Wehe Du bist schuldlos

In unserem Staat darf man alles tun: Steuern hinterziehen, Rechtes Gedankengut verbreiten, Mitarbeiter überwachen oder als Polizist harmlose Demonstranten verprügeln. All das wird keine Restriktionen nach sich ziehen.

Aber WEHE Du bist schuldlos, dann bist Du dran!

Diese Geschichte könnte kaum absurder sein: Ermittler filzen die Wohnung eines Berliner Autonomen und beschlagnahmen seine Handys. Zu Unrecht, stellt der Bundesgerichtshof fest. Der Mann verlangt eine Entschädigung – und geht leer aus. Einen Ausgleich gibt es nämlich nur bei rechtmäßigen Razzien.

schreibt der Spiegel in einer Story, die man eher als verkehrte Welt Geschichte aus dem Hirn eines drogenverseuchten Schriftstellers erwarten würde, denn als Realsatire aus der Bananenrepublik Deutschland.

Kurz:

Denn in dem Brief stand: Weil der Bundesgerichtshof entschieden habe, dass die von der Bundesanwaltschaft beantragte Durchsuchung seiner Wohnung rechtswidrig war, sei der Antrag auf Entschädigung abgelehnt. „Eine Entschädigungspflicht“ bestehe nur „für Schäden, die durch rechtmäßig vollzogene vorläufige Strafverfolgungsmaßnamen entstanden sind“.

Der Staat kommt also nur für Kosten auf, wenn er alles richtig gemacht hat. Sollte der Polizei- und Überwachungsstaat komplett durchdrehen, so darf er dieses straflos tun?

OK, wollen wir mal nicht so sein. Deckt sich ja mit unser aller Erfahrung, dass die Verfahren gegen Prügelpolizisten auch eingestellt werden. Der Staat darf das. Aber WEHE Du spukst ein Kaugummi auf den Fußweg – dann gibt es auf die Fresse!

Die Abwägung von Vor- und Nachteilen

  1. Wer nichts zu verbergen hat, kann auch für Vorratsdatenspeicherung sein
  2. Für ein paar Prozent Rabatt lassen wir unsere Verbrauchsdaten auswerten

Ich fürchte die beiden obigen Punkte – sowie auch der Standpunkt zu Streetview, Netzneutralität, Drogenfreigabe, Rauchverboten und anderen Entscheidungen – wird vorrangig danach beurteilt welch persönliche Vor- und Nachteile der Mensch  als Entscheider hat.

Ebenso spielen Empfänglichkeiten für bestimmte Bedrohungs- aber auch Belohnungszenarien in die Entscheidungsphase mit hinein.

Die TAZ schreibt heut – völlig zu recht:

Es ist paradox: In Umfragen geben rund 70 Prozent an, Datenschutz sei ihnen wichtig. Doch die Aussicht auf einen kleinen Rabatt oder ein Topfset als Treueprämie lässt die Verbraucher Privates preisgeben

Aber ist jedem Verbraucher bewusst, dass er einen grossen Teil des Rabattes (Treueprämie)  direkt mit der Ware mit bezahlt? Nur einen Teil, denn den anderen Teil trägt der Anteil der Kundschaft, die (vielleicht bewusst) auf die Treueprämie verzichtet. Es gibt kein kostenloses Frühstück. Gab es nie, wird es nie geben. Aber wenn wir – rein rechnerisch – von den 2% Rabatt real tatsächlich einen Prozentpunkt sparen, lassen wir die Hose runter und teilen dem Geschäft gern mit, dass wir aufgrund unseres Einkaufverhaltens – je nach Warenauswahl – Hartz-IV EMpfänger sind, ein Alkoholproblem haben oder Veganer sein müssen. Geht dies jemanden etwas an?

Vorratsdatenspeicherung. Mal Hand aufs Herz: Wer aus der hier anwesenden Zielgruppe hat seinen Mobilfunk- , DSL- oder  Telefonvertrag gekündigt oder gewechselt, nur weil unser Anbieter die Vorratsdatenspeicherung willfährig unterstützt(e), Wer hat den Internetanbieter aufgrund der Stoppschild-Verträge gewechselt oder sich ernsthaft Gedanken gemacht, wie er sich wehren kann?

