Google+ : Teufelswerk oder Spackerias Segen?

Machen wir uns nichts vor. Die Kameraden von Facebook, Google und Co. verdienen ihr Geld mit Marketing. Umso mehr sie von uns wissen, desto zielgenauer (vor allem ertragreicher) können die Werbekunden uns adressieren. Werbung nach dem „Prinzip Giesskanne“ war gestern – heute werben Autohersteller wenn Du Schlüsselworte benutzt.

Hinzu kommt, die Bedrohung der Freiheit durch Geheimdienste und Polizeidienste, welche schon heute Facebook (öffentliche Daten…) bei der Aufklärung von Straftaten und Verkehrsdelikten nutzen. Was zwischen den Anbietern von sozialen Netzwerken und den diverse Ermittlungsbehörden weiss man nicht, es wird aber wohl ähnlich erschreckend sein, wie die Überwachung in Dresden.

Nun steht Google mit dem Dienst Google+ in den Startlöchern, die öffentliche (geschlossene Benutzergruppe) Beta ist gestartet. Was haben wir von diesem Dienst, mit dem Google Facebook Konkurrenz machen will, zu erwarten?

  • Circles heisst die Möglichkeit sich mit seinen Kontakte nicht mehr pauschal als „Kenne ich“ (Xing, LinkedIn etc.) oder „Freund“ (Facebook) zu verbinden, sondern unterschiedliche Gruppen zu definieren. Mittels dieser Feinjustierung, kann ich z.B. der Gruppe meiner Familie mitteilen, dass die Tante Frieda schwer krank ist und wir uns um sie kümmern müssen, während ich meinen Arbeitskollegen nur mitteile, dass ich morgen später ins Büro komme. Eine gute Sache – für den Benutzer und auch für den Anbieter. Denn der Anbieter kann wesentlich schärfere Profile bezüglich der sozialen Verbindungen seiner Benutzer zeichnen: „Wenn User „A“ Geburtstag hat, präsentiere seiner Familie was ihn zuletzt bei Amazon interessierte“
  • Sparks heisst die personalisierte Suche innerhalb Google+. So wie ich dies verstanden habe, hinterlege ich meine grundsätzlichen Interessen „Kischkernspucken, Seifenblasenpupsen“ und Google präsentiert mir stets neue Fundstücke. Sowas macht Google auch heute schon – generell. Der grosse Unterschied ist, dass die Suche mittels Sparks direkt und dauerhaft mit meinem Profil verbunden ist. Ich teile also mit, dass Kirschkernspucken mich nicht nur temporär interessiert (was der Fall sein kann, wenn ich nur einmal mittel Suchmaschine suche), sondern ich eine höhere Affinität zu diesem Thema habe.
  • Hangouts nennt sich der Part mit dem Benutzer in Gruppen bis zu 10 Personen Videokonferenzen abhalten können. Ein nettes Gymmick, bei dem nur die Standardvorbehalte gelten 🙂
  • Integration in Android. Noch tiefer als bisher möchte Google seine Nutzer mittels Android binden. Bildupload inkl. Positionsangaben machen es dem Benutzer leicht z.B. Urlaubserlebnisse oder Wochenendausflüge mit anderen Personen zu teilen. Ebenfalls teilt man seine Positionsangaben mit Google und somit eventuell auch etwaigen Ermittlungsbehörden.

Generell kann Google+ ein sehr interessantes Projekt sein. Inbesondere die Circles scheinen mir ein sehr sinnvoller Ansatz zu sein. Das Problem dabei ist, dass eben an den Stellen, wo den Benutzer einen Mehrwert hat, er auch einen Teil seiner informellen Freiheit aufgibt. Dessen sollte man sich stets bewusst sein.

Ich mache aber kein Geheimniss daraus, dass ich mir diesen Dienst auf alle Fälle anschauen werde.

Welche oder wessen Freiheit ist eigentlich gemeint?

Anmerkung: Über diese Thematik habe ich eine Nacht geschlafen. Es ist nicht der „Schnellschuß aus der Hüfte“, sondern wohl überlegt.

Die Welt ist voller Freiheitskämpfer – seien es „digital natives“, Piraten, Freaks oder andere. Viele Menschen und Gruppierungen kämpfen für die Freiheit. Aber für wessen Freiheit wird da eigentlich gekämpft. Dies kann man wunderbar nachvollziehen, wenn man sich diese leidige Google-Streetview-Thematik anschaut. „Verpixeln oder nicht“ ist gelebte Basisdemokratie, jeder kann für sich bestimmen – ob es den anderen passt oder nicht.

