Neues zu Freiheit statt Angst und dem „Radfahrer“

Der TAZ entnehme ich gerade – freudestrahlend – folgende Zeilen:

Zwei Polizisten schlagen einen Demonstranten. Damit nicht genug: Auch ein Verfahren wegen Widerstands hängen sie ihm an. Doch die Polizei scheitert damit grandios. Das Verfahren gegen den damals 37-Jährigen wird nach neun Monaten eingestellt und die Staatsanwaltschaft gibt sogar zu: Der Mann hätte sich gegen die Polizeigewalt wehren dürfen.

Yippie-Ya-Yeah Schweinebacke! Es gibt eine Restgerechtigkeit in diesem Lande! Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Ein Staatsanwalt, der erklärt ein Bürger darf sich gegen Polizeigewalt wehren. Der Satz

Daraus folgert die Staatsanwaltschaft schließlich Bemerkenswertes: „Er [der Radfahrer,d. Red.] hätte sich insoweit dieser Maßnahme im Weiteren auch (straflos) widersetzen dürfen.“

ist erlaubt aber nicht nur, dass sich der „Radfahrer“ wehrt, er erlaubt es auch umstehenden Passanten einzugreifen und Nothilfe zu leisten. Man MUSS schliesslich auch fremden Menschen helfen, wenn sie in Not geraten. Der Staatsanwalt stellt mit dieser Aussage die angesprochenen Polizisten auf die gleiche Stufe mit den gewalttätigen Randalierern vor denen und die Polizei eigentlich schützen soll. Diese Polizisten sind nicht besser, als die Schläger die in S-Bahnen harmlose Mitfahrer verprügeln. All dies kann man aus diesem knappen Satz des Staatsanwalts herausinterpretieren. WUNDERBAR!

Das Verfahren gegen die Polizisten läuft noch, aber ich schätze mal, mit der Einstellung DIESES Verfahrens könnte das Verfahren gegen die Schlägerpolizisten sich ins positive wandeln. Denn jetzt sind sie zu einem schweren Ballast für ihre Einheit geworden.

Eine Frage aber bleibt: Wer schützt uns nun vor den Schlägern im Polizeidienst? Doch die Bundeswehr im Innern? (Das war ein WITZ!)

Deutsche Polizei im Focus von Amnesty International

Wer denkt, dass nur südamerikanische Rumpelstaaten soviel Aufmerksamkeit durch Amnesty International(AI) verdienen, dass ihnen eine eigene Kampagne gegönnt wird, der muss jetzt ganz stark sein. Denn nun hat es auch die deutsche Polizei (man möchte leider fast sagen: endlich) erwischt: Amnesty International(AI) widmet dem zweifelhaften Anteil der deutschen Polizeiarbeit eine eigene Kampagne.

Der Grund für diese Aufmerksamkeit wird bei der Tagesschau beschrieben:

Das Ergebnis eines neuen Berichts der Menschenrechtsorganisation Amnesty International zur Polizeigewalt in Deutschland ist alarmierend: Ermittlungen gegen Polizisten werden demnach schlampig oder gar nicht durchgeführt. Geschuldet sei das einem Korpsgeist, so Amnesty-Generalsekretärin Lüke im Gespräch mit tagesschau.de.

Korpsgeist? Habe ich diesen Begriff nicht in der Vergangenheit auch wiederholt bemühen müssen? Anscheinend lag ich (leider) nicht so falsch. Die Generalsekretärin von AI-Deutschland, Monika Lüke, äuusert sich im Tagesschau Interview wie folgt:

Was aber auffällig ist: Alle Fälle, die wir aufgegriffen und in denen wir nachrecherchiert haben, zeigen, dass den Vorwürfen gegen die Polizei nicht ordnungsgemäß nachgegangen wurde. (Hervorhebung von mir)

[…]

Was sich aber seit 2004 nicht verbessert hat ist: Bei Vorwürfen gegen die Polizei wird nicht ordnungsgemäß ermittelt.

Es wird das Problem, das einige Polizisten den Bürger als Opfer und sich selbst als unantastbar empfinden, also nicht angegangen. Der gesamte Bericht zur Lage der Nation aus der Sicht von AI ist unter dem Titel „Mangelnde Aufklärung von mutmaßlichen Misshandlungen durch die Polizei in Deutschland“ (Amnesty International, 2010).“ online verfügbar.

