Sicherheitsverwahrung ist 90%ige Freiheitsberaubung

Gerade am Wochenende hatte ich ein längeres Gespräch mit meiner Tochter. Als junge Frau ist sie natürlich – durch die Medien – sensibilisiert, was „gefährliche Sexualstraftäter auf freiem Fuß“ angeht. Kaum passt man als Vater mal ein paar Tage nicht auf, haben die Medien es geschafft: Das Kind wähnt sich in Gefahr.

Aber ist sie real, diese Gefahr? Oder schreien wir aus Panik nach dem Scharfrichter und ewiger Verdammnis? Warum blenden wir aus, dass uns jeder zu unrecht inhaftierte oder anders eine Einschränkung seiner Menschenrechte hinnehmender Mensch zu Straftätern macht?

Egal welche Tat begangen wurde: Nachdem das Strafmass „abgesessen“ wurde, gilt jeder Mensch wieder als freier Bürger. Wenn der Richter als angemessene Strafe urteilte: „10 Jahre Freiheitsentzug“, so ist der Verurteilte hinterher frei zu lassen.

Oder wird mit die Bußgeldstelle nachdem ich ein Bußgeld von 50.-€ überweisen habe ein freundliches Schreiben schicken „Die Gesellschaft hat sich das nochmal überlegt, bitte überweise Sie nochmal 100€?

In der TAZ fand ich ein interessantes Interview mit dem Kriminologen Thomas Feltes, der sagt:

An meinem Lehrstuhl haben wir im Vorjahr eine Untersuchung abgeschlossen, die das belegt. Dabei wurde der Werdegang von 67 Straftätern untersucht, bei denen Haftanstalten – gestützt auf Gutachten – eine fortdauernde Gefährlichkeit prognostizierten und deshalb nachträglich Sicherungsverwahrung beantragten. Aus rechtlichen Gründen lehnten die Gerichte dies jeweils ab. Und wir konnten prüfen, ob die angeblich so gefährlichen Täter tatsächlich neue Gewalttaten verübten.

Dreiundzwanzig begingen zwar neue Straftaten, aber meist handelte es sich nur um kleine Diebstähle oder Drogendelikte, also nichts, was eine vorsorgliche Inhaftierung gerechtfertigt hätte. Wegen neuer Gewalttaten wurden nur drei Personen rechtskräftig verurteilt. Selbst wenn sich diese Zahl in den folgenden Jahren verdoppelt, weil noch Fälle vor Gericht anhängig sind, wären das nur zehn Prozent der Entlassenen. Die übrigen 90 Prozent wären unnötig in Sicherungsverwahrung gesteckt worden.

Wenn wir also alle potentiellen Täter dauerhaft wegsperren wollen, dann wird es eng. Wenn unsere Gesellschaft bereit ist 90% Unschuldigen die Freiheit zu rauben, um sich vor höchstens 10% zu schützen, sehe ich schwarz.

Ich empfehle den Artikel zu lesen. Sehr interessant und erhellend. Lasst uns zusammenrücken, damit wir alle den Scheiterhaufen sehen können.

httpv://www.youtube.com/watch?v=UuNHJIAjW6k

Konstantin Wecker – das Hexeneinmaleins von 1978. Aktueller denn je:

die Angst ist die Flamme unserer Zeit
und die wird fleißig geschürt.
Sie verbrennen dich mit ihren Zungen und ihrer Ignoranz
dicke freundliche Herren
bitten per Television zur Jagd.
Tausende
zum Feindbild verdammt
halten sich fürs Exil bereit.

Tag 2 nach Neuwiedenthaler Gewalt – eine bewertete Presseschau

Gern ziehe ich meine Informationen aus einem breiten Fundus von Quellen. Es ist immer wieder spassig zu sehen, wie einzelne Medien zu unterschiedlichen Einschätzungen kommen. Aber auch wie innerhalb der Medien unterschiedliche Linien gefahren werden, oder uns Medien sogar überraschen.

Das wichtigste zuerst: Der Tatverdächtige, der einen Polizeibeamten schwerste Kopfverletzungen zugefügt haben soll, hat sich gestellt. Polizeipressemitteilung:

Nach den tätlichen Auseinandersetzungen vom Samstagabend, bei denen fünf Polizeibeamte verletzt worden waren, hat sich gestern Abend ein 31-jähriger Tatverdächtiger im Polizeipräsidium gestellt.