Gestern machte diese Aktion in Twitter die Runde und wurde gefeiert wie dereinst der Sturm auf die Bastille.

Andere „Freiheitskämpfer“ wandern durch die Strassen um verpixelte Häuser zu fotografieren und diese dann nachträglich in Streetview einzustellen um „anarchistisch“ dem ausdrücklichen Wunsch (einzelner..)  Bewohner entgegen zu wirken.

Auch folgende Aktion wurde aus den Reihen der „Freiheitskämpfer“ mit höhnischem Applaus bedacht:

Mehrere Reihenhäuser in Bergerhausen sind in der Nacht aus Samstag mit Eiern beworfen worden. Das berichten Anwohner. An die Briefkästen der Häuser klebten die Täter Zettel mit der Aufschrift „Google’s cool“ („Google ist cool“). Offenbar suchten sie sich ausschließlich solche Häuser aus, die im Panorama-Dienst „Google Street View“ unkenntlich gemacht worden waren.

Quelle DerWesten.

Da fragt man sich doch unwillkürlich, ob diese „Freiheitskämpfer“ noch alle Latten am Zaun haben. Für wen und wessen Freiheit setzen sie sich ein? Nur für ihre eigene Freiheit? Oder für die Freiheit eines jeden Menschen sich so frei zu entfalten, wie es irgendwie so gerade eben möglich ist.

Es geht mir nicht um Fassaden, Uhrheber- oder was-weiss-ich für welche, festgeschriebenen Rechte. Es geht mir um den erklärten Wunsch einzelner Personen und Familien.

Fällt mir wirklich ein Zacken aus der Krone, wenn das Mehrfamilienhaus in dem ich wohne verpixelt ist? Was geht es mich an, wenn mein Nachbar sein Haus verpixeln lässt. Man hört so gern das Argument: Der Wiederverkaufswert der Immobilie sinkt, wenn das Haus verpixelt ist. Ja, das mag – für gewisse Menschen tatsächlich so sein, dass sie gern in einem Haus wohnen würden, dass bei Streetview zu sehen ist. Anderen widerstrebt diese Vorstellung – den meisten Menschen allerdings ist das eher total egal.

Es geht bei der Pixel-Frage auch nicht um technischen Fortschritt. Sollte der ein Argument sein, so müsste man sich für Gentechnik in allen Bereichen sein.

Es geht vielmehr um die Frage: „Muss man alles umsetzen und zulassen“, was

  1. Technisch möglich ist
  2. Sich Andere Wünschen

Bitte liebe Freiheitskämpfer: Lasst die Menschen für sich selbst entscheiden. Und wer den Menschen das Recht auf Verpixelung abspricht, soll mir nie wieder mit Basisdemokratie ankommen. Freiheit ist auch die Freiheit der anders denkenden.

PS: Mein Wohnhaus ist nicht verpixelt und ich diskutiere nicht über „andere werten aber auch aus“. Diese Ebene ist mir zu kindisch.

Wer etwas verbirgt ist gefährlich! #Streetview

Mit dem „Nur wer etwas zu verbergen hat, ist gegen Transparenz und Offenheit“ rennen typischerweise Innenminister und Überwachungsbefürworter durch die Lande, um Kritik an Vorratsdatenspeicherung, Onlinedurchsuchung, Kameraüberwachung der Großstädte und andere – unsere Rechte einschränkende – Mittel aufzuweichen.

Dieser Satz lässt jeden Datenschützer schon seit mehreren Jahren kotzen vor Wut. Denn jeder Mensch hat pauschal etwas zu verbergen: Seine Privatsphäre. Diese geht niemanden etwas an. Im Einzelfall kann das Individuum Dinge von sich preis geben. Manchmal muss man dies tun, weil es einfach sinnvoll ist – z.B. bei Onlinehandel ist es sinnvoll seine Lieferanschrift anzugeben. Ein pauschales Aufweichen dieser Rechte von einzelnen oder Gruppen ist immer zu hinterfragen.

Seit heute ist Streetview – laut Heise – in

Berlin, Bielefeld, Bochum, Bonn, Bremen, Dortmund, Dresden, Duisburg, Düsseldorf, Essen, Frankfurt am Main, Hamburg, Hannover, Köln, Leipzig, Mannheim, München, Nürnberg, Stuttgart und Wuppertal

aktiv.