Dieser diesem Bericht untermauert zum Teil auch die Misstände, die hier im Blog schon diverse Mal thematisiert wurden. Zum Beispiel:

Einige Misshandlungsvorwürfe konnten nicht aufgeklärt werden, weil es nicht möglich war, die mutmaßlichen Täter zu identifizieren. Amnesty International befürchtet, dass die fehlende Kennzeichnung von Polizeibeamten durch ein gut sichtbares Identifizierungsmerkmal zur Straflosigkeit von Polizisten beiträgt, die sich insbesondere im Zusammenhang mit Demonstrationen oder dem Einsatz von Spezialeinheiten einer Misshandlung schuldig gemacht haben.

[..]

Amnesty International hat im Laufe der Recherchen festgestellt, dass viele der eingeleiteten Ermittlungsverfahren mangelhaft waren, weil sie nicht unmittelbar, umfassend, unabhängig und unparteiisch waren.

[..]

Amnesty International dokumentiert in dem Bericht, dass insbesondere bei einigen Ermittlungsverfahren gegen Polizisten der Bundespolizei entweder die Einheit, zu der der beschuldigte Polizist gehörte, oder gar der beschuldigte Polizist selbst, Ermittlungen durchgeführt haben. Dies ist ein eklatanter Verstoß gegen die erforderliche Unabhängigkeit von Ermittlungen.

Es ist sehr sehr traurig, passt aber in das Bild dass ich von diesem Staat habe: Das System (das sich aus Exekutive, Legislative und Judikative) zusammen setzt hat die reale Gewaltenteilung weitestgehend aufgegeben und anstelle dessen ein System des Eigenschutzes etabliert. Die Steuerung des selben geschieht durch die Spitzen von Wirtschaft und Politik (Reihenfolge beachten!).

Der Bürger wird nur als Verbraucher und als Stimmvieh benötigt. Ansonsten steht er im Weg und bedeutet eine stete, Kosten verursachende Gefahr.

Tag 2 nach Neuwiedenthaler Gewalt – eine bewertete Presseschau

Gern ziehe ich meine Informationen aus einem breiten Fundus von Quellen. Es ist immer wieder spassig zu sehen, wie einzelne Medien zu unterschiedlichen Einschätzungen kommen. Aber auch wie innerhalb der Medien unterschiedliche Linien gefahren werden, oder uns Medien sogar überraschen.

Das wichtigste zuerst: Der Tatverdächtige, der einen Polizeibeamten schwerste Kopfverletzungen zugefügt haben soll, hat sich gestellt. Polizeipressemitteilung:

Nach den tätlichen Auseinandersetzungen vom Samstagabend, bei denen fünf Polizeibeamte verletzt worden waren, hat sich gestern Abend ein 31-jähriger Tatverdächtiger im Polizeipräsidium gestellt.

Nun zur „Presseschau“: Fangen wir mit der Überraschung an: Während der Spiegel HEUTE noch von einem Exihitionisten,

der sein entblößtes Geschlechtsteil einer Mutter und ihren Kindern zeigte

schreibt (Eine Bewertung die in den Medien immer weiter in Abseits gerät), liest man in der Springer BILD schon gestern Abend:

Eine Streifenwagenbesatzung sieht im Rehrstieg einen Mann (27) mit heruntergelassener Hose. Der Wildpinkler …

Bei Bild also bereits gestern die harmlose version des „Wildpinklers“ – bei dem ehemaligen Nachrichtenmagazin heute noch ein „Sexualperverser“ der sich vor Mutter mit Kindern entblösst. Das der Spiegel da an Effekthascherei die BILD überholt, irritiert mich nun doch ein wenig, soweit ist es schon gekommen. Soviel zu „Stand aber im Spiegel“

Das Hamburger Abendblatt hat es heute verdient dass zwei Artikel erwähnt werden. Erstmal wird festgestellt:

„Macho-Kultur und Statusdenken fördern Gewalt“

Nur im Gegensatz zu meinen Gedanken in Richtung Korpsgeist und Kurzhaarschnitt in den Hunderschaften der Bereitschaftpolizei,  zielt der Artikel auf kulturelle Unterschiede. Perfide ist dieser Abschnitt:

Eine Studie des Kriminologen Christian Pfeiffer vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen hatte jüngst ergeben, dass in Großstädten fast jeder zweite jugendliche Gewalttäter einen Migrationshintergrund hat.

Ich frage mich, wie die Auswertung aussieht, wenn man die berufliche Perspektive ( Schulbildung und/oder Beschäftigungsverhältnis) als Masstab anlegt. DAS tut man aber besser nicht, da sonst die Möglichkeit besteht, dass Deutsche und Ausländer gleichermassen  benachteiligt UND gewaltbereit sind. Wer sind denn die Schläger in der Schanze oder bei den Demos am 1.Mai? DAS sind 1) die Gören aus besserem Hause und 2) Deutsche. Wie passt das ins Bild des bösen Migrantenpöbels?

