Unsere Regierung pampert die „Mittelschicht“

Warum die Mittelschicht keine Angst vor Hartz IV haben muss

betitelt die FTD heute einen Artikel bei dessen Lektüre ich irgendwie an „Zuckerbrot & Peitsche“, „Brot und Spiele“ oder irgendwie sowas denken muss. So wie uns allen Angst vor Terrorismus gemacht wird um Überwachung und Einschränkung der Menschenrechte durchzusetzen, so sieht die neue Linie der Propaganda anscheinend vor die Mittelschicht mental von Hartz-IV zu trennen. Denn nur wenn grosse Teile der Bevölkerung sich von dem Gedanken trennen „Das könnte mir auch passieren“ wird man eine etwaige Solidarisierung mit den Arbeitslosen unterbinden können.

Die FTD weiss zu berichten:

Weniger als acht Prozent der Menschen, die Ende des abgelaufenen Jahres Arbeitslosengeld I bezogen, erzielten in ihrem letzten Job ein Salär zwischen 3000 und 4000 Euro – brutto, versteht sich. Nur jeder Zwanzigste lag darüber.

Na, das geht doch. Also ihr, die ihr heute noch nicht unter Gehaltskürzungen so sehr leiden musstet, dass ihr unter 3000.- Euro Brutto verdient. Seid froh, ihr stellt nur 8% der Arbeitslosen. Das macht doch Mut, oder? Wieviel % der Bundesdeutschen liegen eigentlich in dieser Gehaltsklasse?

Wenn man an die alte Regel denkt, dass die letzte Aussage eines Vortrages mit die wichtigste ist, dann mag man den folgenden Text auch so verstehen:

Die Berliner Arbeitsvermittlerin Tina Brockstedt jedenfalls glaubt nicht, dass die Schröder’schen Reformen doch noch zu einem Albtraum für die Republik werden. Die Packung „Träum-schön-Tee“, die sie in dem grauen Büroschrank neben ihrem Schreibtisch aufbewahrt, ist nicht für ihre Arbeitslosen gedacht: „Das haben die allermeisten gar nicht nötig.“

Alles wird gut. Ihr braucht keine Angst zu haben. Nun schlaft weiter. Wenn wir auf die Arbeitslosen einschlagen, meinen wir doch EUCH nicht.

Es gibt Probleme, die sind WIRKLICH übel

Ich möchte euch eine Geschichte erzählen und ihr sollt mir sagen, was ihr davon haltet.

Da ist ein Mensch, männlich, sozial eingestellt – ein superlieber Typ (eigentlich…) der so um 1976 von der neunten Klasse der Hauptschule abgeht. Die Mutter ist gerade gestorben, der Vater von der Situation komplett überfordert, unser „Held“ sucht sein Glück in der Szene und auf der Strasse. Möglichkeiten gibt es für ihn damals so einige: Durch seine kräftige Statur kann er als ungelernter Gerüstbauer oder Dachdecker arbeiten, Aushilfe in Kneipen und bei selbstständigen Bekannten aushelfen wenn Not am Mann ist, Dealen mit leichten Drogen. Irgendwie und irgendwo kommt das Geld schon her, mit dem man die Miete bezahlen kann. Ab und zu hat man sogar Glück und hat einen sozialversicherungspflichtigen Job.

Aber die Zeiten ändern sich, man wird älter. Irgendwann mit 40 –  nach körperlichem Zusammenbruch und Alkoholentzug – stellt der Mittelpunkt unserer kleinen Geschichte fest:

  • Dealen geht gar nicht mehr – NEVER
  • In Kneipen kann man nicht mehr arbeiten. Bier ausschenken als trockener Alkoholiker ist eine dumme Idee
  • Auf dem Bau arbeiten? Mit den dauerhaften Schäden in Knien, Schulter, Rücken, Ellbogen etc. pp?
  • Ohne Schulabschluss und Ausbildung – was bleibt?

Unser trauriger Held stellt fest, dass sein Leben eigentlich am Ende ist – er sitzt euch gegenüber und ist am Ende. Er wird bis ans Lebensende der Gemeinschaft auf der Tasche liegen müssen. Er will es nicht – wollte es noch nie. Aber was tun?

Man verliert die traurige Hauptperson aus den Augen, bis die Buschtrommeln vermelden: Da ist eine Erbschaft – der „Held“ hat echt Glück gehabt. Es gibt ein paar Menschen denen man solch einen warmen Regen wirklich gönnt – ER gehört auf alle Fälle dazu.

