Alles ist relativ, auch Daisy

Ja, ich meine natürlich auch das „Unwetter“, über welches sich in Twitter meine Bekannten so bravourös lustig machten. Und sie haben ja recht: In weiter Teilen Deutschland war Daisy nicht mehr als Medienrummel. In Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig Holstein allerdings hat Daisy ja nun doch mit Schneewehen auf Autobahnen und Bundesstrassen sowie Hochwasser an der Ostsee für deutlichen Trouble gesorgt. Inklusive Ausrufen des Katastrophenalarms in Meck-Pom.

In der FAZ gibt es einen wunderschönen Kommentar von Sascha Zoske der die Ursache für die eigentliche, bundesweite Katastrophe auf den Punkt bringt:

Die lautesten Herolde des Unheils sind jedoch nicht die Fachleute, sondern jene Publizisten, denen das Ethos des Konjunktivs abhandengekommen ist. Es stimmt schon: Das Wörtchen „kann“ taugt nicht für Schlagzeilen. Aber fairerweise muss gesagt werden, dass es in der Verlautbarung des Bundesamts für Bevölkerungsschutz zu „Daisy“ fünfmal vorkommt.

Wir bekommen die Informationen nicht vom Informationsgeber selbst, sondern alles wird uns durch die Medien aufbereitet. Jede Zeitschrift könnte täglich die Headline bringen: „Sie können heute sterben“. Natürlich kann ich das. Aber wie gross ist die Wahrscheinlichkeit. Früher gab es den kritischen Journalismus – heute nur den das, was vom Axel- Springer Verlag als „Qualitätsjournalismus“ (Unwort des Jahres?) bezeichnet wird: Titten, Skandale, Katastrophen.

Quo vadis Spiegel Online?

Der Spiegel setzt sich mit dem Auftreten der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender auseinander. Generell absolut legitim und gewiss auch sinnvoll. Aber ist dieser Artikel eine Publikation des Spiegel wie wir ihn kennen und auch mal so sehr achteten, oder bewegt sich der Spiegel eher in Richtung Titten-RTL und Hasstiraden-Bild?

Wenn Christian Stöcker in dem Artikel schreibt

„Öffentlich-rechtliche Zeitungen hat es in Deutschland nie gegeben. Die Demokratie hat das ganz gut überstanden.“

dann schaue ich mir den Spiegel von vor 20 Jahren an und vergleiche ihn mit einer heutigen Ausgabe. Damals das Pflichtprogramm der Intellektuellen, heute ein Massenmedium das sich – sein wir doch mal ehrlich – eher im Glanz vergangener Tage sonnt, als dass er noch das Potential einer Zeitschrift hat, die sich mit Franz-Josef Strauß anlegte. Wer sich dann den Spiegel in der Onlineversion anschaut, der findet Enthüllungsjournalismus aus Norweger „Abgeordnete telefonierte auf Staatskosten mit Wahrsagerinnen“ oder Warum wir reisen: Kuh ahoi!.

Insgesamt kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren (ich frage immer noch der Motivation des Handelns), dass dieser artikel seine einzige (Spiegel-interne) Daseinsberechtigung der Tatsache entnimmt, dass auch der Spiegel (ZU RECHT!) die Online-Konkurenz der Fernsehsender fürchtet.