Die Depeschen des Captain Offensichtlich

Was für eine Welle wurde ob der „Cablegate“ Enthüllungen gemacht, die Veröffentlichung von US-Depeschen durch Wikileaks. Udo Vetter bringt es bei Twitter auf den Punkt:

Ach, Merkel und Westerwelle sind von den US-Depeschen überrascht? Dann sollte man den BND zumachen und von dem Geld Kindergärten bauen.

Denn mal ehrlich: Was ist an all den Informationen neu?

  • Dass Merkel das Risiko meidet und selten kreativ ist?
  • Dass Westerwelle eitel, aggressiv, inkompetent ist?
  • Dass Schäuble ein alter, zorniger und neurotischer Mann ist, der überall Gefahren wittert?
  • Dass Niebel als Entwicklungshilfeminister eine schräge Wahl ist?

Was ist daran neu? Das ist alles altbekannt, die Blogs (weniger die Standard-Holzmedien) sind voll von diesen Erkenntnissen. Fast jeder weiss es, viele lachen, die meisten weinen ob dieser Tatsache. Und der Skandal hält sich in mikroskopischen Grenzen.

Ich würde es eher als gefährlich ansehen, wenn die US-Diplomaten eine andere Einschätzung als obige hätten. Sicher tut es weh, wenn der Lattenzaun der Erkenntnis die Fontanelle deutsche Politiker trifft. Aber es ist nur ein weiterer Beweis dafür, wie selbstgerecht und wirklichkeitsfremd die von uns gewählten „Volksvertreter“ sind. Hätten sie echte Freunde, hätte man ihnen obige „Erkenntnisse“ schon längst mal ins Gesicht gesagt.

Ich kann nur sagen: Willkommen in der Realität!

Wer seine Gegner kritisiert, sollte die Worte weise wählen

Wenn die FDP-Spendenaffaire (ich nenne so schon mal so) ein Thema im Bundestag ist, sollte man als Redner WOHL vorbereitete Worte finden. Schauen wir doch mal, wie vorbereitet unsere Koalitionstruppen sich der Kritik der Opposition stellen (Quelle, alle: Tagesschau)

Angesichts der massiven Kritik ging die Union in die Offensive: Sie wies den Vorwurf der Käuflichkeit nicht nur zurück, sondern warf der Opposition – mit Blick auf den Antrag der Grünen – „durchsichtiges und unehrliches“ Vorgehen vor.

Durchsichtig und unehrlich? Das sind Prädikate, die ich FDP und CSU in Sachen Hotelspenden und Verdacht der Bestechlichkeit auch ans Revers hefte. Aber mal unter uns: Gibt es EINEN Politiker in Deutschland, dem ihr eine Ehrlichkeit unterstellen würdet? Solche Menschen sind doch längst im Ruhestand – wenn nicht ausgestorben.

Aber auch der nächste ist ein echter Schenkelklopfer:

Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Peter Altmaier, sah gar die „politische Kultur“ gefährdet.

Wer also „Gschmäckle“ anspricht und kritisiert, gefährdet die politische Kultur? Welche Kultur denn bitte? Die Kultur, dass jeder seine Gesetze bekommt, solange man es schafft die Bestechlichkeit vor dem Wahlvolk zu verschleiern? Sind es nicht vielmehr die Lobby-gelenkten Politiker, die den Saustall, den wir Politik nennen, zu verantworten haben?

Auch die stete Nebelkerze, die Spende sei ordnungsmäß gewesen, darf natürlich nicht fehlen:

Für die FDP mischte sich ihr parlamentarischer Geschäftsführer, Jörg van Essen, in die Bundestagsdebatte ein. Der Antrag der Opposition sei ein Skandal. Es gebe keinerlei Notwendigkeit für diese Debatte. Die Spende an die FDP sei ordnungsgemäß gewesen.

Soll das etwa heissen, dass jedermann gern Bestechungsgelder annehmen darf wenn er diese Einnahmen denn nur beim Finanzamt angibt? Aber im Gegensatz zu den Parteien, die noch zusätzliches Geld über die Parteienfinanzierung für die Bestechungsgelder bekommen. Wenn wir bestochen werden, kommen wir ins Gefängniss – Parteien werden monetär belohnt. Ich könnte kotzen.

Alles ist relativ, auch Daisy

Ja, ich meine natürlich auch das „Unwetter“, über welches sich in Twitter meine Bekannten so bravourös lustig machten. Und sie haben ja recht: In weiter Teilen Deutschland war Daisy nicht mehr als Medienrummel. In Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig Holstein allerdings hat Daisy ja nun doch mit Schneewehen auf Autobahnen und Bundesstrassen sowie Hochwasser an der Ostsee für deutlichen Trouble gesorgt. Inklusive Ausrufen des Katastrophenalarms in Meck-Pom.

In der FAZ gibt es einen wunderschönen Kommentar von Sascha Zoske der die Ursache für die eigentliche, bundesweite Katastrophe auf den Punkt bringt:

Die lautesten Herolde des Unheils sind jedoch nicht die Fachleute, sondern jene Publizisten, denen das Ethos des Konjunktivs abhandengekommen ist. Es stimmt schon: Das Wörtchen „kann“ taugt nicht für Schlagzeilen. Aber fairerweise muss gesagt werden, dass es in der Verlautbarung des Bundesamts für Bevölkerungsschutz zu „Daisy“ fünfmal vorkommt.

Wir bekommen die Informationen nicht vom Informationsgeber selbst, sondern alles wird uns durch die Medien aufbereitet. Jede Zeitschrift könnte täglich die Headline bringen: „Sie können heute sterben“. Natürlich kann ich das. Aber wie gross ist die Wahrscheinlichkeit. Früher gab es den kritischen Journalismus – heute nur den das, was vom Axel- Springer Verlag als „Qualitätsjournalismus“ (Unwort des Jahres?) bezeichnet wird: Titten, Skandale, Katastrophen.