Gedanken zu Einkommen und Arbeit

Wikipedia definiert „Einkommen“ wie folgt:

Als Einkommen bezeichnet man umgangssprachlich die Einnahmen eines Privathaushalts. Es ermöglicht ihm, über Konsum heute und Sparen für die Zukunft seinen Wohlstand zu vergrößern.

Diese Definition hat sich meines Erachtens wohl deutlich überlebt, da zu den „Einkommen des Privathaushaltes“ auch zum Beispiel Hartz-IV Bezug gehört und dieser ist wohl schwerlich geeignet zu sparen und den Wohlstand zu mehren.

Man wird sich in Zukunft Gedanken sowohl über den Begriff „Arbeit“ machen müssen, als auch über die Form des „Einkommens“. Auch die Begrifflichkeit „Erwerbstätigkeit“ bedarf einer gesellschaftlichen Neudefinition.

Als Erwerbstätigkeit wird heutzutage jegliche Tätigkeit bezeichnet, die es einem Menschen ermöglicht ein Einkommen zu erzielen. Dies ist nicht gleichzusetzen mit dem Begriff Arbeit (im betriebswirtschaftlichem Sinne), da nicht jede Arbeit ein Einkommen erzeugt. Denn eine Mutter, die ihr Kind erzieht arbeitet gewiss auch und erzeugt sogar einen gesellschaftlichen Mehrwert. Nur wird diese Arbeit gesellschaftlich nicht als Erwerbstätigkeit anerkannt und honoriert. Genau so geht es auch all den ehrenamtlich engagierten Menschen, die ihre „Frei“zeit opfern um sich in Sportvereinen, Museen, karitativen Einrichtungen oder in anderen Formen um das Gemeinwohl verdient machen. All diese Personen „arbeiten“, erzielen aber kein Einkommen mit ihrer Tätigkeit. Wäre es nicht sinnvoll, ein System aufzusetzen in dem es dem Menschen ermöglicht wird auch durch diese Art der „Investition in die Allgemeinheit“ seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können?

Aber auch im Bereich der Erwerbstätigkeit kann ich mir ein Umdenken vorstellen. Derzeit definiert sich unser „Arbeitsentgelt“ über die Faktoren „Berufserfahrung“, „Ausbildung“, „Branche/Firma ist erfolgreich“ und auch der Faktor „Glück“. Nicht zuletzt ist das Arbeitsentgelt leider auch noch vom Geschlecht der betreffenden Personen abhängig.

Wir definieren das Arbeitsentgelt einer studierten Person (Kopfarbeiter) pauschal höher, als das Entgelt eines ungelernten Arbeiters, der „nur“ seine körperliche Arbeit verkaufen kann. Auch eine stupide „Schrauben sortierende“ Person an einem Fließband  erhält ein niedrigeres Arbeitsentgelt als ein „Schreibtischtäter“ im geheizten Büro (inklusive Kaffeemaschine, manikürten Fingern und Einladungen zu leckeren Arbeitsessen.

Der Anreiz sich zu bilden wird allein auf dem monetären Weg befriedigt. Die Möglichkeit eine anspruchsvollere, den Intellekt befriedigendere Tätigkeit ausführen zu dürfen kann aber auch ein Grund sein sich zu bilden/weiterzubilden. Wer wäre nicht bereit das verhasste Fließband zu verlassen, um anstelle dessen sich an einem Schreibtisch mit Projektarbeit zu beschäftigen, oder technisch dafür zu sorgen dass das Fließband technisch stets einwandfrei arbeitet. Wie viele Personen studieren BWL oder Informatik weil man in dem Bereich besser verdient und nicht weil es ihren persönlichen Neigungen entspricht.

Könnte man sich eine Gesellschaft vorstellen, in der jeder Mensch allein aufgrund seiner Produktivzeit und nicht aufgrund seiner Ausbildung entlohnt wird? Ist ein Manager produktiver als eine Putzkraft? Automatisch wird man sagen: Klar, natürlich. Aber was wäre, wenn dieser Manager keine Putzkraft hätte und keine ihm zuarbeitenden Mitarbeiter? Dann müsste er (der „Teure“) seine Arbeitszeit damit verbringen zu staubsaugen und Statistiken zu erstellen. Diese Tätigkeiten werden ihm abgenommen, von Hilfskräften, die – rein zeitlich – einen ähnlichen Ertrag erwirtschaften, wie unser erwähnter Entscheider. Wäre unser Entscheider genau so zufrieden mit sich und seinem Leben, würde er den ganzen Tag putzen und Statistiken erstellen? Wohl kaum. Es geht um die Gemeinschaftsleistung. Wie in der Musik: Ist eine Schlagzeuger oder ein Trompeter wertvoller? Oder gar der Sänger? Sie sind alle nichts, solange das Gesamtwerk keinen Erfolg erzielt, jeder ist von jedem abhängig.

