Tag 2 nach Neuwiedenthaler Gewalt – eine bewertete Presseschau

Gern ziehe ich meine Informationen aus einem breiten Fundus von Quellen. Es ist immer wieder spassig zu sehen, wie einzelne Medien zu unterschiedlichen Einschätzungen kommen. Aber auch wie innerhalb der Medien unterschiedliche Linien gefahren werden, oder uns Medien sogar überraschen.

Das wichtigste zuerst: Der Tatverdächtige, der einen Polizeibeamten schwerste Kopfverletzungen zugefügt haben soll, hat sich gestellt. Polizeipressemitteilung:

Nach den tätlichen Auseinandersetzungen vom Samstagabend, bei denen fünf Polizeibeamte verletzt worden waren, hat sich gestern Abend ein 31-jähriger Tatverdächtiger im Polizeipräsidium gestellt.

Nun zur „Presseschau“: Fangen wir mit der Überraschung an: Während der Spiegel HEUTE noch von einem Exihitionisten,

der sein entblößtes Geschlechtsteil einer Mutter und ihren Kindern zeigte

schreibt (Eine Bewertung die in den Medien immer weiter in Abseits gerät), liest man in der Springer BILD schon gestern Abend:

Eine Streifenwagenbesatzung sieht im Rehrstieg einen Mann (27) mit heruntergelassener Hose. Der Wildpinkler …

Bei Bild also bereits gestern die harmlose version des „Wildpinklers“ – bei dem ehemaligen Nachrichtenmagazin heute noch ein „Sexualperverser“ der sich vor Mutter mit Kindern entblösst. Das der Spiegel da an Effekthascherei die BILD überholt, irritiert mich nun doch ein wenig, soweit ist es schon gekommen. Soviel zu „Stand aber im Spiegel“

Das Hamburger Abendblatt hat es heute verdient dass zwei Artikel erwähnt werden. Erstmal wird festgestellt:

„Macho-Kultur und Statusdenken fördern Gewalt“

Nur im Gegensatz zu meinen Gedanken in Richtung Korpsgeist und Kurzhaarschnitt in den Hunderschaften der Bereitschaftpolizei,  zielt der Artikel auf kulturelle Unterschiede. Perfide ist dieser Abschnitt:

Eine Studie des Kriminologen Christian Pfeiffer vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen hatte jüngst ergeben, dass in Großstädten fast jeder zweite jugendliche Gewalttäter einen Migrationshintergrund hat.

Ich frage mich, wie die Auswertung aussieht, wenn man die berufliche Perspektive ( Schulbildung und/oder Beschäftigungsverhältnis) als Masstab anlegt. DAS tut man aber besser nicht, da sonst die Möglichkeit besteht, dass Deutsche und Ausländer gleichermassen  benachteiligt UND gewaltbereit sind. Wer sind denn die Schläger in der Schanze oder bei den Demos am 1.Mai? DAS sind 1) die Gören aus besserem Hause und 2) Deutsche. Wie passt das ins Bild des bösen Migrantenpöbels?

Ausserdem stellt das Abendblatt – in einem weiteren Artikel – fest:

Respekt vor der Polizei ist kaum da

Worauf sich die Frage stellen lässt: Wer fing mit Respektlosigkeiten an? Ich habe UNNÖTIGE Polizeigewalt bereits 1976 bei den Anti-Brokdorf Demonstrationen kennen gelernt. Wobei ich zugeben muss, dass es damals auch schon gewaltbereite Jugendliche gab. Aber anstelle sich Respekt durch Respekt verursachendes Auftreten zu erlangen, kennen  Polizeiführung und Bereitschaftspolizei nur das drehen an der Eskalationsschraube. Den „Hamburger Kessel“ von 1986 habe ich auch noch nicht vergessen. Damals hat das Verwaltungsgericht wegen 861-facher Freiheitsberaubung verwarnt. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Über 13 Stunden werden 861 Menschen ihrer Freiheit beraubt und die Verantwortlichen werden VERWARNT! Nicht mal eine Geldstrafe musste berappt werden. Wer hat zuerst den Respekt vorm Gegenüber verloren?

