Liegt es an der SPD? Alkoholverbot im Hamburger Verkehrsverbund

Seit über einem Jahr – anfangs unter der Federführung der CDU – soll durch die Politik im Hamburger Nahverkehr ein 100%iges Alkoholverbot eingeführt werden.

Im Jahr 2009 (irgendwann im September) telefonierte ich – anlässlich der Einführung des Alkoholverbotes im Regionalzugs „Metronom“ –  mit dem Sprecher der Hamburger Hochbahn AG. Dieser erklärte mir – sehr freundlich – dass in der Hamburger Hochbahn kein Alkoholverbot zu erwarten sei. Es gebe keine schlechten Erfahrungen mit der Einnahme eines „Feierabendbieres“ und durch die kurzen Verweilzeiten – im Vergleich zum Metronom – würden die Fahrgäste sich auch nicht während der Fahrt betrinken. Und wer schon betrunken einsteigt, wird vom Alkoholverbot eh nicht getroffen.

Das war 2009. Noch im November 2010 meldete sich die Hamburger Hochbahn AG mittels Pressemitteilung wie folgt zu Wort:

Generelles Alkoholverbot nicht zielführend

11. November 2010

Ein generelles Alkoholverbot im Personennahverkehr hält die Hamburger Hochbahn AG (HOCHBAHN) für nicht zielführend. Die HOCHBAHN teilt damit die aktuelle Einschätzung der Verkehrsministerkonferenz.

„Die Allgemeinen Personenbeförderungsbedingungen reichen schon heute vollkommen aus, jemanden der sich in unseren U-Bahnen und Bussen daneben benimmt, an die frische Luft zu setzen – unabhängig ob derjenige Alkohol konsumiert hat oder nicht“, betont der Vorstandsvorsitzende der HOCHBAHN Günter Elste. Dies wird von den Mitarbeitern der HOCHBAHN-WACHE konsequent umgesetzt.

Ein Einschreiten bei friedlichem Alkoholkonsum und bei unauffälligen Fahrgästen könnte eine unnötige Eskalationsstufe mit sich bringen. Die Verhältnisse in den U-Bahnen und Bussen der HOCHBAHN sind zudem nicht vergleichbar mit der Situation in den Zügen des metronoms, der dort ein Alkoholverbot umgesetzt hat. „Die Probleme mit stark alkoholisierten Fahrgästen auf einer vergleichweise langen Fahrt, die den metronom zu einem solchen Schritt veranlassten, finden wir in den U-Bahnen und Bussen im Stadtverkehr Hamburg so nicht wieder“, sagt HOCHBAHN-Chef Elste.

Ist eine vernünftige Ansage. Und sogar fast aktuell. Aber eben nur fast, denn heute lese ich beim NDR:

Jetzt ist es amtlich: Spätestens nach den Sommerferien soll in den Bussen und Bahnen des Hamburger Verkehrsverbundes (HVV) ein Alkoholverbot gelten. Das bestätigte ein HVV-Sprecher NDR 90,3 am Donnerstag. Fahrgästen, die sich nicht daran halten, droht ein Bußgeld von 40 Euro.

Ich bin mir sehr-sehr sicher, dass diese Entscheidung eine politische und keine der Hochbahn ist. Die betrunkenen Hafengeburtstagsbesucher, Fussballfans und andere werden weiterhin ihren Odem in meine Richtung hauchen und im worst-case auf den Boden kotzen. Die schlimmsten Alkis betrinken sich nämlich nicht während der Fahrt, sondern schon vorher. Aber dies wird den Politiker, die stets auf die dunklen Karossen der Fahrbereitschaft zurückgreifen können und eher selten mit der Bahn fahren werden, nicht wissen. Hauptsache verbieten.

Für das Protokoll: Es ist viele Jahre her, dass ich das letzte mal in der Bahn alkoholische Getränke zu mir nahm. Ich glaube es war ein Bier in einem ICE.

Die Nicht-Schulreform in Hamburg

Hamburger Bürger haben entschieden: Es bleibt eher beim Alten, als dass sich Hamburgs Bildung mal einen Schubs gibt und auch nicht ganz so privilegierten Kindern eine bessere Chance gibt an einer besseren Bildung teil zu haben.

Meine 13jährige Tochter erklärte ihrem alten tüdeligen Vater, dass eine Verlängerung des gemeinsamen Schulbesuchs bedeute, dass die „besseren“ Schüler gebremst werden. Und schon heute das Erlangen des Abiturs – durch die verkürzte Zeit auf 12 Jahre – mehr Stress für die Kinder bedeuten würde als noch vor 5 Jahren. Ein Argument, welches nicht von der Hand zu weisen ist. Bemerkenswert ist allerdings, dass meine – ansonsten mit SEHR weitreichender sozialer Intelligenz ausgestatteten – Tochter ausschliesslich die Argumente GEGEN ein weitergehendes gemeinsames Lernen zur Hand hatte.

