Ist Sarrazin eine Gefahr für die parlamentarische Demokratie?

Eine fürwahr reisserische Überschrift, ist mir bewusst. Ich möchte an dieser Stelle einfach mal 2 Gedanken inhaltlich miteinander verknüpfen:

  1. Die bereits stattgefundene  Zersplitterung des linken Spektrums führt zu schwierigeren Koalitionsfindungen
  2. Eine Emnid-Umfrage ergab: Fast jeder fünfte Deutsche würde eine Protestpartei des Integrationskritikers Sarrazin wählen

Den Punkt 2. habe ich der TAZ entnommen, welche weiter schreibt:

Besonders viel Zuspruch bekäme eine Sarrazin-Partei demnach bei Anhängern der Linkspartei (29 Prozent) und der Union (17 Prozent).

Bei der Bundestagswahl 2009 hatte die Linke 11,9% der Stimmen. Abzüglich 29% wären das nur noch (rechnen wir stumpf und Pi man Daumen mit 30%) 8% – wenn 4% der deutschen aus den Reihen der Linken künftig den hugenottischen Einwanderer wählen würden.

Bei der CDU sieht das schon anders aus. Die CDU hatte 2009 27,3% – abzüglich 17%  wären das 22.66%, somit 4,64% Ex-CDUler, die den Sarazenen wählen.

Warum die Linken diesen fremdenfeindlichen Zuwanderer unterstützen ist mir absolut unklar. Denn dass es der Hugenotte Sarrazin sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft (Vorstand der Bundesbank) (zu?)weit gebracht hat, ist doch wohl ein Zeichen dafür, dass wir Deutschen sehr wohl fremde Volksgruppen integrieren können.

Aber zurück zu dem Thema, warum diese Entwicklung eine Gefahr für das parlamentarische System sein könnte: Erinnert ihr euch an Weimar? Wer von euch weiss noch, warum es eine 5%-Hürde gibt? Die wurde eingeführt, damit es nicht zu viele Splitterparteien die der Meinungsbildung im Wege stehen.

So langsam kommen wir aber wieder in den „Bereich Weimar“ hinein:

  • CDU
  • SPD
  • Grüne
  • Linke
  • FDP
  • Sarrazin-Partei
  • (vielleicht irgendwann) Piraten

Das sind 7 Parteien, von denen sich (reines Gedankenexperiment) – bei gleicher Wähleranzahl jeder einzelnen Partei – vier Parteien zusammen schliessen müssten. Selbst unter günstigsten Verhältnissen scheint es bald so zu sein, dass sich wenigstens drei Parteien zu einer Regierungskoalition zusammen finden müssen, um überhaupt regieren zu können.

Also, ich schaue mir die Entwicklung mal ganz in Ruhe an. Denn ich glaube, dass diese Emnid-Umfrage das Geld nicht ansatzweise wert ist, was sie ihren Auftraggeber gekostet hat. Dennoch ist es ein schöner Moment für das Gedankenspiel um aufgeweichte Regierungsfähigkeit, wenn auch das rechte Spektrum sich aufbröselt.

Die Abwägung von Vor- und Nachteilen

  1. Wer nichts zu verbergen hat, kann auch für Vorratsdatenspeicherung sein
  2. Für ein paar Prozent Rabatt lassen wir unsere Verbrauchsdaten auswerten

Ich fürchte die beiden obigen Punkte – sowie auch der Standpunkt zu Streetview, Netzneutralität, Drogenfreigabe, Rauchverboten und anderen Entscheidungen – wird vorrangig danach beurteilt welch persönliche Vor- und Nachteile der Mensch  als Entscheider hat.

Ebenso spielen Empfänglichkeiten für bestimmte Bedrohungs- aber auch Belohnungszenarien in die Entscheidungsphase mit hinein.