Nun zur „Presseschau“: Fangen wir mit der Überraschung an: Während der Spiegel HEUTE noch von einem Exihitionisten,

der sein entblößtes Geschlechtsteil einer Mutter und ihren Kindern zeigte

schreibt (Eine Bewertung die in den Medien immer weiter in Abseits gerät), liest man in der Springer BILD schon gestern Abend:

Eine Streifenwagenbesatzung sieht im Rehrstieg einen Mann (27) mit heruntergelassener Hose. Der Wildpinkler …

Bei Bild also bereits gestern die harmlose version des „Wildpinklers“ – bei dem ehemaligen Nachrichtenmagazin heute noch ein „Sexualperverser“ der sich vor Mutter mit Kindern entblösst. Das der Spiegel da an Effekthascherei die BILD überholt, irritiert mich nun doch ein wenig, soweit ist es schon gekommen. Soviel zu „Stand aber im Spiegel“

Das Hamburger Abendblatt hat es heute verdient dass zwei Artikel erwähnt werden. Erstmal wird festgestellt:

„Macho-Kultur und Statusdenken fördern Gewalt“

Nur im Gegensatz zu meinen Gedanken in Richtung Korpsgeist und Kurzhaarschnitt in den Hunderschaften der Bereitschaftpolizei,  zielt der Artikel auf kulturelle Unterschiede. Perfide ist dieser Abschnitt:

Eine Studie des Kriminologen Christian Pfeiffer vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen hatte jüngst ergeben, dass in Großstädten fast jeder zweite jugendliche Gewalttäter einen Migrationshintergrund hat.

Ich frage mich, wie die Auswertung aussieht, wenn man die berufliche Perspektive ( Schulbildung und/oder Beschäftigungsverhältnis) als Masstab anlegt. DAS tut man aber besser nicht, da sonst die Möglichkeit besteht, dass Deutsche und Ausländer gleichermassen  benachteiligt UND gewaltbereit sind. Wer sind denn die Schläger in der Schanze oder bei den Demos am 1.Mai? DAS sind 1) die Gören aus besserem Hause und 2) Deutsche. Wie passt das ins Bild des bösen Migrantenpöbels?

Ausserdem stellt das Abendblatt – in einem weiteren Artikel – fest:

Respekt vor der Polizei ist kaum da

Worauf sich die Frage stellen lässt: Wer fing mit Respektlosigkeiten an? Ich habe UNNÖTIGE Polizeigewalt bereits 1976 bei den Anti-Brokdorf Demonstrationen kennen gelernt. Wobei ich zugeben muss, dass es damals auch schon gewaltbereite Jugendliche gab. Aber anstelle sich Respekt durch Respekt verursachendes Auftreten zu erlangen, kennen  Polizeiführung und Bereitschaftspolizei nur das drehen an der Eskalationsschraube. Den „Hamburger Kessel“ von 1986 habe ich auch noch nicht vergessen. Damals hat das Verwaltungsgericht wegen 861-facher Freiheitsberaubung verwarnt. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Über 13 Stunden werden 861 Menschen ihrer Freiheit beraubt und die Verantwortlichen werden VERWARNT! Nicht mal eine Geldstrafe musste berappt werden. Wer hat zuerst den Respekt vorm Gegenüber verloren?

Aber der Abendblatt-Artikel hat noch ein anderes entzückendes Detail zu bieten:

Auch wenn gestern Abend das Leben rund um den Neuwiedenthaler Bahnhof scheinbar seinen gewohnten Gang nahm, unter der Oberfläche gärt es. Es gibt viele, die sich abends nicht mehr auf die Straße trauen. „Ich habe schon oft Angst gehabt. Die Jugendlichen sitzen im Treppenhaus, rauchen und trinken“, sagt eine junge Türkin, die mit ihren Kindern in einem der Hochhäuser wohnt. Sie will nur noch weg. Und auch Fleischereiverkäuferin Susanne Hosemann, 48, ist beunruhigt. „Sie kommt immer näher, diese Brutalität, die Respektlosigkeit.“ Sie fahre nur noch mit dem Auto zur Arbeit.

Wunderbar wie dieses Blatt für die feinere Hamburger Gesellschaft aufzeigt welche Atmosphäre der Angst in Neuwiedenthal herrscht. Ob bald Gruseltouren für Besserverdienende aus Blankenese angeboten werden? Oder wäre das ein Reinfall, wie man der Harburger Anzeigen und Nachrichten entnehmen kann – wie das Abendblatt zum Axel Springer gehörend:

Angst empfindet auch Christine Schley nicht. Sie ist 46 Jahre alt und lebt seit jeher in Neuwiedenthal, in einem Neubaugebiet im nördlichen Teil. Sie kauft ab und zu in der „Galeria“ ein, arbeitet auch in der Gegend. „Wieviel Kraft müssen diese Schläger aufbringen! Das zeigt: Sie haben keinen Respekt mehr vor der Polizei“, meint Christine Schley. Die Häufigkeit der Übergriffe und der Gewalt in den vergangenen Tagen findet sie zwar beunruhigend. Doch von einem Problem des Hamburger Südens will sie nichts wissen: „Das ist Zufall.“

Salih Kalender besitzt in der S-Bahn-Station einen Döner-Imbiss und einen Kiosk. Er sieht die besagten Jugendlichen fast täglich. „So viel passiert hier wegen denen nicht. Wir haben nur selten Großeinsätze der Polizei“, berichtet der 28-jährige Deutsch-Kurde.

Ja was denn nun? Wenn sich nicht mal die Zeitschriften des Axel-Springer Verlages einig sind, was soll ich denn dann noch glauben?

