Antworten von Ministerien an Privatpersonen

Jeder Mensch hat ein Auskunftsrecht, was parlamentarische Arbeit angeht. Ich habe einmal einen „Selbstversuch“ gestartet und über das Ergebnis möchte ich hier berichten.

Am 06.02.2012 schrieb ich an das Innenministerium und das Justizministerium folgende Mail:

Sehr geehrte Damen und Herren,

am Dienstag den 31.01.2012 hatte ich das Vergnügen in Hamburg an einer Veranstaltung mit der Justizministerin Frau Leutheusser-Schnarrenberger zum Thema Datenschutz teilzunehmen. Dankenswerter Weise gab es auch die Möglichkeit Fragen zu stellen, welche Frau Leutheuser-Schnarrenberger auch beantworte.

Da dort – wohl auch in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit – meine gestellte Frage nur sehr unbefriedigend beantwortet würde, möchte ich diese hier noch einmal per Mail stellen, in der Hoffnung eine umfassendere Antwort zu erhalten.

Laut Medienberichten (Quelle: http://www.heise.de/newsticker/meldung/US-Behoerden-duerfen-auf-europaeische-Cloud-Daten-zugreifen-1270455.html) ist es US-Behörden aufgrund des sogenannten Patriot-Acts möglich auf jegliche bei US-Firmen zur Verfügung stehenden Daten zuzugreifen.

Zitat:
Cloud-Anbieter wie Microsoft müssen US-Strafverfolgungsbehörden Zugriff auf von Kunden gespeicherte Daten gewähren, berichtet der US-Branchendienst ZDNet. Das betrifft auch in der EU ansässige Firmen und in europäischen  Rechenzentren liegende Daten, wie Microsofts britischer Direktor Gordon Frazer anlässlich der Markteinführung von Microsofts Office 365 in London erklärte. Er antwortete damit auf die Frage, ob Microsoft zusichern könne, dass in seinen EU-Rechenzentren gespeicherte Daten Europa niemals verlassen könnten.
Zitatende

Da dieses auch Firmen- und Kundendaten betrifft, die von in den USA ansässigen Firmen in Deutschland im Auftrag von Deutschen bearbeitet werden (Rechenzentren  z.B. der Firmen Dell, HP, IBM, Amazon und Google – um nur einige „Auftragsdatenbearbeiter“ zu nennen) scheint mir persönlich dieser Zugriff mit europäischen und bundesdeutschen
Datenschutzbestimmungen zu kollidieren. Es betrifft nicht ausschliesslich Adressdaten, sondern speziell Daten von Rechenzentrumskunden, die teilweise ihre Auftragsdatenbearbeitung, aber auch Daten aus den Bereichen Forschung und Entwicklung auf diesen Servern lagern und verarbeiten.

Meine konkreten Fragen dazu:

1) Ist diese Vorgehensweise der US-Behörden in Ihrem Ministerium bekannt
2) Wie kommentiert Ihr Ministerium diese Art von Verstoß gegen europäische und bundesdeutsche Gesetze?

Leider war der einzige Kommentar von Frau Leutheusser-Schnarrenberger zu dieser Frage „Das geht so nicht“, was als Beantwortung meiner Frage etwas unbefriedigend war. Ich hoffe auf eine aussagekräftigere Antwort ihres Hause und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Holger Köpke

Als ich am 27.02.2012 noch keine Antwort (auch keine „Eingangsbestätigung“) auf meine Mail erhalten hatte, erlaubte ich mir die beiden Ministerien nochmals zu erinnern. Gleiche Mail, mit folgender Einleitung:

Sehr geehrte Damen und Herren, auf meine unten stehende Mail habe ich bislang noch nichts von Ihnen gehört – weder eine konkrete Antwor noch eine Empfangsbestätigung mit dem Hinweis, dass die Beantwortun länger (Zeitangabe..) dauern kann. Aus diesem Grunde erlaube ich mir, die Anfrage nochmals zu senden.

Mit freundlichen Grüßen

Holger Köpke

Am 13.03. 2012 bekam ich dann tatsächlich eine Antwort vom Justizminsterium:

Sehr geehrter Herr Köpke,

vielen Dank für Ihre E-Mails vom 6. und 27. Februar 2012 an die Poststelle des Bundesministeriums der Justiz zum Thema Zugriff von US-Behörden auf bei US-Unternehmen gespeicherte personenbezogene Daten. Wegen der Vielzahl der hier eingehenden Anfragen sowie anderer vordringlicher Aufgaben komme ich erst heute dazu, Ihnen zu antworten. Für die dadurch eingetretene Verzögerung bitte ich um Verständnis.

