Hat die „Orgie“ der Berliner Hundertschaften etwas Gutes?

Die Wellen schlagen hoch: Drei Berliner Hundertschaften haben in Bad Segeberg eine kleine Orgie gefeiert. Diese wurde dokumentiert was zur Folge hatte dass die Stadt Hamburg diese Hundertschaften wieder nach Berlin schickte. Schnell wird im Netz darauf hingewiesen, dass es wohl eine der harmlosesten Verfehlungen ist, die man der Hundertschaft einer Bereitschaftspolizei ankreiden kann. Dieses Argument ist nicht von der Hand zu weisen, haben doch einzelne Hundertschaften aus unterschiedlichen Bundesländern bereits in der Vergangenheit nicht nur durch Alkoholexzesse unangenehm auf sich aufmerksam gemacht. Ich will und kann hier nicht alles aufzählen, wer aufmerksam die Medien verfolgt konnte sich in der Vergangenheit sein eigenes Bild von Gewaltorgien bei Demonstrationen und anderen „Geht gar nicht“-Aktionen machen.

Also: Kann diese Aktion auch etwas Gutes haben? Ich hoffe ja – und die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Denn es ist wohl das erste mal – zumindest soweit ich mich entsinne – dass aus dem Korpsgeist der Polizei ausgebrochen wird. War es bislang so, dass Verfehlungen oftmals unter den Teppich gekehrt wurden, scheint es jetzt echte Folgen zu haben. Und die Aussagen der beiden Polizeipräsidenten aus Berlin und Hamburg sprechen eine deutliche Sprache. Als Folge könnte es nun dazu kommen, dass es unter den Hundertschaften der Polizei zu einem Quasi Wettkampf kommt. Als erstes werden wohl die Berliner Polizisten die Hamburger auf dem Kieker haben. Sollten sich die Hamburger daneben benehmen, wird es der Berlinern eine echte Freude sein, diese anzuschwärzen. Eventuell treten auch Hundertschaften aus anderen Bundesländern den Berliner Kollegen zur Seite und stellen ebenfalls die Hamburger unter verschärfte Beobachtung.

Am Ende könnte dieser Wettstreit tatsächlich Änderungen bewirken: Der Korpsgeist könnte dauerhaft aufgebrochen werden und eventuell schwappt dies sogar runter in die Dienststellen der Bundesländer. Hach, wäre das schön.

Polizist sein ist ein Scheißjob. Wie in anderen Bereichen sind es meist Einzelne, die den Ruf der ganzen Gruppe ramponieren. Seien es Flüchtlinge, Ausländer, Jugendliche, Männer oder in diesem Fall Polizisten: Stets wird von gewissen Kreisen von Einzelfällen auf die Gesamtheit geschlossen. Im Gegensatz zu den anderen benannten Gruppen war es in der Vergangenheit aber so, dass sich die Polizei stets gut selbst schützte und es kaum langfristige Konsequenzen gab. Anders bei z.B. Flüchtlingen, bei denen es einfach gestrickten Menschen leichter fällt, die einzelnen Deppen als Beispiel für die definierte Gruppe zu nehmen.

Sollte als langfristige Folge aus dem Bild des prügelnden Polizisten wieder der Schutzmann werden, so wäre es doch hervorragend. Für alle Beteiligten.

Kungelt die Berliner Polizei mit „Rechts“?

Als ich eben den folgenden Artikel im Tagesspiegel bezüglich der gescheiterten Stürmung des Justizministeriums las

Ein Fotograf, der die Aktion beobachtete, kritisierte einen „kumpelhaften Umgang der Polizei mit den Nazis“ und nannte diesen „wirklich skandalös“. Es seien von den „Identitären“ Bengalos abgebrannt und Widerstand geleistet worden. Doch nicht einmal der Sprinter eines Mietwagenunternehmens, in dem die Leitern waren, sei beschlagnahmt worden, „der konnte einfach in Ruhe wegfahren“. Auch der Kameramann der IB, der von Anfang an die ganze Aktion gefilmt habe, habe nicht einmal seine Speicherkarte abgeben müssen.

erinnerte ich mich an ein Erlebnis welche viele Jahre her ist. Wir stellen uns mal kurz vor, das wären „linke Gesellen“ gewesen? Wäre es dort so ebenfalls so „freundlich abgegangen? Irgendwie schwer vorstellbar.

Ich war ja vor vielen Jahren einmal Vaterlandsverteidiger (damals, als die Bundeswehr noch den Igel als Symbol der Truppe hatte).