Harburg Aktuell thematisiert die Polizeipräsens und kommt auf den Punkt:

„Waren an den seinerzeit drei Polizeikommissariaten in Süderelbe im März 2008 noch rechnerisch 337 Polizistinnen und Polizisten tätig, verfügten die beiden Wachen zuletzt nur noch über 298 Vollzugsbeamte“, sagt Dressel. „Das ist ein Rückgang um rund 12 Prozent binnen zwei Jahren.“

Genau, einerseits wird von Brennpunkt Süderelbe gesprochen und andererseits ziehen wir da mal Kräfte ab. Ein schönes Beispiel für verlogene Politiker, die den Bürger allein lassen.

Ist mal wieder etwas länger geworden, aber dieses – für alle Beteiligten –  tragische Ereignis MUSS genutzt werden um Ross und Reiter zu benennen. Man darf nicht stumpf wieder zur Tagesordnung zurück kehren.

Wenn zwei das gleiche tun…. Polizei und Bürger

Die Welt zeigt wieder einmal wunderbar, wie man ein Thema einseitig beleuchten kann – wie es (vom Axel Springer Verlag) bezahlte „Qualitätsjournalisten“ in Perfektion beherrschen.

Die Zahl der schweren Übergriffe gegen Polizisten mit mindestens sieben Tagen nachfolgender Dienstunfähigkeit hat sich von 2005 bis 2009 um 60,1 Prozent erhöht. Besonders betroffen sind Streifenbeamte. Die schweren Gewaltattacken führen häufig zu ernsten psychischen Beschwerden.

Die Zahl der schweren Übergriffe gegen Bürger  mit mindestens sieben Tagen nachfolgender Berufsunfähigkeit hat sich von 2005 bis 2009 deutlich  erhöht. Besonders betroffen sind Bürger die von ihrem Demonstrationsrecht Gebruach machen. Die schweren Gewaltattacken führen häufig zu ernsten psychischen Beschwerden.

„Das Ausmaß an genereller Aggression gegen Polizeibeamte spiegelt eine zunehmende Respektlosigkeit vor staatlichen Amtsträgern wider“, sagte Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) in Berlin.

„Das Ausmaß an genereller Aggression gegen Bürger und Steuerzahler spiegelt eine zunehmende Respektlosigkeit vor der eigentlichen Macht in diesem demokratischen Staat wider“ sage ich.

Gemeinsam mit dem Kriminologen Christian Pfeiffer stellte er die ersten Ergebnisse einer Studie zur Gewalt gegen Polizisten vor. Knapp 21.000 wurden befragt – das Ergebnis: die Zahl der schweren Übergriffe mit mindestens sieben Tagen nachfolgender Dienstunfähigkeit hat sich von 2005 bis 2009 um 60,1 Prozent erhöht.

Leider befragt niemand Demonstranten – wie z.B. Wolfgang Thierse – nach etwaigen Verletzungen und Berufsunfähigkeiten (auch nach Einsatz von Wasserwerfer – evtl. inkl. Reizgas)

Schünemann verlangte deshalb eine klare Ächtung politisch motivierter Gewalttaten bei Demonstrationen.

Ich verlange deshalb eine klare Ächtung dienstlich motivierter Gewalttaten bei Demonstrationen.

„Gerade der Gewalt aus dem linksextremen Lager, bei der wir zurzeit einen deutlichen Anstieg verzeichnen, muss klar entgegengetreten und bekämpft werden“, sagte Schünemann.

„Gerade der Gewalt aus den Hunderschaften der Bereitschaftspolizei, bei der wir zurzeit einen deutlichen Anstieg verzeichnen, muss klar entgegengetreten und diese muss bekämpft werden“, sage ich.

Die Befragung der Polizisten ergab, dass schwere Gewaltattacken häufig zu ernsten psychischen und psychosomatischen Beschwerden führen

Die Befragung der Demonstranten ergab, dass schwere Gewaltattacken häufig zu ernsten psychischen und psychosomatischen Beschwerden führen

Von ihnen berichtete mehr als etwa jeder Fünfte über Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung – zum Beispiel wiederkehrende Albträume oder erhöhte Gereiztheit.

Von ihnen berichtete mehr als etwa jeder Fünfte über Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung – zum Beispiel wiederkehrende Albträume oder erhöhte Gereiztheit.

Schünemann forderte bundesweite Standards, um eine professionelle Nachsorge und Betreuung der Opfer sicherzustellen.

Ich  fordere bundesweite Standards, um eine professionelle Nachsorge und Betreuung der Opfer sicherzustellen.

Seltsam, wie einfach es ist einen Artikel mit komplett neuer Interessenlage zu erstellen. Aber dass diese Art der Berichterstattung derzeit – gerade aus Richtung Springer-Presse – zu erwarten ist, war klar: Schliesslich sollen Polizisten als „Bessere Wesen“ aufgestellt werden.

Liebe Polizisten, die ihr typischerweise einen Scheissjob macht – es geht nicht gegen euch. Es geht gegen die Kollegen unter euch, die nicht besser sind als die Chaoten unter den Demonstranten und vor allem geht es gegen hilflose Politiker die EUCH und uns Bürger verarschen.