Was man den Parteien so zutraut

Ist es nicht interessant, was man den politischen Parteien so zutraut? Ein schönes Beispiel lieferte heute folgende kleine Geschichte – fing ganz harmlos mit einem Tweet von Felicea an.

Widerwärtig. Menschenverachtend.http://bit.ly/9ZQNXP #julis- #fdp-

Der Link führt zu der Stuttgarter Zeitung, der man unter der Überschrift „Die Jungen Liberalen wollen Arbeitslose benoten“ Sätze finden kann wie:

Markus Roth, 29, schreibt gerade an seiner Doktorarbeit im Fach Philosophie an der Uni Stuttgart. „Guten Tag, ich bin von den Jungen Liberalen und würde gerne mit ihnen über das Sparpaket reden“, sagt Roth und drückt einer Frau einen Zettel in die Hand, auf dem die örtliche Nachwuchsorganisation der FDP fünf Thesen zur großen Politik formuliert hat. Zwei davon lauten: „Streichung des Elterngelds für ALG-II- Empfänger, denn Armut soll sich nicht reproduzieren! Streichung des Heizkostenzuschusses für Wohngeldempfänger, damit alle ökologischer und effizienter Heizen!“

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„Ich sehe keinen einzigen Punkt, den ich unterstützen kann. Ich weiß jetzt schon nicht, wie ich diese Pläne meinen Kunden erklären soll“, sagt die Mitarbeiterin der Agentur für Arbeit zum Jungen Liberalen. „Dann müssen Sie sich überlegen, ob sie an dieser Stelle richtig sind“, entgegnet ihr Markus Roth.

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Der Mann lässt Markus Roth stehen, der „mehr positive Reaktionen erwartet“ hätte. Wie haben es die Julis doch formuliert? „Wir denken, dass die Betroffenen diese Notlage der Nation verstehen werden und gerne ihren Beitrag für Deutschland leisten wollen. Lena hat es vorgemacht.“

Starker Tobak – absolut. Aber ich las den Artikel und twitterte:

Früher hat man solch Gesocks(FDP)eingekerkert RT @Felicea: Widerwärtig. Menschenverachtend.http://bit.ly/9ZQNXP #julis– #fdp

Blöd nur – für Felicea und mich: Das ganze war eine Ente. Auf der Webseite der Stuttgarter Liberalen findet sich eine Gegendarstellung:

Zu den aktuellen Medienberichten (z.B. der Stuttgarter Zeitung vom 11. Juni 2010) erklären wir:

Die Stuttgarter Zeitung von heute berichtet über eine „Aktion der Jungen Liberalen“, bei der vor dem Arbeitsamt in Stuttgart Arbeitslose von scheinbaren „Julis“ mit menschenverachtenden Äußerungen beschimpft wurden.

Wir distanzieren uns in aller Form von den getätigten Aussagen, Aktionen und den handelnden Personen. Die „Demonstration“ vor dem Arbeitsamt steht in keiner Verbindung zu den Jungen Liberalen, ihren politischen Positionen oder ihren Mitgliedern. Die genannten Personen sind keine Mitglieder der Jungen Liberalen.

Wir verurteilen die menschenverachtenden Äußerungen der scheinbaren „Demonstranten“. Wir werden im Laufe des Tages Strafantrag stellen.

Sebastian Gratz

Kreisvorsitzender der Jungen Liberalen Stuttgart und Zweitkandidat zur Landtagswahl 2011 im Wahlkreis Stuttgart 2.

Dumm für die Liberalen ist, dass man es der FDP-Nachwuchsorganisation OHNE grossartig nachzudenken zutraut. Meldungen wie: „Elefanten fliegen“, „Der Mond ist aus Vanilleeis“ oder „Kanzlerin Merkel strebt Schauspielkarriere an“ werden nicht groß verbreitet ohne den Wahrheitsgehalt genau zu prüfen, denn sie sind schwer vorstellbar.

DAS diese Meldung es aber schafft sich wie ein Lauffeuer zu verbreiten, sollte so langsam das letzte FDP-Mitglied grübeln lassen, was  die Parteivertreter aus der Partei gemacht haben, der einmal ein Hans Dietrich Genscher angehörte. Liebe FDP – man traut dir wirklich ALLES zu. Wenn Du wissen willst warum, google mal nach „Möwenpick FDP“ oder „Steuersenkung FDP“ und ähnlichem.

Arbeitslose sind alles arbeitsfaule Schmarotzer

Tolle Überschrift, oder? Der Wahrheitsgehalt der Aussage ist aber deutlich bei NULL.

Wenn es in Deutschland derzeit 942.000 Arbeitsplatzangebote gibt (Quelle Tagesschau), wir aber gleichzeitig 3,617 Millionen Arbeitslose haben (Auch Tagesschau – anderer Link), dann ist zumindest für über 2 Millionen Deutsche kein Arbeitsplatz verfügbar. Dieses gilt selbst dann, wenn jeder Arbeitssuchende für jeden Arbeitsplatz und -ort qualifiziert und verfügbar wäre.

Zu der Zahl der Arbeitslosen muss man noch all diejenigen addieren, die derzeit als Arbeitslose in eine Schulung oder eine 1-Euro Stelle abgeschoben sind. Denn dann taucht man in der Statistik NICHT auf. Ebenso muss man all die Geringverdiener hinzuaddieren, die nur halbtags arbeiten oder einen vom Staat subventionierten (Hartz-IV) Arbeitsplatz haben – auch diese sind nicht in der Statistik.

Also lieber Schreier von Stammtischparolen und Medien des Axel Springer Verlages, wie kommt ihr mit diesen beiden Zahlen klar?

Ich hasse es Springer zu zitieren, aber für Tauss mache ich eine Ausnahme

Schon gestern sprach der – noch SPDler – Jörg Tauss davon, dass er morgen etwas zu seiner weiteren politischen Karriere sagen wolle.

Heute wurde mir ein Link zur BILD-Zeitung zugespielt, dessen Wahrheitsgehalt dadurch verifiziert werden kann, dass Tauss selbst auf diesen Artikel hinweist. Diesem Springerartikel entnehmen wir:

Er kämpfte im Bundestag bis zur letzten Minute vergeblich gegen die Kinderporno-Sperre. Jetzt zieht Jörg Tauss (SPD), gegen den noch immer ein Verfahren wegen des Besitzes von Kinderpornographie läuft, seine Konsequenzen. Er denkt über einen Wechsel zur Piratenpartei nach!

Tauss will sich morgen definitiv zu seiner politischen Zukunft äußern: „Ich muss jetzt noch eine Nacht darüber schlafen, auch mit meiner Frau reden. Fest steht aber schon jetzt, dass ich die Partei unterstützten werde – in welcher Form auch immer.“

SOLLTE Tauss tatsächlich zu den Piraten wechseln, wäre das eine kleine Sensation. Denn mit dem Wechsel hätten die Piraten sofort einen Abgeordneten im Parlament. Zwar nur bis zu nächsten Wahl, aber in Sachen Publicity wäre es ein Paukenschlag für diese kleine, so sympatische Partei.

Ich drücke Herrn Tauss und der Piratenpartei die Daumen. Herrn Tauss insbesondere, als gegen ihn immer noch ein Strafverfahren anhängig ist, welche hoffentlich bald eingestellt werden kann.