Steinmeier zeigt uns wie scheisse unsere Gesellschaft ist

Frank-Walter Steinmeier hat seiner erkrankten Frau eine Niere gespendet. So weit so gut.

Sollte dieses Verhalten nicht selbstverständlich sein? Sollte es nicht normal sein, für seinen Partner wirklich alles zu geben?

Ich kritisiere nicht den Menschen Steinmeier, sondern vielmehr die Medien und unsere verkommene Gesellschaft, dass die Spende einer Niere unter Eheleuten solch eine Welle auslöst.

Um wie vieles schöner, wäre eine Gesellschaft in der die Frage „Was macht der Steinmeier eigentlich“ mit einem lapidaren „der ist im Krankenhaus und spendet seiner Frau einer Niere“ beantwortet wird und dieses wiederum nur ein „Achso, ich wunderte mich nur – hab ihn seit Tagen nicht gesehen“ hervorruft.

Überlegt euch mal, wie glücklich man sein kann, wenn man durch das Geben eines Körperteils an seinen Partner, sein Leben verlängern oder lebenswerter machen kann. Aber unsere Gesellschaft rechnet nur in Werten die man auf Bankkonten und in Schliessfächern verwahren kann. Schade eigentlich.

Und nebenbei wünsche ich allen derzeit Kranken oder in Behandlung befindlichen Menschen eine gute Besserung.

TV-Duell war einmal – nun kommt das Internet-Duell

Ist es nicht schön: Steinmeier und Merkel wollen kein weiteres Fernsehduell austragen.

Nach Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat auch SPD-Herausforderer Frank-Walter Steinmeier die Teilnahme an weiteren Fernsehdebatten vor der Bundestagswahl abgesagt. (Quelle Spiegel)

Ich finde dies ist eine konsequente Umsetzung der Erfahrungen aus dem Obama-Wahlkampf: Die Schlacht wird ins Internet verlegt. Es treten nicht mehr die Profis an, sondern die Wadenbeisser werden ins Internet gelassen. Auf allen Seiten. Schöne Beispiele sind (und ich integriere hier bewusst keine Links) Verbalkämpfe gegen Dieter Nuhr, der sich (auf seine bekannte Art) mit der Piratenpartei beschäftigt hat und von „kleinen Jungs“ argumentationslos runtergemacht wurde. Wie kann er es auch nur wagen etwas gegen die Piratenpartei zu sagen? Das ich Mitglied der Piratenpartei bin ist kein Geheimnis, aber man muss doch nicht auf alles reagieren! Einfach mal die Klappe halten und Kritik auch mal wirken lassen – könnte doch was dran sein. Aber im Internet darf – ja MUSS – man die Klappe aufreissen.

Auf einem anderen Schauplatz wird ein Pirat dafür runtergeputzt, dass er dem falschen Medium ein Interview gab. Ja, aber HALLO! Wie kann er nur? Auch das Eingestehen eines Fehlers und eine Entschuldigung wird nicht als Ende der Auseinandersetzung akzeptiert. Das war was und das MUSS bis zum Erbrechen immer und immer wieder ausgewälzt werden. Eine Metadiskussion ist die Folge.

Manchmal frage ich mich, ob manche Leute eigentlich noch einen letzten Funken Selbstreflektion und Anstand behalten, wenn sie sich hinter die Tastatur setzen. Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden. Wo bleibt die grosse Akzeptanz, die vielbeschworene Offenheit „des Netzes“? WIR Netzaktiven verhalten uns teilweise schlimmer als die Kids im Kindergarten, wenn man ihnen die Schaufel weggenommen hat.

Die Netiquette von 1995 sollten wir uns ALLE noch einmal vor Augen halten (Auszüge):

1. Vergessen Sie niemals, dass auf der anderen Seite ein Mensch sitzt!

Wenn sie ihre Artikel verfassen, denken viele Leute leider nicht daran, dass die Nachrichten nicht von Computern gelesen werden, sondern von anderen Menschen.  Ihre Nachricht kann nicht nur von Leuten im deutschsprachigen Raum gelesen werden, sondern auf der ganzen Welt. Lassen Sie sich also besser nicht zu verbalen Ausbrüchen hinreissen.  Bedenken Sie: Je ausfallender und unhöflicher Sie sich gebärden, desto weniger Leute sind bereit, Ihnen zu helfen, wenn Sie selbst einmal etwas brauchen.  Eine einfache Faustregel: Schreiben Sie nie etwas, was Sie dem Adressaten nicht auch vor anderen Leuten ins Gesicht sagen würden.

2. Erst lesen, dann denken. Noch einmal lesen, noch einmal denken. Und _dann_ erst posten!

Die Gefahr von Missverständnissen ist bei einem schriftlichen Medium besonders hoch. Vergewissern Sie sich mehrmals, dass der Autor des Artikels, auf den Sie antworten wollen, auch das gemeint hat, was Sie denken. Insbesondere sollten Sie darauf achten, ob nicht vielleicht Ironie, Sarkasmus oder eine ähnliche Variante des Humors benutzt wurde, ohne ihn mit dem Smiley-Symbol „:-)“ zu kennzeichnen.