Bundeswehrigel

Die Bundeswehr als defensive Armee

Viele Jahre nach meiner Bundeswehrzeit traf ich einen ehemaligen „Kameraden“ wieder, der nach der Dienstzeit zur Polizei in Berlin ging. Auf meine Frage, was er denn da jetzt mache wurde mir mitgeteilt dass er im Bereitschaftszug ist. Ich war verwundert, war ich doch der Meinung, dass die Frischlinge der Polizisten vorrangig im Bereitschaftszug sind, bis sie fest auf eine andere Dienststelle versetzt werden. Ich fragte nach und bekam die Antwort: „Ich bin freiwillig dort. Nur im Bereitschaftszug kann man den Linken bei Demos so richtig aufs Maul hauen“. Das Treffen wurde dann sehr kurzfristig von mir beendet. Der „Kollege“ stellte sich als resistent heraus, was etwaige Kritik an seiner Meinung angeht. Dieser Vorfall ist aus mehreren Gründen bemerkenswert:

  • Zu seiner Bundeswehrzeit hat er sich niemals derart geäußert. Ich habe eng mit ihm zusammengearbeitet und es wäre mir mit Sicherheit nicht verborgen geblieben, wenn er derartige Ambitionen gehabt hätte. Entweder hat er diese Einstellung damals gut verborgen, oder er wurde erst bei der Berliner Polizei „verdorben“
  • Da dieser Vorfall nun ca. 20 Jahre her ist, dürfte sowohl diese Person – als auch sein damaliges Umfeld – ein paar Stufen der Hierarchie erklommen haben. Ob als verantwortlicher Zugführer, Ausbilder oder ähnliches kann man auch politisch einiges an Einfluss auf Einsätze und junge Polizisten ausüben.

Ich bin überzeugt, es sind Einzelfälle. Aber sie wirken sich aus. Sowohl auf das Bild der Polizei in der Öffentlichkeit, als auch generell gesellschaftlich. Wo ist nur der Schutzmann von früher geblieben? DEN möchte ich gern wiederhaben.

Warum ich froh bin kein Pirat in Berlin zu sein

Zuerst einmal freue ich mich natürlich höllisch, dass die Piratenpartei gestern in Berlin mit satten 8,9% in das Berliner Parlament gewählt wurden. Dass die FDP mit 2% das wohl unterirdischste vorstellbare Ergebnis eingefahren haben, befriedigt ein wenig meine Schadenfreude, aber das alles war gestern.

Heute ist Montag der 19.09.2011 und es wird nicht nach hinten, sondern ein wenig bange nach vorn geschaut. Denn ab sofort müssen die Berliner Piraten genau das tun, was der Vorsitzende der FDP versprochen hat zu tun: Die Piraten müssen liefern. Wie schreib es der Schockwellenreiter so treffend:

Dieses Mal und für diese Wahl bekommen die Berliner Piraten meine Stimme. Aber es ist nur eine Stimme auf Kredit — ich werde sie über die ganze Legislatur­periode aufmerksam beobachten

Und der Schockwellenreiter ist damit sicher nicht allein. Stellvertretend für alle Landes- Kreis-, Bezirksregierungen werden nun die Piraten in Berlin unter strenger Beobachtung der (potentiellen) Wähler stehen. Die Berliner Piraten haben nun die schwierige Aufgabe übertragen bekommen den Nachweis anzutreten, dass  die Piratenpartei eine ernst zu nehmende politische Vertretung der Bevölkerung ist.

Die Piraten haben den Charme des unorthodoxen, dürfen sich aber nicht zu einer Spasspartei machen lassen, sondern müssen den Nachweis erbringen, dass Politik vom Volk und für das Volk durch die Piraten ernst genommen wird.

Als ich letztes Wochenende zum Vorsitzenden eines Bezirksverbandes der Piratenpartei gewählt wurde (ich kam dazu wie die Jungfrau zum Kinde), wurde mir erst nachträglich vollumfanglich bewusst, dass dies nicht nur eine Aufgabe ist, die ich für eine bessere Handvoll Piraten übernommen habe.  Nein, ich habe vor allem die Verantwortung für die Zukunft übernommen, für das Potential dass sich noch entwickeln kann und sollte.

In sofern hoffe ich inständig, dass die Berliner Piraten den Bürgern zeigen, dass sie es können. Niemand erwartet von den Piraten, dass sie die Finanzkrise und die Arbeitslosigkeit erfolgreich bekämpfen. Viele Menschen wünschen sich, was derzeit noch Träumereien (auch der Piraten)  sind, wie kostenfreie Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs oder ein bedingungsloses Grundeinkommen. Aber diese Beispiele sind eben nur Beispiele. Ganz zum Schluss geht es eine Aussage (ich weiss leider nicht von wem das Original ist):

Die Piraten brauchen kein Programm, sie sind das Betriebssystem

Übersetzung für nicht ganz so EDV-Affine Leser: Pirat sein, hält sich nicht an einzelnen Punkten auf, Pirat sein ist eine Lebenseinstellung: Es geht um Freiheit des Individuums und Menschlichkeit. Dass diese Lebenseinstellung ernst genommen werden kann und darf, das können und müssen die Berliner Piraten nun beweisen. Es ist Bürde und Chance gleichermassen – ich drücke Ihnen alle Daumen und die grossen Zehen noch dazu.