Kommunikation oder Politmarketing?

Ich bin gerade darüber gestolpert, dass ein Politiker (MDB, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer seiner Partei) nicht nur sehr viele Follower hat, was ein Indiz für das Interesse an seinen Aussagen sein kann (bei manchen Politikern ist es auch die Suche nach Humor). Neben den Followern gibt es ja auch noch (typischerweise) Menschen denen man auf Twitter folgt und da wurde ich nachdenklich. Ein Politiker (also kein Arbeitsloser oder so), der über 2200 Twitterusern folgt – kommt der noch zum arbeiten, kommt der noch zum schlafen?

Ich folge auf Twitter derzeit (ich gebe zu, ich bin da SEHR restriktiv) 85 Leuten. Ich könnte die Zahl (abhängig von der Frequenz der eingehenden Nachrichten verdoppeln, ohne ERNSTHAFT von der Arbeit abgehalten zu werden. Denn schliesslich will ich die eingehenden Nachrichten ja auch wenigstens sichten. Warum folgt jemand – der Twitter nicht als Spielzeug ansieht – einer solchen Menge an Inputlieferanten?

Ich versuche zu verstehen.. Folgt man so vielen Leuten um freundlich zu sein? „Dem muss man zurückfolgen“? Und wie sichtet man diese Flut an Input? Reagiert man nur noch auf direkte Ansprache oder ignoriert man das einfach und nutzt das Medium nur als weiteren Einbahnstrassen-Kanal seine Gedanken zu verbreiten?

Ich verstehe es nicht, würde aber gern verstehen.

Lena/Raab, Twitter, Bohlen, der #esc und ich

Ich gebe ja zu – ich habe mir den Start der „Unser Star für Oslo“ Krimireihe ganz vom Anfang an gegeben. Ich war vom Anfang der Ausscheidung an dabei – das volle Programm. Ich stehe ja auch dazu und verheimliche nichts. Ich empfand die von Raab organisierten Ausscheidungskämpfe anfangs nur als Beweis, dass eine „Starsuche“ auch durchgeführt werden kann, ohne auf der Würde der teilnehmenden Kandidaten rumzutrampeln. Niemand braucht den Gitaristen von Thomas Anders. Bohlen und RTL ziehen eine Show zur Demütigung der Teilnehmer und zur Befriedigung der Schadenfreude der Zuschauer – und natürlich um Einnahmen von Bohlen und RTL zu steigern – durch. Um die Qualitäten der Teilnehmer geht es frühestens an vierter Stelle.

Stefan Raab stellte ein Plattform zur Verfügung auf der sich die Kandidaten weitgehend optimal präsentieren konnten. Nicht ein Dreier-Tribunal bestimmte über Sieg&Niederlage sondern die Fernsehzuschauer mittels Telefonvoting. Wobei ich auch mal den deutschen Fernsehzuschauer und den Anrufern gratulieren muss: Ihr habt weise gewählt! Warum macht ihr sowas nicht mal bei Landtags- oder Bundestagswahlen? Verdammt, ihr könnt es doch!

Können: Lena gab uns allen gestern Spannung pur – es war das längste Elfmeterschiessen dass wir je am Fernseher ertragen mussten.

Ertragen: Über Geschmack kann man nicht streiten, aber so einiges was da gestern auflaufen durfte war ja nun wirklich eher der Siegel- oder Bohlen-Qualität nah, als echte Musik von der man auch als Konsument etwas hat. Wie wurde gestern von Elburro bei Twitter geschrieben:

Israel – bei der Fahrstuhlmusik laufe ich treppen

Überhaupt Twitter – welche eine Party: „Wenn hier jemand Unbedarftes mitliest, wird er Twitter für eine Ansammlung hysterischer Eierlikörtrinker halten.“ ging es gestern durch die Timeline. Und ja, es war eine Pracht, die teils sehr bissigen Kommentare zu verfolgen. Selbst gestandene Mannsbilder (deren Nicknames ich hier aus Gründen des Schutzes der Persönlichkeitsrechte nicht nennen werde) drehten am Rad und erlagen dem Charme von Lena und der Veranstaltung in Oslo.

