Die Mathematik der BWLer

Heute Morgen hatte ich das Vergnügen mal wieder mit unseren Reinigungskräften einen kleinen Plausch zu halten. Wer glaubt Reinigungspersonal wäre strunzdoof, sollte sich mal mit denen unterhalten. Unsere sind sehr intelligent und auch gesellschaftskritisch.

Thema waren die langen Ladenöffnungszeiten. Wir kamen – wir sind alle älter als 30… – über den alten Gewerkschaftsslogan „Samstag gehört der Papi mir“. Damit kämpften die Gewerkschaften vor ca. 50 Jahren um die 40 Stunden-Woche. Das Ziel war, der Familie ein gemeinsames Wochenende zu ermöglichen.

Ja, wo ist er hin, der hohe Anspruch den Familien gemeinsame Zeit zu ermöglichen, wenn ein Familienmitglied im Supermarkt arbeiten muss. Wochentags bis 22:00 – Kasse machen um dann gegen 23:00 zu Hause zu sein. Wenn die Familie vor 20 Jahren noch freitags auf den Campingplatz fuhr, so sind diese Zeiten vorbei. Das geht höchstens noch alle 2 Wochen, wenn der Dienstplan dies zulässt.

Werden wir durch mehr Arbeit leistungsfähiger? Wer diese Frage stellt, sollte sich einmal das Interview in der Zeit mit Thomas Geoghegan durchlesen, der über die Unterschiede zwischen Arbeit/Leistung in den USA und Deutschland folgendes sagt:

Geoghegan: Die Amerikaner jammern permanent über den Aufstieg Chinas. Was machen die Deutschen? Sie gehen nach China und verkaufen dort ihre Maschinen und Autos. Zwischendurch machen sie sechs Wochen Urlaub. Es ist, als würden sie gegen uns gewinnen, während sie einen Arm auf dem Rücken festgebunden haben.

ZEIT ONLINE: Jahrelang wurde Deutschland von zahlreichen Ökonomen dazu gedrängt, den Arbeitsmarkt zu flexibilisieren, amerikanischer zu machen…

Geoghegan: (lacht) Ja, und zwar von genau jenen Ökonomen, die selbst ganz europäisch arbeiten: sozial abgesichert und mit frühem Feierabend. Im Ernst: Der flexible US-Arbeitsmarkt, wie er von Professoren und vielen Journalisten so gerne gelobt wird – was bedeutet das denn? Amerikanische Arbeitnehmer sind machtlos und der Willkür ihrer Unternehmen ausgeliefert.

Durch Freizeit und Erholung (Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit) sind wir Deutschen der amerikanischen Wirtschaft überlegen. Es ist nicht das Prinzip „immer arbeiten“, sondern die Möglichkeit die Batterien auch aufzuladen, das uns international wettbewerbsfähig macht.

Aber zurück zu der Überschrift: Die Mathematik der BWLer.  Warum muss der Einzelhandel 14 Stunden am Tag geöffnet haben – an 6 Tagen der Woche?  Uns wird gesagt: Damit ihr mehr Zeit habt eure Ware einzukaufen. Gemeint ist: Damit wir euch mehr Geld aus den Taschen ziehen können.

Geht diese Rechnung aber auf? Kann der Verbraucher tatsächlich mehr Konsumartikel erwerben? Gegen sei eine Volkswirtschaft, in der jeder Verbraucher monatlich einen Etat (bei Währungsstabilität) von stets 200€ zum verkonsumieren hat.

Wenn das Einzelhandelsgeschäft am Tag 9 Stunden geöffnet hat, so sind die Personalkosten auf 9 Stunden festgesetzt. Soll dieses Geschäft nun 14 Stunden geöffnet gehalten werden, muss mehr Personal eingestellt werden. Auch wird mehr Strom (Licht etc) verbraucht. Die Kosten der 14 Stunden-Öffnung liegen – im Vergleich zur 9 Stunden Öffnung – höher. Diese höheren Betriebskosten müssen nun auf den Produktpreis aufgeschlagen werden. Das heisst, unser Beispiel-Verbraucher kann für seine 200€ unterm Strich weniger Waren kaufen.

