Wahlfreiheit, Wahlrecht und Wahlmöglichkeit

Man denkt immer, dass man „das Wahlrecht“ erst mit Vollendung des achtzehnten Lebensjahres erwirbt. Dies stimmt aber nur zum Teil, denn es geht mit 18 vor allem um das politische Wahlrecht. Mit dem Beginn der Geschäftsfähigkeit kann man anfangen zu wählen – und zwar wem man sein Geld gibt. Wir haben ab dem siebten Lebensjahr das recht zu entscheiden von welchen Geschäftspartnern wir welche Produkte kaufen.

Bei direkt erlebbaren Geschäften (direktes Feedback) setzen wir dieses Wahlrecht meist direkt um. Ein Restaurant, in dem das Essen nicht schmeckt, werden wir nicht wieder aufsuchen, eine schlampiger Handwerker wird von uns kein zweites Mal beauftragt. Der Wirtschaftler spricht hier von der „Selbstreinigungskraft de Marktes“.

Bei indirekt erlebbaren Geschäften (kein direktes Feedback) sind wir als Endkunden da deutlich nachsichtiger (um nicht zu sagen dümmer). Wer hat nicht alles nach dem Reaktorunglück in Fukushima erklärt, er würde nun auf Ökostrom umsteigen? Und liebe Zielgruppe: Schon umgestiegen?

Wenn ein Lebensmittelhersteller in den Medien unangenehm auffällt, ändert dies unser Kaufverhalten wirklich? Merkt der Hersteller Wiesenhof auch nur mittelfristig eine Reaktion der Verbraucher? Hat „Müller Milch“ irgendwelche wirtschaftlichen Einbrüche hin zu nehmen? Sind die BP Tankstellen geschlossen worden, weil kein Autofahrer dort tankt? Wird SONY den Kursverlust von 10% nicht im Laufe von 3 Monaten wieder ausgeglichen haben?

All diese Nachrichten, die in der Lage wären ein Unternehmen vor massive Probleme zu stellen, ändern unser Kaufverhalten nicht – oder nur sehr kurzfristig. Die Erzeuger von Atomstrom ziehen die „Wir geben Geld für Marketing aus und wofür bezahlen wir unsere Lobbyisten“-Karte und werden sicher keine sehr deutlichen Ertragsverluste hinnehmen müssen. Sony, BP, Müllermilch und all die anderen warten schlicht ein paar Wochen und die Wogen werden sich glätten. Danach geht es weiter wie bisher, weil der Verbraucher von seinem Recht zu wählen schlicht keinen Gebrauch macht.

Mein ehemaliger Klassenlehrer (der aus der ehemaligen DDR geflüchtet war) erklärte uns Schülern (und den Schülerinnen natürlich auch *g*), dass jedes Recht auch eine Pflicht implizierte. Er meinte dies im Zusammenhang mit dem politischen Wahlrecht. Ist diese Pflicht zur Wahl aber nicht auch übertragbar auf die Verpflichtung des Verbrauchers durch sein Kaufverhalten den Markt zu regulieren. Kann sich der Verbraucher von seiner Pflicht freisprechen, seiner Verantwortung nachzukommen und nur „anständigen“ Geschäftspartnern das Überleben zu sichern? Warum werden „unanständige“ Geschäftspartner nicht einfach ausgehungert?

Leider ist diese Art von Wahlrecht nicht gleichzusetzen mit Wahlfreiheit. Denn manche Menschen (auch in Deutschland) können sich nicht aussuchen welche Produkte sie erwerben, sind sind in ihrer Wahl nicht frei. Hartz-IV-Empfänger beispielsweise haben nur schwer oder gar nicht die Möglichkeit den Mehrpreis für biologisch angebaute Lebensmittel, Strom aus regenerativer Energie oder ähnlich sinnvoll investierte Mehrkosten aufzubringen.

