Wenn Privatkopien in die falschen Hände geraten

Gesetzt den Fall, ich kopiere eine Musik-CD oder einen Film auf meine lokale Festplatte, so ist dieses legitim. Ich erstelle die sogenannte Privatkopie. Diese Privatkopie darf ich sogar weitergeben – wenn auch nur im engsten privaten Kreise. Wenn also ein guter Freund von mir heute die neue Broilers-CD erhalten hat und mir davon eine Kopie zukommen lässt, so ist das legitim. Auch wenn das GVU und Andere dies gern anders sehen würden.

In der Zeit wird über den aktuellen Fall in Sachen Kino.to berichtet und es gibt da einen Teil, den ich sehr interessant finde:

Ist es illegal, sich den Stream eines Filmes anzusehen? Nein, sagen jene, die auf diese Art illegale Kopien aktueller Filme im Netz sehen. Ja, sagt die Filmindustrie, die das als Schädigung ihrer Geschäfte betrachtet. Rechtlich geklärt ist die Frage nicht, auch wenn sie seit Jahren Juristen und vor allem Nutzer beschäftigt.

Sicher sollten sie (Anm.: Die Anschauer des Stream, die temporär die Datei im Hauptspeicher/Festplatte haben) sich deswegen aber nicht unbedingt fühlen. Zwar vertritt der Anwalt Christian Solmecke beim Nachrichtenportal Gulli die Rechtsauffassung, Streams anzuschauen sei nicht illegal. So muss es aber nicht bleiben.

Ich stelle jetzt mal doof eine These auf: Wenn es illegal ist, dass Oma Plüsch – unwissend – eine temporäre Kopie der Daten auf ihrem Rechner hält, wie sieht es dann aus, wenn Ermittler/Staatsanwälte oder andere Personen Kopien auf ihrem Rechnersystem bevorraten, die nicht unter den Passus „Privatkopie“ fallen? Wie ist – so rein hypothetisch – der Fall zu bewerten, wenn eine Person eine (oder mehrere) Mail(s) im Mail-Eingangsverzeichnis (oder auch im Ordner „Müll“) vorhält, die widerrechtlich kopierte Daten enthält?

Auch hier wurden die Daten „unwissentlich“ in Empfang genommen, ist dies in diesem Fall straffrei?

Verbraucher und Produzentenrechte – Urheberrecht

Rechte – ein sehr schwieriges Thema. Denn es gehören immer zwei dazu. Recht ist die Definition einer Ordnung, die beide Seiten eines Verhältnisses fair behandelt (so sollte es sein).

Manchmal wird Recht auch nahezu pervertiert. Gerade gestern las ich im Lawblog, dass Menschen die bereits mit dem Gesetz im Konflikt sind weniger wert sind, als unbescholtene Bürger:

Für den Überfall auf den Dealer hat das Landgericht Essen nach einem Bericht der WAZ genau unterschieden. Minder schwerer Fall – auch weil das Opfer kein unbescholtener Bürger ist. “Milieutat.”

das heisst, wenn ich dem Dieter Althaus (Ja, DER Dieter Althaus) eine aufs Maul haue, wird fällt das Strafmass geringer aus, als wenn mir jemand eine aufs Maul haut. Schliesslich bin ICH nicht vorbestraft.

Ich wollte aber (ja ich schweifte ab) auf die Rechte der Urheber hinaus. Denen gegenüber stehen die Rechte der Verbraucher und der Verwerter. Verbraucher ist jeder, der ein Musikstück hört, ein Buch liest oder einen Film schaut. Aber nicht nur das hören und lesen eines Werkes kann zu meinen Rechten als Verbraucher gehören, auch das anfertigen von Kopien. Früher haben wir am Radiorekorder (ja, so hiessen diese Teile) gesessen und Wolf Dieter Stubels „Internationale Hitparade“ (Direkt vom Plattenteller) verfolgt um „unsere Favoriten“ auf Kasette auszunehmen. Was ärgerten wir uns wenn das Verkehrsstudio da rein rauschte. NIEMAND hasste geisterfahrer so sehr wie wir!

Damals konnten wir die so erstellten „Privatkopien“ bis zu sieben mal für Freunde und Bekannte (unentgeltlich) weiterkopieren. Heute sieht die Welt anders aus. Heute kann es passieren, dass unser Datenträger einfach gelöscht wird, weil der Rechteinhaber es so möchte. Man wacht morgens auf und die Bücherregale sind leer – schwups. Dank DRM ist sowas nicht ganz abwegig.

Ich will hier nicht gegen Autoren, Musiker und andere schöpferisch tätige Menschen argumentieren. Ich habe einige aus dieser Zunft in meinem Bekannten und Freundeskreis und habe ein soziales Interesse daran, dass diese Menschen von Ihrer Begabung leben können. Schliesslich nutzt es mir etwas, wenn der Musiker Musik macht, die mich erfreut. Besser als wenn er in der Fabrik oder beim Radio arbeiten muss, weil er mit der Musik kein Geld verdienen kann.

Wenn ich aber bei Heise lese:

Deshalb will die künftige Regierung „den rechtlichen Rahmen für einen wirksamen Schutz des geistigen Eigentums“ weiter stärken sowie sich international „für wirksame Maßnahmen gegen die weltweite Marken- und Produktpiraterie einsetzen“.

frage ich mich, welche Lobby diesbezüglich tätig ist. Sind es die Musiker, oder diejenigen die heute schon viel mehr Ertrag mit den Werken verdienen als die Schöpfenden selbst? Um wessen rechte geht es wirklich? Oben schrieb ich von zwei Seiten eines Vertragsverhältnisses – hier haben wir aber drei aktive Fraktionen: Die Schaffenden, die Verbraucher und dazwischen einen Moloch der Musikindustrie der nur mittels Marketing und Verwaltung eine (immer kleiner werdende) Daseinberechtigung hat.

WENN unsere neue Regierung etwas wirklich sinnvolles tun möchte, wäre sie gut beraten die Rechte der Musiker und der Verbraucher nicht aus dem Auge zu verlieren! Zur Kultur gehört auch der freie Zugriff auf dieselbe. Nur daraus erwächst Bildung und weitergehende Kultur.