aber nicht der Sinn dieses Lagers. Zur gezielten Tötung wurden die betroffenen Gefangen von Bergen-Belsen nach Auschwitz gebracht.

Wer die Bilder des hervorragenden Dokumentationszentrum sieht, die Geschichten und  Erlebnisse liest, dem wird klar, dass gerade wir Deutschen jeden Flüchtling mit offenen Armen und Herzen aufnehmen müssen. Was für dumme Menschen wehren sich gegen Aufnahmelager von Flüchtlingen?

Andererseits – und das ist die zweite bittere Erkenntnis – müssen gerade wir Deutschen uns aufrecht dagegen wehren, dass Unrechtsstaaten möglich werden. Die Geschichte lehrt uns, wie perfide das Nazi-Regime die Bevölkerung manipulierte (Russen sind keine Menschen sondern Bolschewiki-Bestien genannt, damit wurden ihnen per se die Menschenrechte abgesprochen). Parallelen zu der Berichterstattung  einiger Medien aus der heutigen Zeit drängen sich geradezu auf. Auch die Kontrolle der Bürger („kauft nicht beim Juden“ – wer es dennoch tat bekam Probleme) ist etwas, dass wir weit von uns weisen sollten. Ich verstehe nicht wie deutsche(!) Politiker die Vorratsdatenspeicherung wünschen können? Sehen sie die potentiellen Gefahren nicht oder haben sie im Geschichtsunterricht geschlafen? Wie können deutsche Politiker zulassen, dass die Ordnungsmacht (Polizei) bei legitimen Demonstrationen eine Aura der Angst verbreitet, die dazu führt dass normale Bürger sich nicht mehr trauen auf einer Demo ihre Meinung kund zu tun – aus Angst ein Kollateralschaden krawallbereiter Polizisten zu werden?

Es wird Zeit, dass sich in unserem Lande etwas ändert. Vor allem in den Köpfen der Bürger und Bürgerinnen. Denn wenn WIR wach und aufmerksam sind, haben die Deppen in der Politik keine Chance – und alle Probleme können „von oben“ gelöst werden.

Die Piratenpartei und das rechte Problem

Lange genug habe ich mir die Diskussionen angesehen und angehört, ich habe auch mehrere Nächte darüber geschlafen und nun muss meine Meinung einfach raus. Ich weiss, es ist ungemein gefährlich etwas zu diesem Thema zu formulieren. Schon das gesprochene Wort kann dazu führen, dass man in der Luft zerrissen wird, schriftliche Aussagen sind ungleich gefährlicher. Ich versuche es dennoch – ich brauche ein Ventil.

Wie groß ist das Problem das die Piratenpartei mit Personen mit rechten Hintergrund hat?  Aus meinem Blickwinkel ist das Problem der Piratenpartei nicht grösser, als das gesellschaftliche Problem mit „rechts“ in Deutschland generell. Eher würde ich es (oha, ich relativiere – SEHR gefährlich!) als kleiner einschätzen, als es im Bundesdurchschnitt ist. Daraus den Schluss abzuleiten, dass die Piratenpartei frei von Personen mit rechtem Gedankengut ist, wäre sicherlich falsch. Im Gegensatz zu diversen deutschen Stammtischen und anderen formellen und informellen Zusammenschlüssen steht die Piratenpartei aber unter penibler – nicht zuletzt interner(!) – Beobachtung.  Jeder Aussage eines „Piraten“ wird geprüft und bewertet. Wenn auch nur der Verdacht von rechter Gesinnung hinter einer Aussage steht, wird dies thematisiert. Um einmal den Herrn Wowereit mit einem seiner grössten Sätze zu zitieren: „Und das ist auch gut so“. Gibt es dieses kritische Regulativ auch an Stammtischen? Nein, dort wird – teilweise – unwidersprochen gegen Ausländer gehetzt, weil keine Kritiker sofort thematisieren und kritisieren.

