Ist (z.B.) Diebstahl ein zumeist gesellschaftliches Problem?

Eben – so als die Gedanken flossen – stellte sich mir die Frage warum eine Menge „X“ an Mitbürgern der Versuchung erliegen und sich des Straftatbestandes „Diebstahl“ schuldig machen. Hunger sollte es nicht sein, denn der sogenannte Mundraub wurde wohl zu recht abgeschafft weil der Gesetzgeber davon ausging, dass jeder Bürger – aufgrund der Sozialgesetze – in der Lage ist sich ausreichend zu versorgen und zu ernähren.

Die Frage aber muss erlaubt sein: Ist dem wirklich so? Und vor allem, was heisst – insbesondere in einem gesellschaftlichen Umfeld, dass auf Neid und Gier basiert – „ausreichend versorgt“?

Es wird argumentiert, dass einer der „Vorteile“ des Kapitalismus sei, dass sich jedes Individuum angespornt fühlen würde, fleissig Geld zu verdienen um am gesellschaftlich-kapitalistischen Erfolg teil zu haben. Aber ist dies wirklich jedem vergönnt?

Im Bildungsklick kann man z.B. lesen:

Bei gleichen Ausgangsbedingungen sind Jugendliche mit Migrationshintergrund in der Ausbildung genauso erfolgreich wie junge Leute ohne Migrationshintergrund. Dies ist eine der Kernaussagen, mit denen eine neue Veröffentlichung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und der Arbeitsgemeinschaft Berufsbildungsforschungsnetz (AG BFN) einen anderen Blick auf Menschen mit Migrationshintergrund in der beruflichen Bildung in Deutschland wirft.

Ja warum sagt dies denn keiner den Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund, denen die Gymnasialempfehlung vorenthalten wird? Dieses Beispiel führe ich nur an, weil die obige Meldung frisch ist. Genau so könnte man auch anführen, dass viele Kinder aus Haushalten von Geringverdienern und Arbeitslosen exakt gleich behandelt werden: Keine Gymnasialempfehlung.

Was bleibt den – vielleicht ausserordentlich begabten – Jugendlichen über, um an der gesellschaftlichen Teilhabe zu partizipieren? So ohne Schulabschluß, und ohne Möglichkeit sich selbst aus dem Sumpf des „unten“ heraus zu arbeiten?

Was bleibt ist Frust. Wer kennt dieses Gefühl nicht: Zu wissen, dass man etwas könnte, aber man wird nicht gelassen. Hilflos am „Schwimmer-Becken“ zu stehen und der Bademeister erklärt: Du hast kein Abzeichen, dann musst Du im Nichtschwimmerbecken bleiben. Besser noch: Viele Jugendliche bekommen nicht einmal einen Arbeitsplatz – und der Frust wächst.

Sicher kann es die Gesellschaft nicht akzeptieren, dass Diebstahl aus Neid oder Geiz als harmlos-lässlich anerkannt werden (Nur bei Steuerbetrug ist Diebstahl gesellschaftlich anerkannt. Dieses Delikt werden aber die Kids niemals begehen können, denen die Gesellschaft eine vernünftige Bildungschance verwehrt.

Ich frage mich, wie viele junge Menschen würden von Eigentumsdelikten und Gewaltverbrechen Abstand nehmen, wenn sie eine bessere Perspektive hätten? Wenn Sie wüssten, dass nicht „alles egal“ ist und eine Straftat ihnen wahrhaft vorhandene Chancen verbauen würde? Und wie viel Straftaten könnte man verhindern, wenn die gesellschaftliche und monetäre Teilhabe für diese Personengruppe ausgeweitet wird?

Ich schätze, dass man sehr viel Geld in Sachen Strafvollzug, Sozial- und Jugendarbeit sowie Arbeitslosengeld sparen könnte, würde man den Nachwuchs besser fördern und nicht mit Bildungsgutscheinen verarschen.

Berlin/München – Gewalt von allen Seiten, aber warum?

