Verarmung mit System

Das Abrutschen breiter Bevölkerungsteile in den Bereich „Einkommensschwach“ habe ich hier bereits mehrfach thematisiert. Aus diesem Grunde möchte ich – der Vollständigkeit halber – auf einen Spiegel-Artikel hinweisen, der sich mit dem Thema beschäftigt und das perfide System beschreibt mit dem immer mehr Menschen planmäßig ihres Einkommens beraubt werden

Sie gründen Tochterfirmen, leihen sich Zeitarbeiter oder setzen auf Werkverträge: Immer mehr Unternehmen nutzen legale Winkelzüge, um Tarifvereinbarungen zu umgehen und Löhne zu drücken. Sogar Konzerne in Staatshand bedienen sich der Tricks

Es geht um die Post, die Mitarbeiter aus dem Staatsunternehmen ausgliedert um ihnen dann nicht den Tarif- sondern nur noch den Mindestlohn zahlen zu müssen. Auch die Bahn bekleckert sich nicht gerade mit Ruhm. Schlecker, der NICHT-Vorzeigekonzern, schließt Filialen um so allen Mitarbeitern zu kündigen und eben diese über eine Leiharbeitsfirma die nur noch 50% des ehemaligen Lohnes zahlt. Geführt wird diese Leiharbeitsfirma von einem ehemaligen Schlecker-Personalchef. Ein Schelm, wer da einen Plan vermutet.

Tja, und dank Hartz-IV können die Unternehmen eben so agieren:

Auch damit wäre Schlecker leider kein Einzelfall: Claudia Weinkopf von der Universität Duisburg-Essen glaubt, dass viele Unternehmen die zusätzliche Leistung als willkommenen Anlass sehen, niedrige Löhne zu zahlen. „Ein Drittel der Aufstocker im Westen und noch mehr im Osten verdienen weniger als fünf Euro pro Stunde“, sagt die Arbeitsrechtsexpertin. Von einem Tariflohn können diese Arbeitnehmer nur träumen. Bei derart niedrigen Stundenlöhnen liege es nahe, dass manche Unternehmen die Grundsicherung missbrauchten, um die Arbeitskosten zu drücken.

Wenn zu viele Menschen aber ihr Einkommen mittels Hartz-IV aufstocken müssen, wer zahlt dann noch in die Kassen ein? Es MÜSSEN die Vielverdiener, die sich durch die Dumpinglöhne bereichern deutlich massiver zur Kasse gebeten werden. Ich bin für eine deutlichere Progression der Einkommenssteuer sowie die deutliche Anhebung des Höchststeuersatzes. Wir müssen zurück zu einem sozialen System. Die Zeit der Ausbeutung muss ein Ende gesetzt werden.

Hartz-IV kürzen um die Wirtschaft anzukurbeln

Der Vorsitzende des Sachverständigenrats der Bundesregierung, Wolfgang Franz, fordert eine grundlegende Reform der Hartz-IV-Gesetze. Das Arbeitslosengeld II müsse zu einem Kombilohn ausgebaut werden, sagte Franz unserer Redaktion mit Verweis auf ein Reformmodell des Sachverständigenrats. „Es beinhaltet als Kernstück eine Absenkung des Regelsatzes um 30 Prozent und gleichzeitig bessere Hinzuverdienstmöglichkeiten.“

kann man der RPOnline entnehmen. Erst wollte ich ja nichts dazu schreiben – ich muss nicht zu allem meinen Senf dazu geben. Da ich aber soeben auf einer Mailingsliste genötigte wurde, einen Schreiber zu kommentieren der dieses Vorhaben als positiv bewertete, kann ich meinen dortigen Take auch gleich hier verewigen.

Das geht ja wohl garnicht!

Als Ergebnis wird die in Deutschland verfügbare Arbeit noch weiter aufgesplittet und dann wird noch mehr verfügbare Arbeit durch Niedrigstlohnempfänger „abgearbeitet“.

Unser generelles Problem ist einfach, dass es zu wenig (bezahlbare!) Arbeit gibt um alle arbeitsfähigen Bürger mit einem sozialversicherungspflichtige Einkommen zu versorgen, dass es ihnen ermöglicht ihren Lebensunterhalt selbstständig zu bestreiten.