In Ihrer E-Mail vom 6. Februar 2012 nehmen sie Bezug auf Medienberichte, wonach US-Behörden auf der Grundlage des sog. „US Patriot Act“ auf personenbezogene Daten, die von in den USA ansässigen Unternehmen gespeichert werden, zugreifen können, und zwar sogar dann, wenn die Daten auf in der Europäischen Union befindlichen Servern gespeichert sind. Der Umstand, dass es solche Datenübermittlungen an US-Behörden geben soll, ist hier bislang nur aufgrund entsprechender Medienberichte bzw. von Äußerungen von Vertretern der betroffenen Unternehmen bekannt geworden. So hat inzwischen Google bestätigt, schon mehrfach auf seinen europäischen Servern gespeicherte Nutzerdaten an US-Behörden weitergeleitet zu haben. Auch das Unternehmen Microsoft hat eingeräumt, dass es US-Strafverfolgungsbehörden Zugriff auf europäische Daten aus dem Cloud-Dienst Office 365 gewährt habe. Allerdings liegen hier gesicherte tatsächliche Erkenntnisse über die Anzahl und den Umfang derartiger staatlicher Zugriffe derzeit nicht vor.

Soweit hier bekannt, hat der Aussschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des Europäischen Parlaments (LIBE-Ausschuss) bereits im September 2011 datenschutzrechtliche Bedenken gegen diese Vorgehensweise erhoben und die Europäische Kommission zur weiteren Aufklärung und Klarstellung der Unvereinbarkeit dieser Datenverarbeitung mit EU-Datenschutzrecht aufgefordert. Die vom LIBE Ausschuss geäußerten datenschutzrechtlichen Bedenken werden aus hiesiger fachlicher Sicht – soweit dies auf Basis der wenigen hier vorliegenden Informationen beurteilt werden kann – geteilt. Soweit eine Übermittlung von personenbezogenen Daten von Internetnutzern, die in der Europäischen Union auf Servern gespeichert sind, an US-Behörden erfolgt, findet hierauf grundsätzlich europäisches Datenschutzrecht Anwendung. Eine Übermittlung von personenbezogene Daten an öffentliche Stellen eines Drittstaates, wie etwa die USA, hat sowohl nach europäischem als auch nach deutschem Datenschutzrecht zu unterbleiben, wenn bei diesen Stellen ein angemessenes Datenschutzniveau nicht gewährleistet ist. Es bestehen berechtigte Zweifel der für die datenschutzrechtliche Kontrolle von Datenverarbeitungen durch private Stellen in Deutschland zuständigen Landesdatenschutzbehörden daran, ob solche Datenübermittlungen durch US-Unternehmen an US-Behörden den grundlegenden europäischen Standards, wie insbesondere dem Zweckbindungsgrundsatz, der Gewährleistung von Betroffenenrechten und des Rechtsschutzes sowie der Pflicht zur Löschung der Daten nach Zweckerfüllung, genügen.

Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass viele datenschutzrechtliche Fragen im Zusammenhang mit dem sog. Cloud Computing noch weitgehend ungeklärt sind. Dies betrifft auch und gerade die hier relevante Problematik des anwendbaren Datenschutzrechts, die Einordnung als Auftragsdatenverarbeitung und die Drittlandübermittlung. So ist bereits umstritten, ob und unter welchen Voraussetzungen die Verarbeitung von europäischen Daten durch US-Cloud-Anbieter datenschutzrechtlich zulässig ist. Dies hängt unter anderem davon ab, wo der Serverstandort ist und ob der Anbieter der Cloud-Dienstleistung sich den Safe-Harbor-Grundsätzen unterworfen hat.

Auch und gerade um den Herausforderungen für das Datenschutzrecht im globalen Internetzeitalter durch einen neuen effektiveren Rechtsrahmen zu begegnen, hat die Europäische Kommission am 25. Januar 2012 als Teil des Gesamtpakets für einen europäischen Datenschutzrahmen für das 21. Jahrhundert den Entwurf einer Datenschutz-Grundverordnung vorgelegt. Darin ist vorgesehen, dass die Geltung der künftigen Datenschutzregeln auch auf nicht in der EU ansässige Unternehmen erstreckt werden soll, die Waren und Dienstleistungen insbesondere über das Internet in der EU anbieten oder das Verhalten von in der EU ansässigen Personen beobachten. Damit sollen namentlich global agierende Internetanbieter in Drittstaaten, wie etwa Facebook und Google, im Falle der Adressierung von in der EU ansässigen Nutzern dem Datenschutzregime der EU unterworfen werden. Die Verhandlungen über diesen Verordnungsentwurf haben im Februar 2012 begonnen und werden angesichts des erheblichen Umfangs und der Komplexität dieses Vorschlags voraussichtlich geraume Zeit in Anspruch nehmen.