Die TAZ schreibt heut – völlig zu recht:

Es ist paradox: In Umfragen geben rund 70 Prozent an, Datenschutz sei ihnen wichtig. Doch die Aussicht auf einen kleinen Rabatt oder ein Topfset als Treueprämie lässt die Verbraucher Privates preisgeben

Aber ist jedem Verbraucher bewusst, dass er einen grossen Teil des Rabattes (Treueprämie)  direkt mit der Ware mit bezahlt? Nur einen Teil, denn den anderen Teil trägt der Anteil der Kundschaft, die (vielleicht bewusst) auf die Treueprämie verzichtet. Es gibt kein kostenloses Frühstück. Gab es nie, wird es nie geben. Aber wenn wir – rein rechnerisch – von den 2% Rabatt real tatsächlich einen Prozentpunkt sparen, lassen wir die Hose runter und teilen dem Geschäft gern mit, dass wir aufgrund unseres Einkaufverhaltens – je nach Warenauswahl – Hartz-IV EMpfänger sind, ein Alkoholproblem haben oder Veganer sein müssen. Geht dies jemanden etwas an?

Vorratsdatenspeicherung. Mal Hand aufs Herz: Wer aus der hier anwesenden Zielgruppe hat seinen Mobilfunk- , DSL- oder  Telefonvertrag gekündigt oder gewechselt, nur weil unser Anbieter die Vorratsdatenspeicherung willfährig unterstützt(e), Wer hat den Internetanbieter aufgrund der Stoppschild-Verträge gewechselt oder sich ernsthaft Gedanken gemacht, wie er sich wehren kann?

Wer hat schon bei der Initiative Pro Netzneutralität unterschrieben? (Info siehe auch hier)

Wenn nicht, warum nicht? Weil es dich/euch nicht interessiert, weil ihr nicht wisst um was es geht, weil es euch nicht betrifft (böse Fehleinschätzung!!) oder weil „bringt ja eh nichts“?

Typischerweise gibt es unterschiedliche Gründe warum wir uns entscheiden oder sogar zu einem Thema einer Meinung enthalten. Einige davon sind (oder jeweils das Gegenteil):

  • Ich habe – oder jemand aus meinem Umfeld hat –  durch die Entscheidung persönliche Vorteile
  • Die Vorteile über wiegen für mich (oder jemanden aus meinem Umfeld)  die Nachteile
  • Ich bin von der Boshaftigkeit, dem Segen der Sache im generellen überzeugt
  • Ich schliesse mich der allgemeinen Meinung an, will nicht anecken
  • Ich habe keine Ahnung von dem Thema
  • Das betrifft mich ohnehin nicht
  • Ich kann da ja sowieso nichts ausrichten.

Ich kann niemandem vorschreiben wie er zu einem Thema steht, will dies auch gar nicht. Obschon es mich manchmal schon etwas … nervös machen kann, was ich so den Medien als „Meinungsmache“ entnehmen muss.

Wie schön wäre es, wenn alle Menschen versuchen würden nur nach einem Punkt zu entscheiden: „Ich habe mich umfassend informiert und ich bin von der Boshaftigkeit oder dem Segen der Sache im generellen überzeugt“. Wichtig ist hierbei das Detail „generell“. Ein Bankmanager wird sein Gehalt loben – ob er es als generellen Segen ansehen kann ist mal dahin gestellt. Unternehmen, die ihre Mitarbeiter ausbeuten, handeln im Sinne ihres Bankkontos und ihrer Aktionäre. Aber handeln Sie auch generell Segen verbreitend?

Sollten nicht bei jeder Entscheidungsfindung zuerst gefragt werden: Wer verliert wie viel? Um wie viel würden wir besser miteinander klar kommen, wenn wir nicht vorrangig an unsere Vorteile, sondern auch an die nachteile für Andere denken?

Ruhrbarone in heller Panik

Die Ruhrbarone stehen ja nicht mehr auf der Liste der von mir beobachteten Medien, aber die folgende Headline bezüglich des Dramas in Sachen Loveparade in Duisburg fiel mir dann bei Rivva doch ins Auge:

Der Zombie der Ruhrbürokraten frisst 19 Menschenleben, 342 sind verletzt

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Allein diese Überschrift zeigt dem geneigten Leser aus welcher Richtung der Wind bläst: BILD ist der erste Gedanke, der einem durch den Kopf geht. Der eigentliche Text? Nunja, wer lesen möchte in welchen Zorn Angehörige der Toten formulieren, der darf den Text gern lesen. Ich zitiere hier nicht mal. Es ist zu flach, zu reisserisch und zu einseitig.

Die Franzosen wissen schon, warum sie den Adel abschafften: Er ist zu nicht mehr nütze.