Müntefering: Bock oder Gärtner

Wenn ich in der FTD lese:

Er (Müntefering) hoffe, dass zum Parteitag Mitte November die SPD Inhalte und eine Mannschaft habe, die die Partei nach vorne brächten. Zugleich erneuerte er seine Absicht, im November wieder als SPD-Chef zu kandidieren: „Ich bin Parteivorsitzender, ich stelle mich der Aufgabe, und es gehört nicht zu meinen Eigenarten wegzulaufen, wenn es kritisch ist.“

Das kommt bei mir so an, als wenn der Wolf dem Schäfer erklärt, er werde besser auf die Herde aufpassen als jeder Hirtenhund.

Verzeihen Sie Herr Müntefering, SIE sind einer der Gründe, die für mich die SPD absolut unwählbar gemacht haben. Ihr patriarchisches Gehabe, ihre Unterdrückung der Parteibasis (SIE sind Parteivorsitzender und somit direkt verantwortlich!) haben den Karren massgeblich mit in den Dreck gefahren. Sie haben ehemalige SPD-Wähler entweder partei- oder sogar (noch unverantwortungsloser) politikverdrossen gemacht.

Ich persönlich hätte schon gestern Abend ihre Rücktrittserklärung erwartet. Wissen Sie, was ihr Machtanspruch in meinen Augen ist? Er ist hochgradig unanständig! Kennen Sie noch Politiker wie Herbert Wehner oder Helmut Schmidt? Sagen Ihnen diese Namen etwas? Das waren Menschen mit Verantwortungsbewusstsein und Realitätssinn. Sie stellen dagegen für mich nur noch Überheblichkeit, Selbstüberschätzung und Realitätsverlust dar.

Quo Vadis deutsche Parteienlandschaft 2009

In meinen Augen gibt es ein paar Dinge  nach den Wahlergebnissen (Saarland, Sachsen, Thüringen) an diesem Sonntag festzustellen:

Die SPD steckt weiterhin in einem massiven Tief und scheint nicht von der Stelle zu kommen. Ich schätze, dass dies vor allem daran liegt, dass selbst eingeschworene SPD-Wähler (die SPD wählen, weil man dies tut) sich von der SPD abwenden, weil Sie eben nicht mehr die Partei der kleinen Leute ist. Die SPD hat sich von ihren sozialen Themen verabschiedet und verliert die Wähler an:

Die Linke. Auch wenn diese Partei von den Medien (allen voran die Springer-Presse) entweder ignoriert oder mit Schmähtexten überzogen wird, so sehen viele Wähler aus der Gruppe der „kleinen Leute“  in der Linken DIE Chance für Ihre Interessen. Keine Partei positioniert sich so klar für die Interessen der Menschen wie die Linke.

Die Grünen sind eine stabile Größe vor allem für Ökologie. Sie hat einen stabilen Bevölkerungsanteil, auf den Sie sich als Wähler verlassen können. Es gibt keine Partei, die sich den Themen der Grünen verschliessen kann.Dennoch sind sie eine Partei zum Lückenstopfen – dazu mehr unten.

Die CDU. Naja, sie sind DIE Gewinner dieser drei Wahlen – zumindest wenn man die Parteivertreter reden hört. Selbst ein Verlust von 11% scheint toll zu sein. (Diese Euphorie teilt die CDU mit der SPD – unverständlich, aber vielleicht sind Drogen im Sekt auf der Wahlparty). Die CDU kann in keinem Bundesland stärker denn zuvor aus diesen Wahlen hervorgehen.Dies sollte Frau Merkel zu denken geben, aber ist das eine ihrer Stärken? Ich weiss es nicht, kriegt man ja nichts von mit.