 
Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, dass für das allgemeine Datenschutzrecht innerhalb der Bundesregierung das Bundesministerium des Innern federführend zuständig ist, das Sie ja auch parallel angeschrieben haben. Dies gilt auch für die Prüfung der Frage, ob hier auf nationaler Ebene gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht.

Mit freundlichen Grüßen,

Annette Schnellenbach, LL.M. 
Leiterin des Referats IV A 5 
(Datenschutzrecht, Recht der Bundesstatistik) 
Bundesministerium der Justiz 
Mohrenstraße 37 

Ich muss sagen: Diese Antwort hat zwar etwas länger gedauert, aber ich bin inhaltlich mit der Antwort zufrieden. Diese Antwort war deutlich besser, als so manches, was ich bislang als Antwort auf Fragen an Politiker erhalten hatte. Den Verweis an den zuständigen Innenminister verwiesen, den ich praktischerweise auch angeschrieben hatte, betrachte ich als inhaltlich völlig in Ordnung. Was also antwortet das Innenminsterium denn nun auf eine sehr konkrete Frage, die ein Bürger stellt?

Wer jetzt einen bösen Verdacht hat, den kann ich bestätigen: Das Innenministerium antwortete bis zum heutigen Tage nicht. Auch meine weitere Erinnerung vom 27.04.2012

Sehr geehrte Damen und Herren,

leider habe ich bis zum heutigen Tag von Ihnen noch keine Antwort bezüglich unten stehender Mailanfrage vom 06.02.2012 – sowie meiner Nachfrage vom 27.02.2012.

Darf ich dies so bewerten – und auch publizieren – dass Mailanfragen an das Bundesinnenminsterium nicht beantwortet werden und/oder auch keine ablehnende Antwort resp. wenigstens eine Empfangsbestätigung gesendet wird?

Als Bürger – der ihr Ministerium mit seinen Steuergeldern bezahlt – bin ich gelinde gesagt schwerstens enttäuscht.

Mit Grüßen

Holger Köpke

bleibt stumpf unbeantwortet.

Wenn nun die DigiGes (Abzocker verlinke ich nicht) dem deutschen Bürger Geld dafür aus der Tasche ziehen will, dass er an definierte Abgeordnete Mails senden darf, fühle ich mich schwerstens an die Jamba-Abzocke erinnert: Viel Geld für nix.

Vortrag und Diskussion mit Frau Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger

Die FDP lud zu einem „Vortrag und Diskussion mit Sabine Leutheusser-Schnarrenberger“, der Bundesministerin für Justiz, in der Buceruis Law School in Hamburg. Da das Thema „Datenschutz und Privatsphäre im dritten Jahrtausend mich sowohl beruflich wie auch privat interessiert, ließ ich mir diese Möglichkeit mich zu informieren natürlich nicht entgehen.

Der Vortrag unserer Justizministerin, auf den ich hier nicht näher detailliert eingehen muss und möchte, war inhaltlich sehr offen und fundiert. Frau Leutheusser-Schnarrenberger betrachtete verschiedene Bereiche des Datenschutzes und auch Befindlichkeiten (Justizministerium will Daten und Bürgerrechte schützen / Innenminister will viele Daten sammeln). Sehr gelungen und sehr rund.

Anschließend kam es dann zu einer „Diskussion“, dass heisst das wir Besucher Fragen stellen durften, die Frau Leutheusser-Schnarrenberger (echt blöd den Namen aus Respekt vor der Person stehts auszuschreiben…) dann beantworte.

Naja, mit dem beantworten fing etwas schwächer an. Ich hatte das „Glück“, die erste Frage stellen zu dürfen. Da ich fest davon ausging, dass ACTA auch von anderen Fragestellern thematisiert wird (siehe unten), stellte ich die Frage, wie unsere Justizministerin dazu steht, dass US-Behörden – aufgrund des Patriot Acts – ungehinderten Zugriff auf Daten deutscher Unternehmen haben, solange diese Daten auf Servern US-amerikanischen Unternehmen liegen – dies gilt auch für Server die in Europa stehen.

Die Antwort war erst ausweichend (es wurde erklärt, dass die SWIFT-Server ja nun nicht mehr in den USA stehen) und anschließend deutlich unbefriedigend:“Das geht natürlich nicht“. Ich muss davon ausgehen, dass die ansonsten sehr gut informierte Justizministerin über diese deutliche Schwachstelle des Datenschutzes für deutsche Unternehmen informiert ist, aber lieber nicht darüber reden möchte. Denn in diesem Punkt zeigt sich deutlich, dass die deutsche Regierung (wie auch die EU) zahnlose Tiger sind, wenn es darum geht deutsche/europäische Interessen gegenüber den USA durchzusetzen.

