Was wir alle aus der Polizeiaktion #Servergate lernen können und sollen

Am Freitag den 20.05.2011 legte die Staatsanwaltschaft Darmstadt – aufgrund eines Hilfeersuchens aus Frankreich – die zentrale EDV-Infrastruktur der Piratenpartei lahm.

Abgesehen davon, dass dies ein massiver Eingriff (inbesondere zwei Tage vor anstehenden Wahlen) in die Tätigkeit einer politischen Partei ist, der in dieser Form in Deutschland einmalig ist und eher in südamerikanischen Diktaturen erwartet wird, so sollte man dieses neue Eskalation der Gewalt des Staates nicht ohne Erkenntnisse hinnehmen. Inbesondere, da das eigentliche Opfer – hier die Piratenpartei – nicht das Ziel der Ermittlungen war. Insofern kann man mit der Behauptung „Auf ihrem Server haben Andere böse Dinge getan“ jedwede technische Infrastruktur (zumindest) temporär massiv behindern.

  1. Jede Organisation, jede Privatperson, die wichtige Daten verarbeitet, tut gut daran eine verteilte Infrastruktur vor zu halten. Aufgrund der jüngsten Ereignisse, tut man gut daran, diese Verteilung international aufzusetzen.
  2. Unserem Staat ist nichts mehr heilig. Sollte aus den Ereignissen um 1933 gelernt worden sein, dass politische Parteien einen besonderen Schutz zu geniessen haben, so ist dieses nicht mehr der Fall. Jedwede Organisation ist durch den Staat angreifbar, wenn der Staat nur irgend einen Grund findet.
  3. Aus 1 und 2 ergibt sich, dass die Piratenpartei und ihr Ansinnen die Rechte aller Menschen zu schützen wichtiger ist, denn je.

Wenn man den Medien glauben schenken darf, so war der Grund der Polizeiaktion, dass „gewisse Daten“ auf einem öffentlich zugänglichen Teil der Server der Piratenpartei gelegen haben sollen.  Diese Daten, welche Gegenstand der Ermittlungen in einer bereits begangenen Tat(!) sind,  soll die Organisation Anonymous dort abgelegt haben. Anonymous sagt dazu:

Wertes Volk,

bezugnehmend auf die polizeilichen Restriktionen gegen die Server der Piratenpartei am Freitag, den 20. Mai 2011, kurz vor der Bürgerschaftswahl in Bremen sieht sich Anonymous zu einer Stellungnahme gezwungen.
Unter dem Vorwand, dass sich in den Pads, die sich auf dem System befinden, Informationen über einen geplanten Angriff auf den französischen Atomkonzern EDF befänden, wurde dieses abgeschaltet und zur Durchsuchung beschlagnahmt. Damit wurde der Partei zeitgleich eines ihrer wichtigsten Kommunikationswerkzeuge genommen.
Dieser Vorfall wurde unter dem Namen Servergate bekannt und verbreitete sich rasant als schockierende Nachricht. Anonymous sieht darin eine Verletzung der Demokratie und Meinungsfreiheit.

Wie über Twitter mitgeteilt wurde, hat auch die spanische Piratenpartei Pads zur Organisation der Proteste in Spanien verwendet. Durch Servergate wurden auch diese Pads vom Netz genommen und haben die Proteste somit behindert. Auch Operationen unsererseits, wie zB OperationIran wurden dadurch beeinträchtig, welche sich bemüht gegen die Unterdrückung des Regimes im Iran anzugehen und die Menschen dort zu unterstützen.

SpiegelOnline berichtete am 20.Mai, dass eine Gruppe von Anonymous gezielt ein Atomkraftwerk angreifen wollte und die Polizei die Server abschalten musste, um diesen Terroranschlag zu verhindern. Welt und TAZ folgten mit ähnlichen Artikeln.
Wir verachten diese gezielte Verbreitung von Desinformation zutiefst, jedoch ist es nicht unser Ziel die Pressefreiheit einzuschränken, vielmehr möchten wir Kritikern genauere Antworten liefern.
Anonymous hat am 18. April im Rahmen von OperationGreenrights lediglich die Webpräsenz von EDF mit einer Distributed-Denial-of-Service Attacke angegriffen, dabei ist es unmöglich die Kontrolle über ein Atomkraftwerk zu übernehmen oder ihm einen Schaden jeglicher Art zuzufügen. Ferner widerspricht es dem gesunden Menschenverstand, anzunehmen, dass die hochkritische Infrastruktur mit einer direkten Verbindung zum Internet betrieben wird.

Cyberaktivisten des Widerstandskollektives Anonymous haben als Antwort darauf die Webpräsenzen der Polizei und des BKA angegriffen. Dadurch wurde jedoch keinesfalls die Verfolgung von Straftätern beeinträchtigt, dies war nie die Absicht. Aufgrund der Härte im Umgang mit der Piratenpartei wurden diese Behörden schnell zum Ziel von losen Strömungen innerhalb von Anonymous. Es existieren noch keine kollektive Operationen.