Der Grund dafür ist klar. Sie hat das Glück in einer „besseren“ Gegend auf die Schule gehen zu dürfen. Sie ist umgeben von den Kindern eben jener Ärzte, Rechtsanwälte etc. pp., die eben ein Interesse daran haben, so wenig wie möglich mit den Schmuddelkindern zu haben.

httpv://www.youtube.com/watch?v=bGhJbr7DMmg

Genau diese Haltung ist es aber, die eine bestehende Zweiklassengesellschaft manifestiert, oder wie es Udo Vetter gestern twitterte:

Herzlichen Glückwunsch an die Hamburger. Es wird auch zukünftig genug Müllmänner geben.

Sollte es nicht ein miteinander geben. Wo ist er, der soziale Rechtsstaat? Bei Wikipedia ist der Begriff wie folgt definiert:

Das Wort sozial (von lat. socius‚ gemeinsam, verbunden, verbündet‘) bezeichnet wechselseitige Bezüge als eine Grundbedingtheit des Zusammenlebens, insbesondere des Menschseins (der Mensch als soziales Wesen). Es taucht in mehreren Bedeutungen auf.

Verbunden, verbündet. Grundbedingtheit des Zusammenlebens. Und genau da liegt der Hase im Pfeffer: Man will doch gar nicht zusammen leben. Vielmehr ist man darauf bedacht sich abzukanzeln. Wir hier oben – ihr da unten, so soll es auch bleiben. Durchlässig nur nach unten. Wer abrutscht ist weg vom Fenster, wird vergessen.

Allerdings muss ich meiner Tochter auch recht geben, denn nur vom längeren zusammen lernen wird noch nicht alles gut. Warum nicht so konsequent umsetzen, dass man stets „Bis zum bitteren Ende“ zusammen lernt. Wer nach 9 Jahren den Übergang zur Erlangung der Mittleren Reife nicht schafft, geht nach 9 Jahren ab. Wer nach ELF Jahren den Übergang zum Abitur nicht schafft, geht mit der mittleren Reife ab. Nach 14-15 Jahren wird dann der Schüler seine Abiturprüfung ableisten dürfen.

Höre ich da Wehklagen und Gejammer?

httpv://www.youtube.com/watch?v=uQQm7bKJskM

Leiden wir nicht ohnehin an einer massiven Arbeitslosigkeit? Was kostet uns mehr: Uns um die Jugendlichen zu kümmern, die auf der Strasse sitzen und mit ihrer Zeit nichts anzufangen wissen und aus Langeweile und Frust Blödsinn machen? Oder in unser Schulsystem zu investieren, den Kindern auch mehr Zeit zum lernen zu geben und ihnen bessere Chancen auf einen qualifizierten Bildungsabschluss zu ermöglichen?

Ein Abfallprodukt der längeren Verweilzeit in der Schule wäre wahrscheinlich auch, dass die Schulabgänger reifer sind, besser wissen wohin der berufliche Weg gehen kann und soll. Wer von uns hat denn als 13 jähriger schon gewusst wohin ihn der Weg führen wird. Gymnasiasten müssen aber schon bevor sie 13 sind entscheiden ob Sie die französische Sprache erlernen oder Latein. Diese Entscheidung ist wichtig, zum Beispiel für Mediziner oder Juristen. Sollte diese Frage erst später zum tragen kommen, wäre da so einigen Heranwachsenden wohl eher geholfen.

Aber das alles picht uns doch nicht an. Das Schulsystem ist ein Produktionsprozess. In kurzer Zeit und mit wenig Investition muss das Ergebnis stimmen. Wenn die Ausschussquote  nicht die Gewinne unserer Wirtschaft behindert, ist uns auch der Ausschuss egal. Aber verdammt: Dieser „Ausschuss“ sind junge Menschen. Wertvolle nette Menschen, die von uns lernen wollen und uns so sehr viel zurück geben können. WENN wir sie als Menschen ansehen und alles tun, was in unserer Macht steht, um Ihnen ein Leben zu ermöglichen indem es ihnen möglich ist sich unserer Respekt zu erarbeiten.

Wie aber wollen wir Respekt erwarten von Menschen, denen wir die Möglichkeit versagen – im Gegenzug – von uns respektiert zu werden.

Es geht nicht um Menschen, es geht um Geld und um Abgrenzungen. Und wer das von uns so gewünschte System als asozial bezeichnet hat dazu alles Recht der Welt. Mehr Geld für Bildung wird erst zur Verfügung stehen, wenn die Wirtschaft das Bildungssystem kritisiert. Derzeit werden nur die Kosten bemängelt.