[Update 2] Bescheinigung der finanziellen Unabhängigkeit

Manchmal ist es fast zu leicht, den Staat mittels zivilen Gehorsams die Dummheit des angewandten Rechts zu demonstrieren. Wenn ich bei NTV lese:

Das Kölner Landgericht verbietet mit einer einstweiligen Verfügung der Westlotto GmbH, Hartz-IV-Empfängern Spielscheine zu verkaufen. Eine schockierende und skurrile Entscheidung, findet das Unternehmen. Denn wie soll der Verkauf verhindert werden? Es herrscht Ratlosigkeit.

bleibt mir das Lachen erst im Halse stecken, um danach wesentlich orkanähnlicher aus mir herauszubrechen.

Den Verkauf verhindern ist doch ganz einfach: Jeder Bürger, der gern Lotto spielen möchte, schreibt seine Arge an und bittet um Bestätigung, dass er eben KEIN Hartz IV empfängt. Diese Bestätigung kann er nun an der Verkaufsstelle vorlegen und somit nachweisen, dass die Lottogesellschaft ihn an der nächsten Ziehung teilnehmen lassen darf.

Aber Vorsicht: Diese Bestätigung ist nur im Monat der Ausstellung gültig, da der Inhaber ja nahezu täglich seine Anstellung verlieren und dann eben doch zum Hartz IV Empfänger werden kann. Deshalb ist die „Nichtempfangsbestätigung“ jeden Monat zu aktualisieren.

Ein wunderbarere Nebeneffekt dieser amtlichen Arbeitsbescheinigung ist, dass sie auch vorgelegt werden könnte bei:

  • Verkauf von Alkoholika
  • Verkauf von Rauchwaren
  • Besuch von Kino und Theater
  • Erwerb von „Bio-Lebensmitteln“
  • Erwerb von 1-Klasse Tickets der Bahn
  • Erwerb von Flugtickets
  • und später dann: Verlassen des Wohnortes/Betreten besonderer Bezirke
  • Noch später wird den Hartz IV Empfänger dann einfach eine Tätowierung verpasst.

Liebes Landgericht Köln, ihr seid ganz weit vorn mit dieser Entscheidung! Das ist doch mal so richtig innovativ. Und Bayern wird Köln nach dieser Heldentat bestimmt eingemeinden.

[Update]

Ich habe eben telefonischen Kontakt zur Arge Hamburg gehabt: Es gibt diese „Bescheinigung der finanziellen Unabhängigkeit“. Man kann diese persönlich abholen – man muss nur den Personalausweis mitbringen. DAS wäre doch mal ein genialer, bundesweiter Flashmob *gg*

[Update2]

Siehe auch hier -> 01.04.2011 ist Tag der finanziellen Unabhängigkeit

Sehr geehrter Herr Seehofer

Irritiert nahm ich die im Focus folgende dpa-Meldung zur Kenntnis:

Als Verteidigungsminister ist Karl-Theodor zu Guttenberg zurückgetreten. In Berlin herrscht weiter Unklarheit darüber, er auch sein Bundestagsmandat aufgibt. Ein Mitarbeiter seines Parlamentsbüros verwies auf die Rücktrittserklärung zu Guttenbergs. «Es gilt das gesprochenen Wort», sagte er. Nach Angaben von CSU-Chef Horst Seehofer will die Partei im «nötigen Abstand» mit dem bisherigen Verteidigungsminister darüber reden, was er unter der Aufgabe aller politischen Ämter versteht.

Was sehr geehrter Herr Seehofer gibt es an dem Satz – mit dem Ihr Parteifreund und Ex-Dr. und Ex-Verteidigungsminister zu Guttenberg seine Rücktrittsrede begann – misszuverstehen?

Ich habe die Bundeskanzlerin in einem freundschaftlichen Gespräch informiert, dass ich mich von meinen politischen Ämtern zurückziehen werde – und um meine Entlassung gebeten.

Von Kindern ist bekannt, dass sie nur für eine kurze Zeit ihre Aufmerksamkeit auf eine einzelne Aktion konzentrieren können. Aber mal ehrlich Herr Seehofer: Sind sie noch ein Kind? Oder anders gefragt: Wie überlebt man als Ministerpräsident Bayerns und Vorsitzender der CSU, wenn man von einer Rede nicht mal den ersten Satz versteht und intellektuell verarbeiten kann? Oder sehen Sie das Bundestagsmandat nicht als politisches Amt, sondern als Gnadenbrot für Zivilversager an?

 

Die Qual der Wahl – Parteienlandschaft 2011 in Deutschland

Es ist „reizende“ Tradition, dass ich periodisch meine Gedanken zur aktuellen Landschaft politischer Parteien in Deutschland festhalte. Diesmal wird die Betrachtung etwas gröber, da ich die Tagespolitik, wie Stuttgart 21 etc, weitgehend aus diesem Artikel heraus halten werde.

Fangen wir mit der CDU an: Die CDU stellt auf Bundesebene die derzeit stärkste Partei. Die „Christlich Demokratischen Union“ hat sich leider weitestgehend von den im Namen verankerten christlichen Werten verabschiedet. Vielleicht sollte sie sich umbenennen in „Club Der Unternehmen“, ein Spottbegriff den ich erstmals um 1970 herum in der Schule aufschnappte. Die Politik der CDU steht für Tradition im Sinne von „Stabilität der Wirtschaft“ – auch auf Kosten der Menschen dieses Staates. Die Belange der Menschen wandern nur dann in den Fokus, wenn damit der Wirtschaft gedient wird. Diese Partei sollte für Arbeiter und Angestellte eigentlich unwählbar sein.