Ich freue mich, dass wir Piraten – in vielerlei Hinsicht – kritisch sind und Misstände nicht unter den Teppich kehren oder hinter verschlossenen Türen diskutieren. Was uns teilweise fehlt ist das Fingerspitzengefühl. Nicht jede Aussage die man als „kommt aus der rechten Ecke“ bezeichnen kann, enttarnt einen Nazi. Wenn ich den NSDAP-Vergleich von Martin Delius betrachte, so würde ich Martin nicht als Rechts klassifizieren, höchstens als – in diesem Fall! – als ungeschickt bis dumm. Was sollte man mit Menschen tun, die etwas dummes sagen: Man spricht sie darauf an, gibt ihnen die Möglichkeit ihre Dummheit zu erkennen und sich zu bessern.

Marina Weisband hat in ihrem Blog einen Aussage getroffen, die ich hier wiedergeben und unterschreiben möchte:

Nazis einfach aus allen Parteien auszuschließen oder politisch zu isolieren ist nicht die ganze Lösung des Problems. Dadurch geht es nicht weg. Wir müssen uns als Gesellschaft (nicht als Partei!) um diese Menschen kümmern, sie bilden, sie bekanntmachen, ihnen erklären. Wir müssen ihnen immer einen Rückweg offen lassen. Sie treffen die Entscheidung.
Viele haben rechte Ansichten aus ihrem Elternhaus oder von ihren Schulfreunden mitbekommen. Wir dürfen diese Menschen nicht ohne Kampf dem Hass überlassen. Aber gegen die Ansichten, die sie vertreten, müssen wir erbarmungslos sein. Denn wir sind besser als die Nazis, wenn wir bestimmte Ideen ausgrenzen.

Das wahre Problem ist das rechte Gedankengut. Menschen können geläutert werden, sollten geläutert werden. Aber nicht nur rechtes, sondern auch fremdenfeindliches, Menschen verunglimpfendes – oder anders geartet nicht dem piratigen Konsens entsprechendes – Gedankengut gilt es zu erkennen und zu thematisieren. Auch auf unserem kleinen Bezirksstammtisch ist es bereits vorgekommen, dass ein Teilnehmer eine Aussage traf, die ich so nicht im Raum stehen lassen wollte (es ging nicht um rechts, sondern um Migranten). Ich sprach es an und stellte fest: Da hat sich jemand vergallopiert, ist in die Falle der öffentlichen Meinungsmache hineingetappt. Manche Begrifflichkeiten gelten im Sprachgebrauch als normal ohne dies aber zu sein. Man muss dann aufklären und versuchen ob die Person diese Aussage – siehe oben – aus Überzeugung oder Dummheit so formulierte. War es Dummheit: Lehrt den Menschen, macht ihn selbstkritischer und gibt ihm die Möglichkeit sich zu verbessern.

Ich erinnere mich nur ungern an die Dummheiten, die wir Schulkinder damals auf den Schulhöfen wiedergaben. (Nicht nur) Ich war unkritisch, fand Dinge lustig ohne zu reflektieren, was hinter den dummen Sprüchen stand. Heute – ca. 40 Jahre später – schäme ich mich dafür, aber ich habe gelernt, bin (selbst)kritischer.

Lasst uns zwischen Mensch und Meinung differenzieren und weiter alle Probleme offen ansprechen und an ihnen arbeiten. Aber lasst es uns bitte-bitte-bitte ohne Shitstorm versuchen, wenn dieser nicht nötig ist. Lasst uns nicht wegschauen und nicht unter den Teppich kehren, aber lasst es uns möglichst sachlich tun. Wirklich wichtig ist, dass wir diese Problembären erkennen und ihnen keine Plattform und noch viel weniger ein Amt geben.

So und nun warte ich – nach der Veröffentlichung dieses Blogposts – ab, ob und wann auch ich daneben griff und meinen eigenen Shitstorm auslöse.