Dieser „Vorstoss“ nutzt der Gesellschaft wenig. Was wäre die Folge: Es verdienen zwar mehr Kleinarbeiter Geld, aber sie erhalten dennoch den vollen Hartz-IV Satz. Die Wirtschaft jubelt, denn jeder von Hartz-IV versorgte Mitarbeiter ist eine (von allen!) subventionierte Arbeitskraft.

Wo liegt an der Stelle eine Chance für die Gesellschaft? Der einzelne Hartz-IV-Abhängige erhält ein klitze-kleines bisschen das
Gefühl ein nützliches Mitglied der Gesellschaft zu sein, da er anstelle von 200€ das doppelte verdienen darf?

Als Unternehmen sehe ich Vorteile: Ich würde z.B. unsere Putzkräfte SOFORT entlassen und diese durch Billigarbeiter (will nicht sagen Hartz-IV Sklaven) ersetzen. Billiger kann ich Arbeitskraft gar nicht einkaufen.

Eine Lobeshymne auf Hartz-IV

Die Welt (welche ja bekanntlich zum .. Springerkonzern gehört) erklärt:

Hartz-IV-Gesetze haben für Beschäftigung gesorgt

und weiter:

Und selbst gering bezahlte Arbeit ist besser, als nicht gebraucht zu werden.

Ja, diesen Gedanken finde ich charmant. Es ist egal, ob man sich selbst in die Augen schauen kann und ob man mit dem Einkommen sich selbst (oder gar seine Familie) ernähren kann, Hauptsache man wird gebraucht.

Ich möchte deshalb auch einen Arbeitsplatz anbieten:

Zum nächstmöglichen Zeitpunkt suche ich einen menschlichen Punchingball, der mir für das Abarbeiten von Frustrationen mittels einfacher körperlicher Gewalt zur Verfügung steht. Der Bewerber sollte sich mit einem Einkommen von 12 Euro (im Monat!) zufrieden geben –  besser einen Job als nutzlos sein. Ehemalige menschenverachtende Redakteure des Springerverlages werden von mir an der Stelle ganz klar bevorzugt (da soll mir keiner mit Gleichberechtigung kommen!)

Genug der billigen Polemik meinerseits. Natürlich fühlt es sich DEUTLICH besser an, sein Geld selbst zu verdienen. Aber eine echte Selbstachtung erwächst nicht aus einem Beschäftigungsverhältnis, dass man mittels Hartz-IV aufstocken muss um seine Miete bezahlen zu können!

Um nochmals zum Artikel der Welt zurückzukommen. Dort kann man lesen:

Die positive Botschaft der Studie der Bertelsmann-Stiftung droht dabei unterzugehen: In kaum einem anderen Industrieland ist der Grad der Beschäftigung im vergangenen Jahrzehnt so stark gestiegen wie hierzulande. Die Reformen am Arbeitsmarkt und die Hartz-IV-Gesetze haben es ermöglicht.

Aha! Positive Botschaft. Schaun wir doch mal, was andere Quellen zu eben diesem Thema zu sagen haben:

Ende der 90er Jahre erzielten Geringverdiener noch 64 Prozent des Einkommens eines Arbeitnehmers mit mittlerem Einkommen, heute sind es nur noch 53 Prozent, wie eine Studie der Bertelsmann-Stiftung ergab.

Dieser Rückgang sei im internationalen Vergleich der stärkste in 20 Ländern der Organisation für Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD)

schreibt zum Beispiel die Tagesschau, dieses unternehmerfeindliche  Hetzmedium.

Auch die Süddeutsche schreibt etwas zu dem Thema, das ich recht „Welt-feindlich“ finde:

Wenn wir uns auf die globale Billiglohn-Olympiade einlassen, werden wir auch die Kinderarbeit wieder einführen müssen, denn die ist am billigsten.

..

Es kann auch kein Staat sehenden Auges eine Lohnpolitik hinnehmen, bei der er mit Sozialhilfe einspringen muss, um die Löhne auf das Existenzminimum aufzustocken. Dies würde Tür und Tor für die Ausbeutung des Staates durch die Arbeitgeber öffnen.

Genau DAS ist das Problem. Schon zu viele Arbeitsplätze werden durch Hartz-IV subventioniert.