Als nächstes kommen wir mal – weil sie mit in der Bundesregierung sitzt – zu der FDP. Die FDP. Die Freie Demokratische Partei ist die Partei der neureichen Emporkömmlinge, die mit aller Macht schnell nach ganz oben wollen. Tradition und alte Werte gelten hier wenig. Grösstes Problem der FDP ist, dass sich viele FDP-Mitglieder (in völliger Selbstüberschätzung) als intellektuelle Elite des Landes ansehen und aufgrund dieser Überheblichkeit teilweise massivste Fehlentscheidungen treffen. Für Intellektuelle sowie Arbeiter und Angestellte absolut unwählbar.

Ebenfalls zur derzeitigen Bundesregierung gehört die gern (im Norden) vergessene CSU. Die Christlich Soziale Union ist weitestgehend von den Zielsetzungen mit der CDU gleich zu setzen, allerdings gibt es einen grossen Unterschied: Die CSU ist bundesweit ausschliesslich in Bayern vertreten und ist aufgrund einiger lokaler Besonderheiten aggressiver aber auch weltabgewandter als die CDU.

Kommen wir nun zu den Grünen. Die Grünen waren einmal die Partei der alternativen Menschen, die es gut mit uns und dem Planeten meinten. Diese Zeiten sind allerdings lange vorbei. Heute sind die Grünen die Partei, die hinter sich diejenigen versammelt, die einmal um die halbe Welt in den Urlaub fliegen (damit die CO²-Bilanz versauen), SUVs fahren und als „modernen Ablaß“ die Grünen wählen. Mit echter „grüner Politik“ haben die Grünen leider schon lange nichts mehr zu tun. Aufgrund dieser Lebenslüge: Für alle Bevölkerungssschichten damit unwählbar.

Kommen wir zu den armen Wichten, der SPD. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands rekrutierte ihre Wähler ehemals aus den Reihen der „einfachen“ Menschen. Arbeiter und Angestellte waren eine feste Bank an Stammwählern. Das Problem der SPD kann man an einem Namen festmachen: Gerhard Schröder. Der Altkanzler Schröder punktete bereits auf Landesebene mit besten Kontakten zur Wirtschaft, welche er als Kanzler auch auf Bundesebene für seine Partei ausbaute und nutze. Dabei wurden leider die ehemaligen Stammwähler nicht nur vergessen, sondern auch verraten. Mit dem Weggang Schröders steht die SPD nun vor dem nichts. Die Kontakte zu den Unternehmen sind mit Schröder gegangen – der Kontakt zu Arbeitern und Angestellten ist immer noch massiv gestört und nicht wieder hergestellt.

Als Folge der Erosion der SPD sind in Deutschland zwei neue Parteien entstanden, die für mich die beiden einzig wählbaren sind, und in meinen Augen einige Gemeinsamkeiten haben, zu denen ich am Ende noch etwas schreiben werde.

Die Partei „Die Linke“ ist entstanden aus der Verschmelzung von Resten der PDS sowie der WASG. Typischerwiese wird der Linken vorgeworfen auch ehemalige PDSler in den Reihen zu halten – dass auch CDU und SPD ehemalige PDSler mit Kusshand aufnehmen wird gern ignoriert. Die Linke hat das Problem, dass sie und ihre Ziele von den (konservativ berichtenden!) Medien entweder ignoriert oder gar verunglimpft wird. Die Linke steht historisch für die Rechte der kleinen Menschen, wird aber von ihrer Klientel (durch Einfluss der Medien) nicht identifiziert.

Als letzte Partei erwähne ich hier die Newcomer der politischen Landschaft. Die Piraten haben – im Gegensatz zu den anderen Parteien – keine Wählerschaft, die sich aufgrund der gesellschaftlichen Stellung mit den Zielsetzungen der Partei identifizieren, sondern aufgrund einer freiheitlich-demokratischen Orientierung. Insofern würde ich persönlich (sicherlich übertrieben) die Piraten als Partei zum Schutz der Grundrechte bezeichnen. Rekrutierten sich die Piraten ehemals als „Internetpartei“ aus den Reihen der Computerfreaks, so haben sie mittlerweile den Sprung in die Gesellschaft geschafft. Ich prognostiziere den Piraten – solange die etablierten Parteien in Deutschland so massive Probleme mit der Interpretation der Grundrechte haben – eine stets wachsende Wählerschaft.

Nun noch zu der Gemeinsamkeit zwischen Piraten und Linken: Im krassen Gegensatz zur CDU, die vor allem ein schweigendes Wahlvolk „gezüchtet“ hat, sind die Wähler der Linken und der Piraten deutlich aktivere Menschen. Anhänger dieser Parteien haben noch persönliche Ziele, welche sie innerhalb und mit Hilfe der Partei versuchen zu erreichen. Diese – generell – zu begrüssende Eigenschaft der Mitglieder schafft allerdings im Bereich Konsensbildung Probleme, da sehr viele unterschiedliche Bedürfnisse „unter einen Hut“ gebracht werden müssen. Dieses wird gern als „zerstritten“ interpretiert, ist aber am Ende nur ein Zeichen für demokratische Parteien deren Mitglieder sich am Prozess der politischen Meinungsbildung aktiv beteiligen.