Während wir – die Onlinezunft – uns eher über die prügelnden Polizisten in Berlin echaufieren, beschäftigt ein ganz anderer Fall von Gewalteskalation die historischen Medien noch mehr: Der Angriff von jugendlichen Gewalttätern auf einen Mann, der im Rahmen der Nothilfe eben diese Jugendlichen davon abhalten wollte einen anderen Menschen zu verprügeln.

Ein gestandener Mann, mit Arsch in der Hose, der nicht wie Frau von der Leyen wegschaut, sondern aktiv gegen Unrecht tätig wird, bezahlt seine Zivilcourage mit seinem Leben. Eine erschütterende Bilanz, die uns aber nicht abhalten sollte weiterhin couragiert gegen Unrecht vorzugehen.

Schon brüllen die ewigen Scharfmacher aus der Politik (allen voran die CSU) nach mehr Polizei und mehr Überwachung. Natürlich tun sie das – geradezu wie ein Hund anfängt zu sabbern, wenn er das Essen im Napf sieht. Aber allein vom sabbern wird man nicht satt. Denn Gesetze gibt es genug – sie müssen nur konsequent angewandt werden. Jugendstrafrecht für Heranwachsende ist gerecht – für Heranwachsende die „übern Strang schlagen“. Die Nutzung der Heranwachsendenregel muss ein Sonderfall sein – und nicht die Regel. Der Ruf nach mehr Kameraüberwachung kommt aus der gleichen Ecke. Aber wo liegt der Geschwindigkeitsvorteil zwischen einem telefonischen Notruf (wie in das Opfer in München tätigte) und einer Videoüberwachung? Wenn Polizisten bei einem dedizierten Notruf langsamer reagieren als bei einer Massenüberwachung, dann stimmt etwas grundsätzliches nicht. Und der Ruf nach „mehr Polizei“ kommt aus den gleichen stumpfen Köpfen, die vor geraumer Zeit die Einsparungen des Polizeitetats forderten.

Auch ich war „jugendlich“ und ja ich hatte nicht nur „Mist im Kopf“ sondern ich habe auch „Scheisse“ gebaut (wurde aber nie erwischt hrhrhr). Die Art des „Mist bauens“ hatte aber eine andere Qualität. Es waren keine Gewaltverbrechen, sondern eher „grober Unfug“ bis hin zu Sachbeschädigungen – allerdings kleinsten Ausmasses und letztendlich vom Taschengeld oder Ausbildungsgehalt finanzierbar.

Heutzutage sind die Grenzen aber zu weit gesteckt. Kriminalität und Gewalt sind  salonfähig geworden und genau DAS ist unser gesellschaftliches Problem.

Auch wenn es auf dem ersten Blick nicht so aussieht, aber so sehe ich doch auch mehrere Verbindungen zwischen den Vorfällen in München und Berlin. Auf beiden Seiten wird Gewalt ausgeübt, weil sich die Täter keine Gedanken über etwaige Folgen machen (müssen?). Viel schlimmer: Die Polizei geht mit schlechtem Beispiel voran. Auch die stete Wirtschaftskriminalität im Bereich Steuerhinterzeihung, Betrug und der Dinge mehr ist nicht das, was man als „gutes Beispiel“ für den Nachwuchs bezeichnen kann. Wenn der Herr Zumwinkel vor Gericht das Blaue vom Himmel lügt und für uneidliche Falschaussage vor Gericht nicht belangt wird, wie soll man da einem 16jährigen erklären, dass er die Wahrheit sagen muss? Wie transportiert man dies? Wenn Polizisten – wie in der Vergangenheit oft genug vorgekommen – unangemessene Gewalt anwenden, warum sollte dies der 19jährige nicht auch tun dürfen?

Wir müssen uns der Tatsache stellen, dass wir ein gesellschaftliches Problem haben, dass man mit Gesetzen nicht lösen kann. Es geht um die Vorbildfunktion der Gesellschaft – es geht um das Verhalten von Managern, Polizisten und uns allen. Wir können nicht immer alle Probleme auf andere schieben. Wir müssen uns der Tatsache bewusst sein, dass wir keine Symptome, sondern Ursachen bekämpfen müssen.