Die FDP. Naja, was soll ich dazu sagen. Meine Prinzessin fragte eben „Wer wählt eigentlich die FDP“. Ich gebe hier nicht wieder, was meine erste Antwort war, diese war zu böse. Ich schätze mal, dass sich in der FDP diejenigen sammeln, die von der CDU enttäuscht sind, aber eine Partei der Arbeitgeberseite wählen wollen.Also eher ein Anhängsel der CDU, als – so wie früher – eine Option für die Interessen der Parteien aus dem Bereich der „kleinen Leute“

Eine Partei spielt (noch) keine Rolle bei den Ergebnissen dieser Wahlen: Die Piraten. Die Piraten sind – wie die Grünen – eine Partei der wichtigen Einzelthemen. Sie besetzen von den „grossen Parteien“ unterbewertete Themen, die einer bemerkenswerten Anzahl von Wählern wichtig sind.

Ich persönlich schätze, dass in Zukunft sehr wahrscheinlich grössere Koalitionen häufiger realisiert werden müssen, als wir es in der Vergangenheit kannten.Die SPDler, die immer noch gegen die Linke argumentieren, sehen sehr-sehr schweren Zeiten entgegen. Die Grünen, die FDP – und wohl in Zukunft die Piraten – werden weiterhin als „Lückenstopfer“ agieren, um eine Mehrheit zu erreichen. Diese „Lückenstopfer“ werden aber wichtiger denn je sein und somit die von diesen kleinen Parteien vertretenen Themen an Wichtigkeit gewinnen. Es bleibt absolut spannend, was die Bundestagswahl 2009 angeht. Es scheint einiges offen sein zu können, wenn es sich weiter so entwickelt, wie es sich gerade abzuzeichnen scheint.

Anmerkung: Nebenbei läuft hier immer noch die ARD-Wahlsendung. Eine Person ist hier deutlich namtlich zu benennen: Ronald Pofalla. Der Typ geht ja wohl nun GARNICHT. Wer so arm an Argumenten ist, dass er es nötig hat ein Schreckgespenst von „Roten Socken“ (welche nebenbei stinken O-Ton) zu propagieren, ist inhaltlich weit weg davon, dass ich ihm zuhöre. Eine Partei die solche Menschen an Mikrofone oder gar ins Fernsehen lässt, scheint echte personelle Probleme zu haben.

Zwischenergebnis: Erfolgreiche ausserparlamentarische Opposition – Oder: SPD wird PDA

Wenn sich innerhalb der SPD schon die „Piraten in der SPD“ zusammenfinden muss es in den alten Parteien ja ganz schön böse aussehen. Offensichtlich gibt es doch noch etwas, wie einen „Restrealismus“ bei einigen SPD-Mitgliedern.

Welche schöneres Kompliment kann man einer Partei eigentlich machen, als zu versuchen Ihre Ziele offesichtlich – sogar unter ihrem Namen – innerhalb der eigenen Partei zu kopieren?

Schnell versuchen etablierte Parteien wie CDU, Grüne und vor allem SPD, auf den Zug aufzuspringen und wieder Boden gut zu machen bei Internetnutzern. So gibt es innerhalb der SPD eine „Piraten-Fraktion“, die sich anschickt, zur Piratenpartei abwanderungswillige SPD-Wähler wieder ins Boot zu holen.

schreibt die PR-Presse. Aber was verspricht man sich davon? WENN schon Pirat, dann richtig. Gibt ja auch nicht „ein bisschen schwanger“. Vor allem, gibt es auch die CDUler innerhalb der SPD? Wäre ja die logische Konsequenz. Man muss halt an allen Fronten versuchen die Abwanderer zu halten. Stoppschilder aufstellen? Fast schon tuffig kommt folgender Satz daher:

Böhning (Anmerkung: Er ist SPD-Vorstandsmitglied) glaubt, dass die Abgeordneten nicht gewusst hätten, worüber sie abstimmten.

Ich meine: Muss man dazu noch etwas über den Zustand innerhalb der SPD sagen? Wenn selbst ein SPD-Vorstandsmitglied behauptet, die SPDler würden über Dinge abstimmen, von denen Sie keine Ahnung haben? Und die PDA („Partei der Ahnungslosen“ ehemals SPD) soll noch wählbar sein?Aber irgendwie übertrumpfen sich dieser Tage nicht nur die Werbestrategen, sondern nun auch die Politiker gegenseitig was die „Dümmste Aktion der Periode“ angeht.

Nee Mädels. SO wird das nix.