Sommerpause am Beispiel der Gewerkschaften

Früher – so zu Zeiten als jeder „Arbeiter“ grundsätzlich in der Gewerkschaft war – waren die Gewerkschaften die Speerspitze der Sozis. Wer gewerkschaftlich organisert war, wählte SPD – also alle Arbeiter und Angestellten. Denn die SPD war die Partei der arbeitenden Klasse. Daraus ergab sich, dass die Gewerkschaften natürlich die SPD unterstützten, denn diese vertrat ihre Interessen. Erinnert ihr euch an Wahlkampf vor 20 – 30 Jahren (Naja, ihr „jungen Leser eher nicht – ich spreche von den Weisspelzen^^)? Da waren SPD-Wahlkampfveranstaltungen und Gewerkschaftsversammlungen nur an der Aufschrift der „Bannerwerbung“ zu unterscheiden.

Diese Zeiten sind vorbei – die SPD leidet gerade darunter. Aber was tun eigentlich die Gewerkschaften? Diese heulen ebenso dicke Tränen, wie die SPD-Führung:

Nach dem Sieg von Schwarz-Gelb bei der Bundestagswahl befürchten die Gewerkschaften Sozialabbau.

kann man der Tagesschau entnehmen. Ach, da melden sich die Gewerkschaften zwischen Sommerpause und Winterschlaf nochmal kurz zu Wort? Und wo war deren Wahlkampf? Ich weiss schon, warum ich den Gewerkschaften nicht mehr traue.

Marketing ist, wenn man über dich spricht. Oder was sind #Piraten+

Die Piraten werden zur Zeit wie eine Sau durch die Ödniss des Wahlkampfes getrieben. Jeder hat eine Meinung, jeder eine Befindlichkeit und jeder will die Piraten beeinflussen und/oder zumindest seine Meinung loswerden. Die Nation der aktiven „Meiner“ ist gespalten. Einig ist man sich nur ein einem: Die Piraten haben genau SO zu sein, wie es jeder Einzelne gerne hätte. Aber wären die Piraten dann noch DIE Piraten?

Piraten sind zuerst einmal eines: FREI! Piraten müssen diese Freiheit – in jeder Hinsicht – besitzen um Piraten zu sein, sonst wären sie höchsten Freibeuter. Was viele nicht verstehen ist, wie Freiheit funktioniert und vor allem wie sie umgesetzt wird. Da wird gerade aktuell von allen Betroffenheitsfürsten kritisiert, dass ein Pirat der „falschen“ Zeitung ein Interview gegeben hat. Aus welcher hirntoten Ecke wird versucht einem Menschen zu erklären, mit wem man spricht? Haben diejenigen, die der Mitte zugerechnet werden auch ein Sprechverbot in Richtung Links? Leben wir Menschen nicht vom Austausch? Besteht nicht die Möglichkeit Grenzen aufzuweichen, indem man kommuniziert? Gerade diejenigen, die das Interview mit dem „falschen“ Medium kritisieren, wünschen sich mit der Piratenpartei eine weitere Partei, die sich an Parteibuch und Links<->Rechts-Zugehörigkeit orientiert. Es sind bemerkenswerter Weise genau diejenigen die gegen Fraktionszwang wüten, die jetzt erklären: Piraten müssen sich SO verhalten. Warum? Wenn es um eine Sache geht, geht es um eine Sache. Da hat jegliches Standes- oder Parteiengeklüngel keinen Platz.

Was würde passieren (keine Bange, eher friert die Hölle ein), wenn die CDU all die Wünsche der Linken anfängt zu erfüllen, die sich da um Freiheit, Transparenz, Umweltverantwortung und echter Sozialkompetenz drehen? Würde man dagegen stimmen müssen, weil es aus den Reihen der „bösen“ CDU kommt?

Die Kleingeister dieser Republik entarnen sich durch teilweise wirre Anschuldigungen und hahnebüchenen Forderungen. Sie speien Gift und Galle – ich sehe es und frage mich: Warum? Warum nicht die alten Regeln aufbrechen und ein Miteinander versuchen? Leider ist es deutlich einfacher zu nörgeln und zu kritisieren, als es besser zu machen (gerade ich – als steter Nörgler – kenne mich da aus).

Ich will nicht vergessen auch festzustellen, dass es im Piratenumfeld Menschen gibt, die sich nicht zu benehmen wissen oder die „bemerkenswerte“ Ansichten haben. Die Frage ist, ob diese Wenigen(!!) den Weg der Piraten prägen oder „nur“ wahrgenommen werden. Wenn man den Piraten vorwirft: „Da ist einer, der geht gar nicht, deshalb sind die Piraten unwählbar“, so ist dies ähnlich als wenn ich die Behauptung aufstelle: Ich kenne ein paar Dänen die sich mit zollfreiem Alkohol betrunken haben und daraus die Behauptung ableite, alle Dänen wären Alkoholiker. Es ist billig und einer Kommunikation mit den Dänen nicht förderlich. Das Gegenteil ist der Fall, ich grenze aus. Aber vielleicht ist dies ja genau die Intention der ewigen Nörgler (auch und am aktivsten aus der eher „linken“ Ecke).