Aber der Abendblatt-Artikel hat noch ein anderes entzückendes Detail zu bieten:

Auch wenn gestern Abend das Leben rund um den Neuwiedenthaler Bahnhof scheinbar seinen gewohnten Gang nahm, unter der Oberfläche gärt es. Es gibt viele, die sich abends nicht mehr auf die Straße trauen. „Ich habe schon oft Angst gehabt. Die Jugendlichen sitzen im Treppenhaus, rauchen und trinken“, sagt eine junge Türkin, die mit ihren Kindern in einem der Hochhäuser wohnt. Sie will nur noch weg. Und auch Fleischereiverkäuferin Susanne Hosemann, 48, ist beunruhigt. „Sie kommt immer näher, diese Brutalität, die Respektlosigkeit.“ Sie fahre nur noch mit dem Auto zur Arbeit.

Wunderbar wie dieses Blatt für die feinere Hamburger Gesellschaft aufzeigt welche Atmosphäre der Angst in Neuwiedenthal herrscht. Ob bald Gruseltouren für Besserverdienende aus Blankenese angeboten werden? Oder wäre das ein Reinfall, wie man der Harburger Anzeigen und Nachrichten entnehmen kann – wie das Abendblatt zum Axel Springer gehörend:

Angst empfindet auch Christine Schley nicht. Sie ist 46 Jahre alt und lebt seit jeher in Neuwiedenthal, in einem Neubaugebiet im nördlichen Teil. Sie kauft ab und zu in der „Galeria“ ein, arbeitet auch in der Gegend. „Wieviel Kraft müssen diese Schläger aufbringen! Das zeigt: Sie haben keinen Respekt mehr vor der Polizei“, meint Christine Schley. Die Häufigkeit der Übergriffe und der Gewalt in den vergangenen Tagen findet sie zwar beunruhigend. Doch von einem Problem des Hamburger Südens will sie nichts wissen: „Das ist Zufall.“

Salih Kalender besitzt in der S-Bahn-Station einen Döner-Imbiss und einen Kiosk. Er sieht die besagten Jugendlichen fast täglich. „So viel passiert hier wegen denen nicht. Wir haben nur selten Großeinsätze der Polizei“, berichtet der 28-jährige Deutsch-Kurde.

Ja was denn nun? Wenn sich nicht mal die Zeitschriften des Axel-Springer Verlages einig sind, was soll ich denn dann noch glauben?

Harburg Aktuell thematisiert die Polizeipräsens und kommt auf den Punkt:

„Waren an den seinerzeit drei Polizeikommissariaten in Süderelbe im März 2008 noch rechnerisch 337 Polizistinnen und Polizisten tätig, verfügten die beiden Wachen zuletzt nur noch über 298 Vollzugsbeamte“, sagt Dressel. „Das ist ein Rückgang um rund 12 Prozent binnen zwei Jahren.“

Genau, einerseits wird von Brennpunkt Süderelbe gesprochen und andererseits ziehen wir da mal Kräfte ab. Ein schönes Beispiel für verlogene Politiker, die den Bürger allein lassen.

Ist mal wieder etwas länger geworden, aber dieses – für alle Beteiligten –  tragische Ereignis MUSS genutzt werden um Ross und Reiter zu benennen. Man darf nicht stumpf wieder zur Tagesordnung zurück kehren.

Welche Ausländer ich als Hamburger hasse

Kaum gibt es wieder – von den Medien vorzüglich ausgeschlachtete – Gewalt, stehen sie bereit: Die Menschen einfachen Gemüts, deren stumpfes WELT-BILD keine Wahrheiten ausser: „Ausländer scheisse, Polizei gut“ zulässt. Sofort werden wieder die Kisten mit den Vorurteilen rausgeholt: Ausländer sind faul, Ausländer (auch die faulen??) nehmen den Deutschen die Arbeitsplätze und Frauen weg. Am besten alle Ausländer entweder erschiessen oder gleich abschieben.