Wenn wir es schaffen gesellschaftlich die Definition von „Arbeit“ und „Entlohnung“ in eine Formen zu giessen, sollten wir einen riesen Schritt nach vorn tun können.

Aushilfe gesucht 18:00 – 24:00

Mal ehrlich, was sagt uns ein Aushang in einer Videothek auf dem zu lesen steht:

Aushilfe gesucht 18:00 – 24:00

  • Das (nur heute?) zwischen 18:00 und 24:00 jemand in diesem Laden anwesend ist, der eine Aushilfe sucht? Oder eher
  • Das für Arbeitszeiten in denen kaum ein Mensch mit einem Rest an sozialer Bindung gern arbeitet, auch noch ein Hungerlohn bezahlt werden soll?

Ich schätze ja mal, das das Zweitere der Fall ist: Da sucht der Betreiber der Videothek eine junge, hilflose Person die – typischerweise – für einen Hungerlohn die Arbeit macht. Bis 24:00 bedeutet auch „Bis Betriebsschluß“, was bedeuten kann (nicht muss), dass auch der Tagesabschluss gemacht werden muss, das Geld zur Bank gebracht wird und eventuell sogar noch „mal eben schnell durchgesaugt“ wird. Für all dies wird also eine „Aushilfe“ gesucht.

Wisst ihr, was das erbärmliche ist? Schon vor knapp 25 Jahren wurden in Videotheken nur Sklavenjobs vergeben. Selbst die – typischerweise lokal von den Ketten eingesetzten – „Geschäftsführer“ verdienen meist weniger als eine Kassiererin bei Aldi. Ich dufte da mal in die Szene reinriechen: Diese Branche war schon sehr früh sehr weit vorn in der Ausbeutung von hilflosen Menschen die einfach nur einen Job wollen und Geld verdienen müssen.

Oft wird, wo „Aushilfe gesucht“ angeschlagen steht, nur ein Handlanger, der besonders flexibel und vor allem belastbar sein soll, gesucht. So wie von der Einzelhandelskette, bei der ich – als ~12 Jährigen – damals die Pfandflaschen in Kisten sortierte und doch glatt 2 DM die Stunde bekam. War für mich sehr viel Geld damals – und für die Filialleiterin ein sehr gutes Geschäft! Denn sonst hätte diese Arbeit eine vollbezahlte Kraft machen müssen.

Putzfrauenpower! TAZ-Artikel Lesebefehl.

Es passiert äusserst selten, dass ich stumpf auf einen anderen Artikel hinweise. Sowas macht man kurz und knapp über Twitter und gut.

Bei diesem Artikel ist es anders, denn es geht um Sozialverhalten, um Solidarität und um die tägliche Abgrenzung von …. Putzkräften. Vor vielen Jahren wurde ich von Manne R. (im Rahmen der Einführung von Mitarbeiterbeteiligung) befragt, welchen Wert man z.B.  der Arbeit von Putzfrauen im Vergleich zu Programmierern zuweisen solle. Meine Antwort war: 100%. Manne schaute mich entsetzt an und bat um eine Erklärung. Diese bekam er dann auch von mir: Wer bringt denn bitte den Müll raus und saugt das Büro, wenn es die Putzkraft nicht tut? Dies ist dann der Programmierer – oder gar Manne (Mitinhaber eines mittelständischen Unternehmens) – selbst. Dann wäre die Arbeitszeit auf einmal werthaltiger, weil der Chef/Programmierer sie ausführt?

Im Stunden/Monatslohn darf und muss es Gehaltsunterschiede geben (aufgrund der Verantwortung und auch den Auswirkungen der Tätigkeit). Bei dem Thema Mitarbeiterbeteiligung hat man allerdings eine hervorragende Möglichkeit den „Kleinen“ seine absolute Wertschätzung zukommen zu lassen und auch höher bezahlte Chargen einmal über die Arbeit der Zuarbeiter nachdenken zu lassen. Denn ohne all die kleinen Leute kriegen die „da oben“ auch nichts bestellt.

Den Artikel den ich meine findet ihr hier, er berichtet über einen ganz normalen Menschen, der klein anfing und mit einer unglaublichen Authentizität das Leben einer Putzkraft führt. Aber gewiss keiner dummen Putze!:

Eine dieser Frauen ist Susanne Neumann in Gelsenkirchen, sie putzt seit 30 Jahren für ein mittelgroßes Gebäudereinigungs-Unternehmen. Sie engagiert sich nicht nur als Betriebsrätin, sie ist auch Bezirksverbandsvorsitzende und Vorsitzende der Bundesfachgruppe Gebäudereiniger in der IG BAU. In ihren zwei Jobs als Putzfrau und Hausmeisterin arbeitet sie 45 Stunden pro Woche.

Der Artikel ist lang und gut. SOLCHE Artikel belohne ich nur zu gern mit euren Flattr-Spenden 🙂