Die Piraten sind – nach meiner Auffassung – eine Partei mit Sachthemen, und genau darum geht es. Es geht nicht um Links, rechts und alte Zöpfe. Wenn wir weiterhin auf dieser Links-Rechts-Ebene kommunzieren wollen, können wir den GANZEN Laden gleich dicht machen. Es geht um Probleme, die anzupacken sind. Wenn Du am Ertrinken bist, lässt Du dir erstmal das Parteibuch des Rettungsschwimmer zeigen? Scheiss drauf, solange er mich aus dem Wasser zieht. Ob ich später mit ihm trinken gehe und wir Freunde werden, steht auf einem anderen Blatt. Aber warum eigentlich nicht. Manchmal ist es der Reiz einer Freundschaft, eben NICHT ein intellektueller Zwilling zu sein, sondern seine Standpunkte freundschaftlich miteinander zu messen. Ich habe das Recht nicht gepachtet – DU?

Wähle was Du willst (ich werde die Piraten wählen) aber lasse uns weiterhin versuchen auf Augenhöhe zu reden ohne uns gegenseitig anzugiften.

TV-Duell war einmal – nun kommt das Internet-Duell

Ist es nicht schön: Steinmeier und Merkel wollen kein weiteres Fernsehduell austragen.

Nach Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat auch SPD-Herausforderer Frank-Walter Steinmeier die Teilnahme an weiteren Fernsehdebatten vor der Bundestagswahl abgesagt. (Quelle Spiegel)

Ich finde dies ist eine konsequente Umsetzung der Erfahrungen aus dem Obama-Wahlkampf: Die Schlacht wird ins Internet verlegt. Es treten nicht mehr die Profis an, sondern die Wadenbeisser werden ins Internet gelassen. Auf allen Seiten. Schöne Beispiele sind (und ich integriere hier bewusst keine Links) Verbalkämpfe gegen Dieter Nuhr, der sich (auf seine bekannte Art) mit der Piratenpartei beschäftigt hat und von „kleinen Jungs“ argumentationslos runtergemacht wurde. Wie kann er es auch nur wagen etwas gegen die Piratenpartei zu sagen? Das ich Mitglied der Piratenpartei bin ist kein Geheimnis, aber man muss doch nicht auf alles reagieren! Einfach mal die Klappe halten und Kritik auch mal wirken lassen – könnte doch was dran sein. Aber im Internet darf – ja MUSS – man die Klappe aufreissen.

Auf einem anderen Schauplatz wird ein Pirat dafür runtergeputzt, dass er dem falschen Medium ein Interview gab. Ja, aber HALLO! Wie kann er nur? Auch das Eingestehen eines Fehlers und eine Entschuldigung wird nicht als Ende der Auseinandersetzung akzeptiert. Das war was und das MUSS bis zum Erbrechen immer und immer wieder ausgewälzt werden. Eine Metadiskussion ist die Folge.

Manchmal frage ich mich, ob manche Leute eigentlich noch einen letzten Funken Selbstreflektion und Anstand behalten, wenn sie sich hinter die Tastatur setzen. Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden. Wo bleibt die grosse Akzeptanz, die vielbeschworene Offenheit „des Netzes“? WIR Netzaktiven verhalten uns teilweise schlimmer als die Kids im Kindergarten, wenn man ihnen die Schaufel weggenommen hat.

Die Netiquette von 1995 sollten wir uns ALLE noch einmal vor Augen halten (Auszüge):

1. Vergessen Sie niemals, dass auf der anderen Seite ein Mensch sitzt!

Wenn sie ihre Artikel verfassen, denken viele Leute leider nicht daran, dass die Nachrichten nicht von Computern gelesen werden, sondern von anderen Menschen.  Ihre Nachricht kann nicht nur von Leuten im deutschsprachigen Raum gelesen werden, sondern auf der ganzen Welt. Lassen Sie sich also besser nicht zu verbalen Ausbrüchen hinreissen.  Bedenken Sie: Je ausfallender und unhöflicher Sie sich gebärden, desto weniger Leute sind bereit, Ihnen zu helfen, wenn Sie selbst einmal etwas brauchen.  Eine einfache Faustregel: Schreiben Sie nie etwas, was Sie dem Adressaten nicht auch vor anderen Leuten ins Gesicht sagen würden.

2. Erst lesen, dann denken. Noch einmal lesen, noch einmal denken. Und _dann_ erst posten!

Die Gefahr von Missverständnissen ist bei einem schriftlichen Medium besonders hoch. Vergewissern Sie sich mehrmals, dass der Autor des Artikels, auf den Sie antworten wollen, auch das gemeint hat, was Sie denken. Insbesondere sollten Sie darauf achten, ob nicht vielleicht Ironie, Sarkasmus oder eine ähnliche Variante des Humors benutzt wurde, ohne ihn mit dem Smiley-Symbol „:-)“ zu kennzeichnen.

Wenn wir „Netzbewohner“ uns nichtmehr an alte Errungenschaften, wie ein kultiviertes – gern auch kontrovereses – miteinander, besinnen köenne, wie wollen wir das Anderen vermitteln? Auch wir haben eine Verpflichtung: Mit gutem Beispiel voran zu gehen, denen da draussen im Realleben zu zeigen, dass wir keine Freakshow, sondern Menschen sind mit denen man sich sehr wohl auseinander setzen kann. Ihr wollt als $Partei-Sympathisant ernst genommen und geachtet werden? Dann gesteht dieses auch eurem Gegenüber zu.

Das ausgerechnet ICH sowas nochmal schreibe(n muss), hätte ich auch nicht gedacht. Aber wenn ich mir anschaue, wie sich einige der Leute mit denen ich gemeinsam(!) etwas erreichen möchte aufführen, wird mir schwindelig.