Ich würde da gar nicht ins (benachbarte) Ausland reisen um Keile zwischen Menschengruppe zu schlagen. Ich mache das glatt lokal!  Ich – so als Hamburger – ich hasse nämlich sowohl die Schleswig-Holsteiner als auch die Niedersachsen. Und dafür habe ich ein paar gute Gründe:

  • Viele Menschen aus dem Umland arbeiten in Hamburg. Sie nehmen uns Hamburgern die Arbeitsplätze weg und im Gegensatz zu ausländischen „Arbeitsplatzdieben“ zahlen die nichtmal die Steuern in Hamburg! Die Ausländer wohnen mehrheitlich in Hamburg und finanzieren wenigstens unseren hamburger Haushalt. Das Gesocks aus dem Umland tut dies nicht, dieses Gesindel!
  • Hamburg ist eine geteilte Stadt, wir haben keine Mauer, wir haben einen Fluss. Die Elbe. Viele Hamburger müssen aus beruflichen Gründen diesen Fluß zweimal täglich queren. Und wer treibt sich da rum und blockiert alles? Dieses Gesindel aus dem Umland! Jawoll! Die nehmen nicht nur unsere Arbeitsplätze weg sondern verursachen auch noch Staus auf unseren Strassen!
  • Ein ehemaliger Geschäftspartner von mir, dieser Mistkerl, wohnte und wohnt im Umland und wen hat er geheiratet? Eine Hamburgerin! Hat man noch Worte? So wird das Hamburger Blut besudelt!
  • Aber ich gebe zu, ich habe mich bei den Menschen aus Heidelberg SEHR unbeliebt gemacht. Ich bin mit einer Frau aus Heidelberg glücklich liiert. Aber ich bin Hamburger, ICH darf das.

Ich plädiere dafür die Grenzen zu schliessen. Eher übergebe ich Altona wieder an Dänemark als dass ich mich mit Menschen aus dem Umland solidarisiere.

Wer hier Satire entdeckt ist auf dem richtigen Weg. Ausserdem empfehle ich die Lektüre von“Käthe Feinstrick“s Artikel über von der Gesellschaft ins Abseits gestellte Menschen.

Weshalb Christian Wulff nicht Bundespräsident werden darf

Manche Menschen sind kurz vor dem entscheidenden Moment, der über eine Beförderung entscheidet, sehr nervös. Sowas kann passieren und ist nur menschlich. Dann aber gibt es Menschen, die benehmen sich stumpf weiter wie die Axt um Walde und haben eine Selbstsicherheit, die ganz haarscharf an Dummheit vorbei zu schrammen scheint. Christian Wulff scheint ein Vertreter der zweiten Gruppe zu sein. Hier schlagen in den letzten 10 Minuten zwei Informationen ein:

Einmal tritt er nicht VOR der Wahl zum Bundespräsidenten als niedersächsischer Ministerpräsident zurück und beschreibt diese Entscheidung:

Wulff begründet seinen verzögerten Rücktritt mit „Respekt vor der Bundesversammlung“. (FAZ)

Klartext? Der hat Schiss, dass er die Wahl nicht gewinnt und dann ohne dick bezahlten Posten da steht. Ende der Diskussion, alles andere sind – in meinen Augen – Ausflüchte.

Aber der Wulff hat ja noch mehr auf Lager:

Der niedersächsische Landtag hat am Dienstag eine Diätenerhöhung beschlossen.


Es geht um die Erhöhung der eigenen Bezüge – um 405 Euro auf 6000 Euro monatlich sollen sie zum 1. Januar kommenden Jahres angehoben werden. (Quelle HAZ)

Lieber Herr Christian Wulff, eine Gehaltserhöhung von GUT 7% ist bemerkenswert. Stellen sie diese Gehaltserhöhung auch den Angestellten und Beamten in Niedersachsen zur Verfügung? Oder werden diese vielmehr von den Kürzungen des Sparpaketes betroffen? Es ist in meinen Augen nicht unsensibel sondern eine absolute UNVERSCHÄMTHEIT sich selbst eine solche freche Gehaltserhöhung zu gönnen, während um Sie herum der Rotstift regieren sollte. Es ist IHRE Landesregierung die gerade mit dem Geld um sich wirft.

Gehen SIE raus auf die Strasse und erklären den Eltern und Arbeitslosen, warum der „kleine Mann“ (und die kleine Frau) mit weniger auskommen müssen, während Sie das Geld auf ihr privates Konto schaffen?

Sie sind unglaubwürdig und verunglimpfen das Amt des Bundespräsidenten schon in der Rolle des Kandidaten.