Ein paar Tweets – ohne Angabe der Autoren – Persönlichkeitsrechte – ihr wisst schon 🙂

  • Kann dem jungen Herren da bitte mal jemand ein Lied reichen? Das Gejaule macht sicher auch impotent.
  • Da! Der im Hintergrund hat seinen Namen getanzt!
  • Ah, der Töpferkurs der Volkshochschule Jerewan zeigt ihr Erlerntes.
  • Er kann auf einem Bein hüpfen. Das lernen die gerade in der Kita
  • Gemein, England bringt akustische Vergeltungswaffe in Stellung
  • Da war ein Zuschauer auf der Bühne und hat mitgesungen – ok, kaum zu bemerken bei der Veranstaltung

Und dann endlich der Befreiungstweet:

Wir sind LENA!!!!!!!!!!!!!!!!!!

Lena hat es geschafft. Sie hat uns – mit der Hilfe von Stefan Raab, Pro Sieben und der ARD – würdig in Oslo vertreten. Gratulation an alle, die zu Lenas Erfolg beigetragen haben (inkl. der Anrufer), mein Dank an all die Anrufer auch aus den anderen europäischen Ländern.

Das wars vom Boulevard, wir schalten wieder zum Weltuntergang: Was geht gerade in der Bild-Redaktion ab, die keine Interviews von Lena und Raab bekommt?

Trigema Chef Wolfgang Grupp beleidigt meinen Intellekt

Nachdem der Trigema Chef Wolfgang Grupp gestern pauschal alle Nutzer des Dienstes Twitter  als Idioten bezeichnete:

Twitter ist für mich einfach nur dumm und die Menschen, die das nutzen, sind für mich Idioten. (Quelle)

rudert er heute in einem offenen Brief an die Social Media Gemeinde zurück:

Wir haben auch über Social Media gesprochen, unter anderem über Twitter. Dies ist sicher eine sehr zeitgemäße Kommunikationsmöglichkeit, aber es wird damit auch viel Unfug verbunden und ich habe erklärt, dass ich gewisse Leute nicht verstehe, weil sie jeglichen Unsinn in die Welt hinaus verbreiten und habe diese Leute dann salopp mit Idioten verglichen, die vielleicht nichts besseres zu tun haben, als solchen belanglosen Kram anderen mitzuteilen. Dies sollte keine Generalisierung werden.

Nun sitze ich kopfkratzend am Rechner und frage mich, was an dem sehr kurzen und prägnanten Halbsatz „die Menschen, die das nutzen, sind für mich Idioten“ einen so ausgiebigen Spielraum lässt, um daraus obigen argumentativen Fluchtversuch zu konstruieren?

Wenn ich behaupte: „Alle Menschen die Mercedes fahren sind Idioten“, dann stelle ich eine dedizierte Behauptung auf.  Daraus später ein „Also ich verstehe gewisse Leute die Mercedes fahren nicht, die auf der Autobahn stets die Geschwindigkeitsbeschränkungen missachten und durch häufiges rechts überholen auffallen. Diese habe ich dann salopp als Idioten bezeichnet“ macht genau das wieder, was schon in der ersten Aussage kritisiert wird: Er sieht die betroffene Gruppe als Idioten an und behandelt sie wie Idioten.

Grupp beleidigt mit diesem offenen Brief meinen Intellekt und tritt selbigen mit Füßen. Ein einfaches „Entschuldigung“ hätte viel mehr gebracht.

EINE Möglichkeit steht noch im Raum, die Grupps Reputation komplett wieder herstellen würde: Wenn Wolfgang Grupp sich bei innovativ-in ebenso ausgiebig geäussert hat wie er es in dem offenen Brief tat, und innovativ-in die Aussagen sinnentstellend und reisserisch gekürzt hat.