Wer hat schon bei der Initiative Pro Netzneutralität unterschrieben? (Info siehe auch hier)

Wenn nicht, warum nicht? Weil es dich/euch nicht interessiert, weil ihr nicht wisst um was es geht, weil es euch nicht betrifft (böse Fehleinschätzung!!) oder weil „bringt ja eh nichts“?

Typischerweise gibt es unterschiedliche Gründe warum wir uns entscheiden oder sogar zu einem Thema einer Meinung enthalten. Einige davon sind (oder jeweils das Gegenteil):

  • Ich habe – oder jemand aus meinem Umfeld hat –  durch die Entscheidung persönliche Vorteile
  • Die Vorteile über wiegen für mich (oder jemanden aus meinem Umfeld)  die Nachteile
  • Ich bin von der Boshaftigkeit, dem Segen der Sache im generellen überzeugt
  • Ich schliesse mich der allgemeinen Meinung an, will nicht anecken
  • Ich habe keine Ahnung von dem Thema
  • Das betrifft mich ohnehin nicht
  • Ich kann da ja sowieso nichts ausrichten.

Ich kann niemandem vorschreiben wie er zu einem Thema steht, will dies auch gar nicht. Obschon es mich manchmal schon etwas … nervös machen kann, was ich so den Medien als „Meinungsmache“ entnehmen muss.

Wie schön wäre es, wenn alle Menschen versuchen würden nur nach einem Punkt zu entscheiden: „Ich habe mich umfassend informiert und ich bin von der Boshaftigkeit oder dem Segen der Sache im generellen überzeugt“. Wichtig ist hierbei das Detail „generell“. Ein Bankmanager wird sein Gehalt loben – ob er es als generellen Segen ansehen kann ist mal dahin gestellt. Unternehmen, die ihre Mitarbeiter ausbeuten, handeln im Sinne ihres Bankkontos und ihrer Aktionäre. Aber handeln Sie auch generell Segen verbreitend?

Sollten nicht bei jeder Entscheidungsfindung zuerst gefragt werden: Wer verliert wie viel? Um wie viel würden wir besser miteinander klar kommen, wenn wir nicht vorrangig an unsere Vorteile, sondern auch an die nachteile für Andere denken?

Neiddebatte erreicht Rundfunkanstalten

Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) hat als erste Landesrundfunkanstalt die Gehälter seines Führungspersonals veröffentlicht. Demnach erhielt Intendantin Monika Piel im vergangenen Jahr 308.000 Euro erfolgsunabhängiges Gehalt. Die fünf vom Rundfunkrat gewählten Direktoren bekamen zwischen 190.000 und 206.000 Euro.

schreibt die FTD und überschreibt es mit:

WDR-Chefin verdient mehr als Wulff

Nein aber auch. Sowas. Wollen wir mal schnell ein Skandalsüppchen kochen? 308.000 Euro Jahresgehalt für eine Frau die 4200 Mitarbeitern vorsteht und einen Etat von ca. 1 Milliarde Euro verantwortet sind nicht soo wahnsinnig viel.

Die CIW-Wirtschaftsnachrichten schrieben gerade im Juni 2010:

Auch in mittleren Unternehmen, die 100 bis 1000 Mitarbeiter beschäftigen, haben deutsche Geschäftsführer die Nase vorn. Sie verdienen durchschnittlich 349.000 Euro, wiederum gefolgt von Großbritannien mit 339.000 Euro.

Danach verdient die Intendantin des WDR  sogar ein zu wenig. Gut das die FTD mal darauf hingewiesen hat, dass die Frauen in Deutschland immer noch unterbezahlt werden. Zu gern wüsste ich ja, was die Geschäftsführer der FTD (Ingrid M. Haas, Dr. Bernd Buchholz) an Gehalt  kassieren. Ob Frau Haas das gleiche Gehalt bezieht wie Herr Buchholz?

Wer sich anschauen möchte, was DAX-Vorstände so verdienen kann ja mal hier vorbei schauen.

Ich vermute mal – so ganz unterschwellig – dass auch diese Meldung aus der Abteilung „Qualitätsjournalismus vs. GEZ-finanziert“ geflüchtet ist.