Wieder Monate später bekommt man einen Anruf: Der „Arbeiter“ hat ein Problem. Er hat die Erbschaft (Bargeld) angenommen, aber nicht der Arge gemeldet. Nun kommt die Arge auf ihn zu, weil sie die Meldung bekommen hat dass auf dem Konto unseres Helden Zinsen aufgelaufen sind. Knapp 100 Euro Zinsgewinn gilt es zu erklären.

An dieser Stelle komme ich ins Spiel – ich soll helfen, beraten. Und verdammt nochmal, wieso trifft es IMMER die Kleinen?

Ich weiss wie diese Geschichte ausgehen wird: Ich werde eine Beratung vorschlagen – SO fit bin ich nicht, bin weder Sozialarbeiter noch Rechtsanwalt. Die Arge wird unserem traurigen Helden voll auf die Fresse hauen, eine Anzeige wegen Betrug o.ä ist nicht unmöglich. Wieder einmal wird er vom leben so RICHTIG auf die Fresse bekommen.

Dieser kleine Mensch (naja über 1,80 ist er schon), der IMMER da war wenn er gebraucht wurde. Der keinen Umzug ausliess, immer anfasste, immer beim renovieren half – der kriegt nun von der Gesellschaft auf die Fratze. Auf der anderen Seite lassen sich die mit Steuermilliarden geretteten Banker Hunderttausende von Boni auszahlen.

Verdammt, die Kleinen hängt man und die Grossen lässt man laufen.

So manche Studien bringen mich zum Kotzen

Sorry für die harschen Worte, aber wenn ich in der Welt lesen muss

Das Institut der deutschen Wirtschaft beurteilt die Auswirkungen der Hartz-IV-Reform auf den Arbeitsmarkt insgesamt positiv. Einer Studie zufolge verdrängen die Ein-Euro-Jobs keine Vollzeitstellen, sondern reduzieren die Arbeitslosigkeit.

kommt mir dass Essen hoch.

Ich war – vor ein paar Jahren – Hartz-IV Empfänger und hatte auch einen Ein-Euro-Job. Die GmbH bei der ich meinen Ein-Euro-Job hatte macht nichts anderes, als Hartz-IV Beziehern eben Ein-Euro-Jobs zu geben. Und im Rahmen eben dieser Tätigkeit sollte ich für eine Schule ein Computernetzwerk planen und umsetzen. WTF werdet ihr denken und recht habt ihr. Ich lehnte es ab, denn es gibt da draussen Unternehmen, die genau damit ihr Geld verdienen.

Viele Ein-Euro-Jobber dieses Unternehmens waren im Einsatz um Schulen mit Frühstück und Mittagessen zu versorgen. Ein Markt in dem es auch deutlich privatwirtschaftliche Unternehmen gibt, denen man mit den Billigarbeitskräften Konkurrenz macht. Diese gGmbH hat aber auch noch andere Sparten:

  • Hausmeisterservice
  • Wäscherei für gemeinnützige Einrichtungen
  • Näherei für gemeinnützige Einrichtungen

Vieles geschieht im Zwielicht der gesellschaftlichen Betrachtung. Dienstleistungen werden – durch Hartz-IV Bezieher erbracht – billig angeboten. Dass diese Dienstleistungen normalerweise durch Standard-Gewerbebetriebe mittels sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern erstellt werden, wird gern ausgeblendet. Sobald nur irgendwo eine der Begrifflichkeiten „Schule“, „Senioren“ oder „Gemeinnützigkeit“ auftauchen ist für Ein-Euro-Verwerter freies Manöver angezeigt: Da werden Aufträge an Land geholt um die Ein-Euro-Kräfte gewinnbringend einzusetzen.

Dass die von mir beschriebene gGmbH Mitglied im Diakonischen Werk ist, macht die Betrachtung nicht besser. Denn schon seit hunderten von Jahren sind auch die Kirchen bemüht vor allem ihre eigene Situation zu verbessern. Über diese gGmbHs werden nun die vom Steuerzahler finanzierten Arbeitskräfte (Hartz-IV) genutzt um die Kosten der kirchlichen Betriebe zu senken. Perfide. Und das Institut der deutschen Wirtschaft erkennt NICHTS! Wie blind muss/kann man sein?