Fassen wir zusammen: Die deutsche Polizei hat wegen einer vergangenen Protestaktion gegen die Website eines Engergiekonzerns, eine demokratische Partei kurz vor den Wahlen lahmgelegt, die demokratische Bewegung der Bürger in Spanien behindert und Anonymous-Operationen gegen Regime im mittleren Osten gestört. Alles in Allem war #Servergate somit ein sehr undemokratischer Tag in der Geschichte unserer Freunde und Helfer.

Wir hoffen nicht auf weitere Aktionen, wie diese, reagieren zu müssen.

We are Anonymous.
We are Legion.
We do not forgive.
We do not forget.
Expect us !

Auch Anonymous sollte aus dieser Aktion lernen. So sehr ich mich mit vielen Aktionen dieser – anonymen – Gruppierung ich mich auch identifizieren kann, so ist es dumm Organisationen, deren Ziele man unterstützen mag, durch Inanspruchnahme der Infrastruktur in Gefahr zu bringen. Es gibt genügend offene System da draussen in der Welt, warum legt man solche Daten nicht z.B. auf den Seiten des BKA, eines Energieerzeugers o.ä. ab. Dann hätte man als Nebenergebnis noch eine Störung des Gegners.

Die wichtigste Essens ist und bleibt allerdings, dass in unserem Staat nur derjenige hat, der unter dem „Schutzschild der Macht“ handelt. Desto mehr man sich von den eingewachsenen, verrotteten Strukturen des Staates entfernt, so mehr wird man zum Gegner und Freiwild ohne Rechte.

BKA ersetzt gesunden Menschenverstand durch Studien

Es gibt – und dass weiss ich als Vater – genau EINE Sache, die jeder Mensch schon als Kind einmal „erfahren“ muss: Was heisst der Begriff „heiss“. Jedes Kind muss sich einmal die Hand/Finger/sonstwas verbrennen. Die Bedeutung dieses Begriffes ist nicht zu vermitteln. Giftig, gefährlich etc. pp. alles kann man vermitteln – nur „heiss“ eben nicht.

Im Laufe der Jahre lernen wir Menschen immer und immer mehr, wir entwickeln das, was man den „gesunden Menschenverstand“ nennt. Es sei denn… Ja es sei denn man heisst „BKA“ und hat zuviel Geld über. Denn dann finanziert man der Universität Koblenz-Landau eine Studie um herauszufinden

Begünstigt sorgloses Verhalten von Kindern und Jugendlichen beim Surfen im Internet kriminelle Aktivitäten von Tätern im Netz?

Ja, das ist tatsächlich die Fragestellung eines gemeinsamen Forschungsprojekts der Universität Koblenz-Landau und des Bundeskriminalamts. Die Pressemitteilung findet sich hier.

Wenn ich meine 14-jährige Tochter gefragt hätte, ob sorgloses Verhalten kriminelle Aktivitäten fördert, wäre sie zu dem gleichen Ergebniss wie diese Studie gekommen.

Im Ergebnis hat die Studie gezeigt, dass Kinder und jugendliche PC-Nutzer umso leichter Opfer von Internetkriminalität werden,

o	je riskanter ihr Nutzungsverhalten ist,
o	je weniger die Eltern das Nutzungsverhalten ihrer Kinder überprüfen,
o	je geringer Kinder und Jugendliche das eigene Risiko, Opfer von Straftaten zu werden, einschätzen,
o	je schwächer das Wissen der Befragten zu Sicherheit im Internet ausgeprägt ist
o	und je geringer der Computer gegen technische und nutzerseitige Gefahren abgesichert ist.

Mal ehrlich: Wen von uns wundert das? Der BKA-Präsi hat dann auch noch schöne Worte gefunden:

BKA-Präsident Jörg Ziercke: „Die Studie zeigt deutlich, dass das Wissen um Sicherheit im Internet und das eigene Risiko, im Internet Opfer von Straftaten zu werden, in direktem Zusammenhang mit riskantem Nutzungsverhalten steht.

Ja Herr Ziercke: Die Strasse an der roten Ampel zu überqueren bedeutet sich einer grösseren Gefahr auszusetzen, als wenn man auf „grün“ wartet. Es ist schön, dass Sie dieses Wissen der Studie entnehmen konnten. Meine Kinder wussten dies schon bevor Sie eingeschult wurden. Muss der Steuerzahler nun dafür zahlen, dass Zierckes Eltern ihm die einfachsten Zusammenhänge nicht vermitteln konnten?

Ich freue mich auch schon auf die nächsten spannenden Studien, die das BKA finanzieren wird:

  • Ist es Tags hell, weil die Tagseite der Erde dann der Sonne zugewandt ist
  • Müssen wir atmen um zu überleben?
  • Wird das Gras nass, wenn man darauf uriniert?
  • Gibt es intelligentes Leben beim BKA?