Zum Thema Transparenzgesetz gefragt,  vergleicht Frau Leutheusser-Schnarrenberger dieses Thema zuerst mit dem Datenbrief, sie hat sich anscheinend noch nicht damit befasst. Sie musste darauf hingewiesen werden was das Transparenzgesetz wirklich bedeutet.

Das Thema ACTA sieht Frau Leutheusser-Schnarrenberger als unbedenklich, was mich sehr wundert. Sie sieht keiner Veränderung zu der derzeitigen Rechtslage und scheint ACTA somit zu befürworten.

Zum Schluss ein Insider (vor allem für Hamburger Piraten): Der blaue Weihnachtsmann ehrt Frau Leutheusser-Schnarrenberger – während der Veranstaltung – mit einer blauen Mütze für ihr Engagement in der Familienpolitik. Zum blauen Weihnachtsmann sage ich hier gar nichts. Allerdings finde ich es sehr interessant, dass es diese Organisation innerhalb einer FDP-Veranstaltung diese Art von Unterstützung findet

Logische Folge der Tragödie in Norwegen: Religionen per se verbieten

Ausgerechnet die Parteien, welche ihre religiösen Wurzeln im Parteinamen verankern, fordern nun – als Antwort auf das Massaker in Norwegen – mehr Überwachung.

Aber wer soll denn bitte überwacht werden? Es wird gemunkelt, dass „auffällige Personen“ überwacht werden sollen. Die einzige – in meinen Augen – logische Antwort darauf kann doch nur sein: Menschen mit einem „festen Glauben“ an irgendeine Religion. Denn eines haben alle kriminellen Massentäter (ich wehre mich den Begriff Terror und Terrorist zu nutzen) gemein: Sie sind (behaupten sie zumindest) tief in einer Religion gefangen. Seien es islamistische Gewalttäter oder christliche Massenmörder – alle berufen sich auf ihren „Auftrag des Herrn“.

Sind es nicht gerade die „christlichen“ Eiferer, welche den Islam als besonderes Schreckgespenst skizzieren? Der norwegische Kriminelle nannte als Beweggrund den Kampf gegen den Islam. Ist er da nicht auf einer Linie mit unseren „sicherheitspolitischen“ Fanatikern“?

Wenn es nun darum geht „verhaltensauffällige“ Menschen in einer besonderen Datei zu speichern um diese gesondert überwachen, würde dann nicht unser Bundesinnenminister ganz weit oben stehen müssen? Und müssten nicht alle „christlichen“ Parteien sofort unter die Überwachung des Verfassungsschutzes fallen?

Oder wäre es – vielleicht – eine Lösung, das aufgebaute Angstszenario wieder herunter zu fahren, um der offenkundig fortschreitenden Eskalation entgegen zu wirken? Umso mehr unsere Politiker die Panik  schüren, um so eher wird sich jemand aufgerufen fühlen etwas gegen die bösen „Andersgläubigen“ zu tun, oder – das von Politikern aufgebaute! – Angstszenario nutzen um aufgrund einer geistigen Verwirrung panisch zu reagieren.

In den USA wurde letzte Woche ein Mensch hingerichtet, der nach dem Attentat auf das World-Trade-Center „Menschen ausländischen Aussehens“ hinrichtete. Tat er dieses als Rache? Nein, er tat dies, weil ihm von Politikern und Medien suggeriert wurde, dass Ausländer eine Gefahr darstellen.

Egal wie man es dreht und wendet: Die Panikmacher in Politik und Medien sind die wahren Schuldigen – auch – an der Tat in Norwegen. Leider sind die gemeinten Politiker anscheinend derart in ihrer Wahrnehmung  gestört, dass sie ihren fehler nicht sehen und eingestehen können – oder wollen. Ein Problem, dass der Psychiater als „mangelnde Krankheitseinsicht“ bezeichnet. Würde unser Innenminister das „C“ in seinem Parteinamen ernst nehmen und einmal an die Bergpredigt nennen, wäre er nicht – wie seine kriminellen „Kollegen“ aus dem islamistischen Lager (und damit meine ich ausschliesslich die Kriminellen und nicht die vielen Millionen friedliebenden Gläubigen) – ein hassprediger, sondern ein Mensch, der vielleicht trotz der Gegensätze auf den „Anderen“ zugehen könnte. Angst zu schüren, war nie ein guter Ansatz.

Ich würde zu gern wissen, wie das politische Panikorchester zu diesen, meinen Gedanken steht.