Was die Welt als Fiktion niederschreibt – aber schon Realität ist

Gerade lese ich in der Welt folgende Zeilen:

Es wäre das härteste Sparprogramm aller Zeiten. Der griechische Staat muss rund dreizehn Prozent seiner Wirtschaftsleistung einsparen. Auf Deutschland übertragen wäre das ein Einsparprogramm in Höhe von 312 Milliarden Euro – bis 2014. WELT ONLINE zeigt, was das für Folgen für unser Land hätte.

Hmmm *kopfkratz* 13% der Wirtschaftsleistung. Das sind – wenn ich mich nicht irre – 13% des Bruttoinlandsproduktes. Und genau um soviel – nämlich 13% – liegen wir über den Vorgaben von Maastricht.

Nunja, das scheint dann ein weiterer Beweis für den Qualitätsjournalismus a’l Axel Springer zu sein, wenn einem Schreiberling das offensichtliche verborgen bleibt. Immer schön schreiben – (Hintergrund)Wissen belastet da nur und Zusammenhänge verwirren.

Verdammt nochmal, auch wir müssen sparen, massiv und am besten sofort. Sonst sind wir auch bald dran. Und da sind die Spendengelder an Griechenland ganz sicher unser kleinstes Problem!

Tobias  Kaiser (der Praktikant Qualitätsjournalist, der für  Welt-Artikel zuständig ist) schreibt

Wollte die Bundesregierung ein Konsolidierungsziel wie in Griechenland allein durch Einsparungen erzielen, müsste sie in den kommenden fünf Jahren die Ausgaben für Hartz IV halbieren, den Autobahnbau und- unterhalt komplett einstellen, die Bundeswehr und das Bundesverteidigungsministerium abschaffen und die Entwicklungshilfe sofort stoppen.

und verkennt wieder einmal die Lage. Denn um in 4 Jahren 300 Milliarden Euro „einzusparen“ – oder mehr einzunehmen – müssten nur schlagartig alle Steuerschlupflöcher geschlossen und alle Steuerhinterzieher ihre Steuern zahlen. Dann würde unsere schöne Bundesrepublik nämlich wieder wie ein finanzieller Fels in der Brandung stehen und sogar noch 100 Milliarden Euro über haben.

Hamburger Morgenpost meldet: Alle Probleme der Welt gelöst! @MOPO

Wer eine Tageszeitung herausgibt, die heute wie folgt aussieht:

der beweist was der Begriff Qualitätsjournalismus heute noch wert ist.

Der Aufmacher einer Zeitung – das „Seite 1 Thema“ – war früher einmal das wichtigste, was das Blatt zu melden hat. Wenn diese Meldung die wichtigste zu verbreitende Neuigkeit ist, dann braucht man heute keine Hamburg Morgenpost zu kaufen. Alle Probleme des Planeten sind gelöst: Griechenland ist schuldenfrei, das Öl im Golf von Mexiko ist verdunstet, in Afghanistan rauchen US-Soldaten und Taliban gemeinsam einen Joint,  und so weiter und so weiter. Und dieses Medium wundert sich, dass der mündige Bürger nicht mehr bereit ist diesen „Journalisten“ das Gehalt zu zahlen? In diese Zeitung kann man doch höchstens noch Fisch einwickeln und der ist heute meist tiefgefroren.  Oder noch besser das Papier sparen und heute gar keine Zeitung herausbringen.

Die FAZ schrieb schon gestern:

Es muss ein Skandal her, es braucht Sex and Crime, es muss auch die letzte jugendliche Lichtgestalt in den Dreck gezogen und mit bigotten Kommentaren überzogen werden. „Uups, so haben wir Sängerin Lena Meyer-Landrut noch nie gesehen“, freuen sich die „Explosiv“-Macher in ihrem Beitrag,

und auf genau diese Schiene des Dreckschleuderns, für das man bei RTL dem Gitaristen von Thomas Anders viel Geld bezahlt, fährt nun auch das ehemalige SPD-Blatt „Hamburger Morgenpost“ ab. Wie tief kann ein Blatt noch sinken? Haben die auf dem Weg abwärts auf Höhe der BILD noch kurz rüber gewunken bevor sie an denen vorbei gerauscht sind?

Zieht die CDU sich aus der Kommunikation mit dem Wähler zurück?

Als erstes fiel mir auf, dass sich der integere CDU-Politiker Wolfgang Bosbach  sich der offenen Kommunikation mit dem Wahlpöbelvolk entzieht. Auf Abgeordnetenwatch.de bekommen Anfrager von Bosbach folgenden lapidaren Text als Antwort:

ich beziehe mich auf Ihre E-Mail vom 18.02.2010, die Sie über Abgeordentenwatch.de an mich abgesandt haben. Da ich seit vielen, vielen Jahren völlig problemlos per Brief, per Fax oder per E-Mail erreichbar bin, bitte ich die Nutzerinnen und Nutzer von Abgeordnetenwatch.de regelmäßig darum, etwaige Fragen an mich auch an mich zu adressieren, denn ein Umweg über Abgeordnetenwatch.de ist nun wirklich nicht notwendig.

Wann macht es Sinn seine Wähler zu bitten den „nichtöffentlichen“ Weg der Mail-Kommunikation zu wählen? Doch offensichtlich nur, wenn man fürchtet dass etwaige Mitleser der öffentlichen Kommunikation feststellen, dass man Blödsinn von sich gibt, oder man Gefahr läuft später für öffentlich gemachte Äusserungen kritisiert zu werden. Wer offene Kommunikation und transparente Meinung bevorzugt, sollte sich über Abgeordnetenwatch eigentlich freuen. Ist es nicht ein Kennzeichen der Politiker, dass sie wirklich JEDEN Weg versuchen ihre Meinung zu verbreiten? Aber doch bitte nicht interaktiv!

Aber nicht nur Bosbach  scheut die Öffentlichkeit, sein Parteikollege Ralf Braucksiepe scheint seine Antworten besser einem Anwalt vorzulegen, damit seine Antworten auf Abgeordnetenwatch nicht wieder Thema im Bundestag werden, wie dies nach einer dreisten Lüge der Fall gewesen ist. Braucksiepe beantwortet Anfragen an Abgeordnetenwatch nur noch durch ein lapidares

vielen Dank für Ihre Anfrage über das Portal abgeordnetenwatch. Ich bitte Sie, sich mit Ihrer Anfrage direkt an mein Abgeordnetenbüro unter ralf.brauksiepe@bundestag.de zu wenden. Sie erhalten dann von mir eine persönliche Antwort.

Was für Feiglinge sich doch da von unseren Steuergeldern einen Lenz machen. Weichen diese Abgeordneten der offenen Kommunikation aus damit nicht alle ihre Lügen ans Tageslicht kommen?  Ist denen eigentlich bewusst wer ihr Gehalt und ihre Pensionen zahlt?

Aber es wird nichts helfen. Über kurz oder lang kommen alle Verfehlungen ans Tageslicht. Auch der Wahlspendenbetrug des Herrn Rüttgers aus NRW kam ja ans Tageslicht.  Unsere Politiker versuchen sich vor uns Wählern zu verstecken – aber genau DAS ist der falsche Weg und wir müssen es sie spüren lassen.

Sich vor dem Volk verstecken ist ein Verhalten, dass Despoten auszeichnet, die wissen dass ihre Zeit abgelaufen ist.  Sind es Anfänge der Selbsterkenntnis, die wir da erleben?