Unterm Strich werden wir  Verbraucher also auch hier ausgenommen. Denn die Discounter werden weiterhin ihre x% Kapitalverzinsung realisieren. Letztendlich ging es nur darum, kleine Familienbetriebe aus dem Markt zu verdrängen – bezahlt haben den Tod der Tante-Emma-Läden die Verbraucher. Stolz können wir Deppen darauf sein, denn bei Rewe und Aldi kann man nicht anschreiben lassen.

Idioten kaufen nicht bei #Trigema

Der Chef des deutschen Sportartikelherstellers Trigema, Wolfgang Grupp, hat innovativ-in ein Interview gegeben.  Und ratzfatz bäumt sich die Twitterwelt auf: „Er hat uns Idioten genannt“. Allein das Lesen der Kommentare unter dem Interview ist für einen Kampfnörgler wie mich ein inneres Weihnachtsfest.

Aber was sagt Grupp denn in dem Interview, was es zu bemängeln gibt – abgesehen davon dass er sich als Internetausdrucker outet? Er ist gegen das Internet, da er der Technologie kritisch gegenüber steht – was sein gutes Recht ist – wenn wir uns an das Prinzip der Meinungsfreiheit erinnern.

Wenn Grupp aber erklärt:

Die Kunden vergleichen im Internet die Preise und kaufen das billigste Angebot. Inzwischen werden Milliarden Umsätze über das Web gemacht, aber die kleinen Einzelhändler bleiben auf der Strecke. Die guten Geschäfte müssen schließen und unsere Innenstädte bluten aus und verkommen. Viele Einzelhändler und auch Karstadt sind durch das Internet pleite gegangen.

dann hat er recht. Wer hat noch keine Bekanntschaft mit den Spezialisten gemacht, die einem versuchen die Beratungsdienstleistung aus der Nase zu ziehen, um dann beim billigsten Internetshop zu ordern? Oder diejenigen, die einem nach dem Kauf zu Tode nerven, weil der Shop keinen Support bietet und sie mit dem Produkt nicht zurecht kommen? Letztendlich ist es diese „Geiz ist Geil Mentalität“ die Grupp kritisiert – wenn auch „hinten rum“

Und wenn Grupp erklärt

Twitter ist für mich einfach nur dumm und die Menschen, die das nutzen, sind für mich Idioten. Haben die Menschen eigentlich nichts Besseres zu tun, als über belanglosen Kram zu schreiben? Wen interessiert das?

kann ich ihn ein wenig verstehen. Ich habe (hatte) ja auch ein deutlich schizophrenes Verhältnis zu Twitter, bis ich herausfand dass man äusserst restriktiv sein muss, wem man so alles folgt. Die Freundlichkeit, jedem zu folgen, der einem selbst folgt, hat sowohl schlaflose Nächte (so schnell kann kein Mensch lesen) zur Folge, als auch einen absoluten Input-Overflow in Sachen geistig Erbrochenem.

Sollte der Herr Grupp einmal jemandem über die Schulter geschaut haben, der unreflektiert zu vielen Leuten folgt, dann kann ich mir schon vorstellen, dass die Informationen

  • Wer wann Feierabend macht
  • Wer wann aufsteht und ins Bett geht
  • Wer wann Mittag macht und was es zu Mittag geben wird oder gegeben hat
  • War was in diesem Moment im Fernsehen sieht
  • Welcher Wochentag gerade ist

als redundant und idiotisch angesehen werden. Die Kunst des Selektierens muss lernen wer sich versucht im Internet frei und offen zu informieren. Und wenn Herr Grupp dieses nie lernen konnte, muss er zu seiner Ansicht kommen.

Spinnt er? Nein, das tut er in meinen Augen nicht – er betrachtet die Welt (und das Internet) nur aus seiner Perspektive.

Nur dass er auch mich als „Idiot“ bezeichnet – das ist deutlich übertrieben. Aber man muss ja die Produkte eines Menschen der einen als Idioten bezeichnet nicht kaufen. Insofern war der Teil mit den „Idioten“ so rein marketingtechnisch idiotisch. Aber Idioten werden wohl nichts bei Trigema kaufen. Das Interview wäre OK gewesen, wenn da nicht dieses Idiot gefallen wäre.. Schuß ins Knie – bye bye Trigema