Bildung: Der Teufel scheisst auf den grössten Haufen

Der Bundesrat hat entschieden und genehmigt:

Schüler und Studenten erhalten vorläufig kein höheres Bafög. Die Bundesrat stoppte am Freitag die geplante Erhöhung der Bafög-Sätze vorerst, ließ aber das geplante Stipendienprogramm für Studenten passieren. Damit sollen künftig bis zu 160 000 der leistungsstärksten Studenten mit monatlich 300 Euro unterstützt werden – unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern. (Hervorhebung von mir)

schreibt die TAZ. Da habe ich gleich mehrere Punkte anzumerken:

Wer schulpflichtige Kinder hat, bekommt dieser Tage (hoffentlich) das Versetzungszeugnis präsentiert. So auch ich. Ich fragte meine Tochter, wie sie denn zu der monetären Belohnung für ein gutes Zeugnis steht. Die Antwort war verblüffend – im positiven Sinne. Meine 13jährige Tochter erklärte mir, dass Geldgeschenke natürlich immer gern gesehen sind (sie ist wenigstens ehrlich) aber das eine Belohnung für das Zeugnis Blödsinn wäre. Schliesslich braucht sie die Zensuren fürs Abi. Meine 13jährige Tochter ist an der Stelle intellektuell wahrscheinlich weiter als unsere Politiker, die gute Zensuren monetär belohnen wollen. (Anmerkung: Ich bin MEGAstolz auf meine beiden Töchter 🙂 )

Ausserdem erfreut es mich zu lesen, dass auch die Kinder aus bestem Hause die Chance haben, nach der Privatschule, dem Privatlehrer für Nachhilfestunden und dem schweineteurem  Internat sich das Studium mit einem 300€ Stipendium zu versüßen. Zusätzlich zu den mindestens 2000€ die vom elterlichen Konto jeden Monat überweisen werden, damit das Kind sich aufs Studium konzentrieren kann und nicht in einer Kneipe oder einem Copyshop das Studium/Miete etc. finanzieren muss. Was geht es die „wohlhabende“ Kaste an, dass aufgrund dieser Entscheidung so mancher junge Mensch vielleicht aus Kostengründen KEIN Studium anfängt, sondern lieber den anderen Schulabgängern einen Ausbildungsplatz wegnimmt.

Wenn „Erschiesst Sie“ die Antwort ist, war „Politiker?“ die Frage

Über Dreistigkeit und Unverfrorenheit

Es gibt genügend Arbeitsplätze – nur nicht genug Arbeitswillige. Das scheint der Vorstandsvorsitzender der Marseille-Kliniken AG, Ulrich Marseille (Über Marseille gibt es auch einen bemerkenswerten Wikipedia-Artikel) so zu sehen und entblödet sich nicht seine kapitalistische Gier offen zur Schau zu stellen. Solche frechen Aussagen wird man nur lesen können, wenn die herrschende kapitalistische Klasse sich sehr-sehr sicher ist, dass sie die absolute Macht besitzen. Bei ein wenig sozialem Anstand und Verantwortungsgefühl würde Marseille als Ausbeuter von Politikern geschasst und seinen Aktionären wegen schlechtem Marketing vom Hof gejagt. Aber in der jetzigen Situation darf man so frech sein.

Marseille betreibt als Vorstandsvorsitzender der Marseille-Kliniken AG in Deutschland 61 stationäre Altenpflege-Einrichtungen mit knapp 9000 Betten und 6000 Mitarbeitern. Er will mindestens 500 Hartz-IV-Empfänger einstellen und ihnen bis zu 400 Euro im Monat zahlen. Bewährt sich ein Arbeitsloser, will Marseille ihm nach zwei Jahren eine feste Arbeitsstelle anbieten. Nach seiner Einschätzung könnte ein Drittel dieser Hartz-IV-Pflegehelfer dauerhaft in der Branche bleiben. (FAZ) (Hervorhebung von mir)

Da soll den Hartz-IV Beziehern tatsächlich 400€ pro Monat bezahlt werden – und das bis zu 2 Jahre lang? Es spricht für die Situation in diesem Land, dass sich jemand überhaupt – unter Nennung seines Names und nicht anonym – traut Arbeitsplätze mit solch einem Hungerlohn anzubieten.

Man darf nicht vergessen, dass jeder dieser angebotenen Arbeitsplätze zu 99% direkt durch Hartz-IV Zuzahlungen (Steuergelder..)  subventioniert ist. Oder glaubt hier jemand, dass man hier in Deutschland (nicht bei Continental in Tunesien) von 400€ leben kann? Allein die Miete dürfte typischerweise diesen Betrag übersteigen.

Marseille nimmt wirklich kein Blatt vor den Mund:

Dennoch sieht er auch eine staatsbürgerliche Verpflichtung der Langzeitarbeitslosen, dem Staat, der sie finanziert, auf diese Weise etwas zurückzugeben. Aus seiner Sicht ist die Einstellung Langzeitarbeitsloser für alle Beteiligten ein gutes Geschäft. Er selbst sparte erheblich gegenüber der Anstellung einer regulären Hilfskraft, die bis zu 1800 Euro brutto verdient. Das Argument zählt, denn wie fast alle Pflegeanbieter – gemeinnützig, privat oder öffentlich – drücken ihn die steigenden Kosten noch mehr als der Personalmangel.

Ja, tatsächlich ein gutes Geschäft: 500 Personen denen man JE 1400 weniger bezahlen muss – sind 700.000 Euro Ersparnis für seine Aktiengesellschaft IM MONAT! Und nun nochmal – sollte es in Vergessenheit geraten sein: Marseille ist Vorstandsvorsitzender der Marseille-Kliniken AG. Hat jemand einen Verdacht, was man so als Vorstandsvorsitzender dieser Aktiengesellschaft für ein Einkommen hat? Was er verdient, steht auf einem ganz anderen Blatt. Das darf ich hier nicht schreiben, denn es wäre Aufruf zu einer Straftat.

Revolution anybody?