Auf Twitter ist es – erwartungsgemäß – mal wieder ein grosses Thema und auf meine (nicht neuen Bedenken in Sachen Aufspürbarkeit) kamen Argumente von Streetview-Befürwortern wie:

Damit das klappt muss man erstmal wissen, das ich dort wohne. Und wenn man das bereits weiß kann man einfach vorbeischauen.

Ich fahre aber ungern – nur um mal ein wenig über einen Menschen zu „spannen“ – nach München, Köln oder gar ins Ausland. Die Eingabe einer Anschrift bei Google-Maps ist allerdings ein Aufwand, den ich gern bereit bin aufzuwenden um ein wenig mehr über einen „fremden“ Menschen zu erfahren.

Auch kommt als Argument:

Man gibt Deine Adr. ein und sieht dann Dein Haus. Und dann?

Interessant finde ich, dass die selben Menschen, die bei staatlichen Massnahmen (ZU RECHT!) hyperventilieren und das Ende der Freiheit erkennen, bei Google alles toll und innovativ finden.

Ich habe nichts dagegen, wenn „ein Urlauber“ bei seinen Urlaubsfotos auch mein Haus als Hintergrund abbildet. Auch wenn meine Nachbarn dies tun: So what. Wenn dieser „Urlauber“ oder mein Nachbar diese Bilder in ihr persönliches Blog stellen: So what?

Was mir allerdings Gedanken macht ist eine Datenbank, in der ich mir von jeder Adresse – zusätzlich zu den Satellitenbildern – Informationen holen kann, wie:

  • Porsche, Mercedes, Maybach oder rostige Billigautos vor der Tür
  • Fenster mit teuren Gardinen oder Bettlaken sichtgeschützt
  • Vorgarten gepflegt oder erweiterter Mülleimer
  • Teurer Neureichen-Neubau in Altbauviertel?

um nur ein paar Kriterien zu nennen, die mittels Streetview für jedermann recherchierbar werden.

Ich freue mich, dass bei der mich betreffenden Streetview-Aufnahme weder mein Lamborghini noch der Maybach meiner Prinzessin vor der Tür steht – wir waren bestimmt gerade zur Arbeit. Sonst würden schon Fragen auftauchen: Boah, wie kann sich das der Kerl denn erlauben?

Wir machen uns ein Bild von unseren Mitmenschen aufgrund von Interpretationen der vorliegenden Informationen. Das ist normal. Ein Personalverantwortlicher wird selten eine Rundfahrt machen, um zu schauen wie denn der Bewerber wohnt. Einen Blick in Streetview wird er aber tätigen.Diese Art von Recherche wird von ihm sogar in Zukunft erwartet werden.

Werden in einem Onlineshop etwas kaufen, wenn die Adresse im Impressum nach „szenetypischem Altbau“ aussieht, oder wird unser Reizzentrum im Hirn „unsicher, lass die Finger von Vorkasse“ signalisieren – auch wenn der Anbieter ein verlässlicher Geschäftsmann ist?

Ich wurde bei Twitter auch angesprochen, warum ich nichts gegen die staatlichen Überwachungen oder gegen Wettbewerbsprodukte zu Streetview formuliere. Die Antwort darauf ist einfach: Meine ablehnende Haltung ist zu jeglicher die Privatsphäre auflösenden Massnahme die gleiche. Ich finde es nur erschreckend wie viele Fans es von Streetview gibt, die mit einem „Recht auf Piratsphäre“-Shirt der Piraten rumrennen.

Schlußsatz: Es geht mir ausschliesslich im Wohn/Privathäuser. Bei Kulturdenkmäler, Kunstwerken, baulichen Besonderheiten etc. pp. sehe ich sehr wohl ein Gemeininteresse und einen Mehrwert.

Soviel zu Schlußsatz – da kommt gerade frisch etwas rein:

Auf der Internetseite www.wheelmap.org können barrierefreie Orte gesucht, gefunden und selber angelegt werden. Dabei helfen die Fotos von Google StreetView, da sie die Beschaffenheit des Ortes auf einen Blick zeigen.

Quelle: Ebendort. Aber kann man dies nicht auch schon mit Google-Maps? Dort kann man doch auch Kommentare und Bilder einpflegen. Diese Anwendung an sich finde ich sehr gut. Aber braucht es dafür Streetview, oder könnte man mit „weniger“ auskommen?

Ich gönne euch ja den Spass an Streetview – es geht mir nur echt auf den Sack, dass Streetview-Gegner als Datennazis und ähnliches bezeichnet werden. Einige Freunde der Meinungsfreiheit und des Datenschutzes keulen schlimmer als kanadische Seehundjäger, wenn es um das bunte Spielzeug „Streetview“ geht.