Wenn wir „Netzbewohner“ uns nichtmehr an alte Errungenschaften, wie ein kultiviertes – gern auch kontrovereses – miteinander, besinnen köenne, wie wollen wir das Anderen vermitteln? Auch wir haben eine Verpflichtung: Mit gutem Beispiel voran zu gehen, denen da draussen im Realleben zu zeigen, dass wir keine Freakshow, sondern Menschen sind mit denen man sich sehr wohl auseinander setzen kann. Ihr wollt als $Partei-Sympathisant ernst genommen und geachtet werden? Dann gesteht dieses auch eurem Gegenüber zu.

Das ausgerechnet ICH sowas nochmal schreibe(n muss), hätte ich auch nicht gedacht. Aber wenn ich mir anschaue, wie sich einige der Leute mit denen ich gemeinsam(!) etwas erreichen möchte aufführen, wird mir schwindelig.

Die SPD auf dem Weg zur Einheitspartei?

Gerade vor einer Stunde habe ich mit meiner Prinzessin ergründet, was wohl das Problem der ehemaligen Partei der kleinen Leute – der SPD – sein mag. Wir stellten diverse Probleme fest.

Die SPD ist nicht mehr die Partei der Arbeiter und Angestellten.

Früher, so vor 40 Jahren noch, war es für den Arbeiter klar: Er war Gewerkschaftsmitglied und wählte SPD. Die SPD kümmerte sich um die Belange der „kleinen Leute“. Der Politiker der SPD wusste, was seine Stammwähler von ihm erwarteten und dieses versuchte er zu erkämpfen. Heute bemüht sich der SPDler eher um seine Nebeneinkünfte  und den Job, den er nach der aktiven Dienstzeit innehaben will. Ob Gerhard Schröder wirklich all seine gutbezahlten Posten hätte, wenn er stets den kleinen Leuten zur Seite gestanden hätte? Diese Frage muss erlaubt sein. Wessen Interessen vertritt ein Politiker, der nebenbei in diversen Aufsichtsräten sitzt? Vertritt er die Interessen der Arbeiter?

Die SPD wird nicht durch Konsens angeführt

Wenn ich gestern im Spiegel lese:

Angesichts dieser Krisensignale sehen sich SPD-Chef Franz Müntefering und Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier genötigt, die Genossen zu Geschlossenheit und Disziplin zu ermahnen.

dann zeigt dies doch, dass die Parteiführung jegliche Kommunikation und Meinungsbildung unterhalb ihrer eigenen Position nicht mehr wünscht. Anbetracht der jüngsten Entscheidungen aber täten der SPD aber ein paar lokale Stimmen gut, die erklären „Ich unterstütze den Zensur- und Überwachungsstaat nicht“. Mittels dieses Maulkorbs werden so weitere Restwähler abgeschreckt und wichtige Prozentpunkte gehen verloren.

Die SPDler haben die Bodenhaftung verloren

Dem Oskar Lafontaine wird vorgeworfen, dass er eine Schwäche für teuren Rotwein hat. Das könnte böse sein. Wenn aber dieser gutbezahlte Lafontaine die Meinung der kleinen Leute mit dem Rotweinglas von der Terasse eines Chalais in Südfrankreich aus vertritt, so ist mir dies deutlich lieber, als von einem SPDler mit einem Mettbrötchen in der Hand verarscht zu werden. Wo sind die SPDler vom Schlag eines Norbert Gansel? Aus dessen Wikipediaeintrag zitiere ich zu gern:

Gansel hatte keine Nebenjobs und er nahm keine Spenden von Firmen oder Verbänden an und veröffentlichte seine Einkünfte und deren Herkunft auf seiner Homepage. Um den Kontakt zur beruflichen Realität nicht zu verlieren, machte er einmal im Jahr ein „Praktikum“ bei einer Werft, bei der Post oder im Bergwerk.

Wo ist die Bodenhaftung bei den heute bekannten SPDlern? Die hauen sich doch bei den Aufsichtsratssitzungen ebenfalls Wein in den Schädel und knabbern Krabbenbrötchen!

Ich hoffe nur, dass sich die „neue Linke“ (für mich ein Synoym für die Parteien Grüne, die Linke und Piratenpartei) gemeinsam und erfolgreich gegen die Riege der satten, alten Herren (zu denen ich CDU/CSU als auch SPD zähle) stellen kann. Ansonsten werden wir hier in Deutschland wohl bald eine neue NKPD (Neue Kapitalistenpartei Deutschlands), bestehend aus CDU/CSU und SPD haben. Man könnte diese Partei auch Einheitspartei nennen.