Ausserdem stellt das Abendblatt – in einem weiteren Artikel – fest:

Respekt vor der Polizei ist kaum da

Worauf sich die Frage stellen lässt: Wer fing mit Respektlosigkeiten an? Ich habe UNNÖTIGE Polizeigewalt bereits 1976 bei den Anti-Brokdorf Demonstrationen kennen gelernt. Wobei ich zugeben muss, dass es damals auch schon gewaltbereite Jugendliche gab. Aber anstelle sich Respekt durch Respekt verursachendes Auftreten zu erlangen, kennen  Polizeiführung und Bereitschaftspolizei nur das drehen an der Eskalationsschraube. Den „Hamburger Kessel“ von 1986 habe ich auch noch nicht vergessen. Damals hat das Verwaltungsgericht wegen 861-facher Freiheitsberaubung verwarnt. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Über 13 Stunden werden 861 Menschen ihrer Freiheit beraubt und die Verantwortlichen werden VERWARNT! Nicht mal eine Geldstrafe musste berappt werden. Wer hat zuerst den Respekt vorm Gegenüber verloren?

Aber der Abendblatt-Artikel hat noch ein anderes entzückendes Detail zu bieten:

Auch wenn gestern Abend das Leben rund um den Neuwiedenthaler Bahnhof scheinbar seinen gewohnten Gang nahm, unter der Oberfläche gärt es. Es gibt viele, die sich abends nicht mehr auf die Straße trauen. „Ich habe schon oft Angst gehabt. Die Jugendlichen sitzen im Treppenhaus, rauchen und trinken“, sagt eine junge Türkin, die mit ihren Kindern in einem der Hochhäuser wohnt. Sie will nur noch weg. Und auch Fleischereiverkäuferin Susanne Hosemann, 48, ist beunruhigt. „Sie kommt immer näher, diese Brutalität, die Respektlosigkeit.“ Sie fahre nur noch mit dem Auto zur Arbeit.

Wunderbar wie dieses Blatt für die feinere Hamburger Gesellschaft aufzeigt welche Atmosphäre der Angst in Neuwiedenthal herrscht. Ob bald Gruseltouren für Besserverdienende aus Blankenese angeboten werden? Oder wäre das ein Reinfall, wie man der Harburger Anzeigen und Nachrichten entnehmen kann – wie das Abendblatt zum Axel Springer gehörend:

Angst empfindet auch Christine Schley nicht. Sie ist 46 Jahre alt und lebt seit jeher in Neuwiedenthal, in einem Neubaugebiet im nördlichen Teil. Sie kauft ab und zu in der „Galeria“ ein, arbeitet auch in der Gegend. „Wieviel Kraft müssen diese Schläger aufbringen! Das zeigt: Sie haben keinen Respekt mehr vor der Polizei“, meint Christine Schley. Die Häufigkeit der Übergriffe und der Gewalt in den vergangenen Tagen findet sie zwar beunruhigend. Doch von einem Problem des Hamburger Südens will sie nichts wissen: „Das ist Zufall.“

Salih Kalender besitzt in der S-Bahn-Station einen Döner-Imbiss und einen Kiosk. Er sieht die besagten Jugendlichen fast täglich. „So viel passiert hier wegen denen nicht. Wir haben nur selten Großeinsätze der Polizei“, berichtet der 28-jährige Deutsch-Kurde.

Ja was denn nun? Wenn sich nicht mal die Zeitschriften des Axel-Springer Verlages einig sind, was soll ich denn dann noch glauben?

Harburg Aktuell thematisiert die Polizeipräsens und kommt auf den Punkt:

„Waren an den seinerzeit drei Polizeikommissariaten in Süderelbe im März 2008 noch rechnerisch 337 Polizistinnen und Polizisten tätig, verfügten die beiden Wachen zuletzt nur noch über 298 Vollzugsbeamte“, sagt Dressel. „Das ist ein Rückgang um rund 12 Prozent binnen zwei Jahren.“

Genau, einerseits wird von Brennpunkt Süderelbe gesprochen und andererseits ziehen wir da mal Kräfte ab. Ein schönes Beispiel für verlogene Politiker, die den Bürger allein lassen.

Ist mal wieder etwas länger geworden, aber dieses – für alle Beteiligten –  tragische Ereignis MUSS genutzt werden um Ross und Reiter zu benennen. Man darf nicht stumpf wieder zur Tagesordnung zurück kehren.