Lieber Verbraucher,
tue dir, deiner Umwelt, deinen Kindern und uns allen den Gefallen und mache von deinem Wahlrecht Gebrauch solange Du eine Wahlmöglichkeit und die Wahlfreiheit hast. Sei ein mündiger Verbraucher!  Gebe dein Geld den Geschäftspartner, die unser aller Vertrauen (und damit ihren Lebensunterhalt) mit ihrem Verhalten auch verdienen. Verantwortung muss nicht teuer sein. Mein persönlicher Wechsel von „irgendeinem“ Strom zu Strom aus regenerativer Erzeugung verursacht mir im Jahr Mehrkosten von 20€, dass sind weniger als 2€ im Monat. Sorry, aber DAS habe ich über. Dies sollte sogar für Hartz-IV Empfänger möglich sein.

Der Winter und die Selbstreinigung der Wirtschaft

Wer mein Blog aufmerksam liest weiss, dass ich ein Freund der Theorie von der Selbstreinigungskraft der Wirtschaft bin. Und dieser Tage wird im Bereich Winterdienst kräftig aufgeräumt – auch ohne dass diesmal unser Vizekanzler seine unseligen Finger in das Gewerbe steckt.

Die wirtschaftlichen Folgen des Winters sind dramatisch: Kleinere Räumdienste haben mit ihren Kunden, den Hauseigentümern, Verwaltern oder Behörden, oft pauschale Verträge ausgehandelt. Mehrkosten für Streugut und Personal waren nicht einkalkuliert. Branchenkenner rechnen jetzt mit einer Pleitewelle. (Quelle Welt)

Sowas passiert, wenn man sein Gewerbe auf zu dünnen Beinchen aufbaut. Man muss keine Professur in Meteorologie und Betriebswirtschaft haben um die drei massgeblichen Fehler zu attestieren, die von den anstehenden Pleitiers gemacht wurden:

  1. Keine langfristige Planung in Sachen Kostenanalyse
  2. Etwaige Einnahmen bei „milden“ Wintern wurden verbraten (Schatz, wir fahren in den Urlaub), Rücklagen sind ein Fremdwort
  3. Es wurden – wieder einmal – Kunden über das günstigste Angebot akquiriert.

Nun werden also die Billigheimer und wirtschaftsschwachen Unternehmen von uns gehen. Aber wird dies die Branche beruhigen? Ich wage zu behaupten: Nein! Denn so ein Winter wie wir ihn jetzt gerade geniessen können hat man nicht alle 2 Jahre. Das heisst: Schon im nächsten Winter werden wieder Billigheimer die freigewordenen Verträge mit Hausbesitzern zu Niedrigkonditionen übernehmen und wahrscheinlich – weil es ja so gut läuft – auch den vernünftig kalkulierenden Unternehmern ein paar Kunden abspenstig machen. Dies geht solange gut, biss der nächste strenge und lange Winter ansteht.

Wer dabei gewisse (ferne) Ähnlichkeiten mit dem Schweinezyklus sieht, liegt wahrscheinlich richtig.

Bonuszahlungen: Banker reagieren panisch

Es gibt ja Artikel, die muss man aus dem richtigen Blickwinkel heraus betrachten, um die Dummheit der Menschen zu erkennen. Einen dieser Artikel habe ich eben in der Welt gefunden:

Es ist ein gefährlicher Schnellschuss: Bundeskanzlerin Merkel will Bonuszahlungen für Top-Manager verbieten, wenn deren Unternehmen Verluste schreiben. Setzt sich Merkel durch, könnte sich eine am Boden liegende Firma bald kein gutes Personal mehr leisten – und nicht mehr auf die Beine kommen.

Jetzt auch das noch: Angela Merkel fordert, dass Unternehmen, die Verlust machen, ihren Managern keine Boni mehr zahlen dürfen. Und sie schließt nicht einmal mehr eine Obergrenze für die erfolgsabhängigen Zahlungen explizit aus.

Dieser Artikel ist quasi eine Selbstentblössung der Bankenlandschaft, wie sie ein Kritiker nicht besser hätte formulieren können.

Es soll also keinen Bonus  (Sonderzahlung für gute Leistung) mehr gezahlt, werden, wenn die Firmen rote Zahlen schreiben. Das schlägt dem Fass ja echt den Boden aus! Der kleine Arbeiter bekommt schliesslich Kurzarbeitergeld vom Staat oder eine Änderungskündigung inkl. Lohnkürzung. Da können die Manager – die Notlagen meist zu verantworten haben! – doch nicht leer ausgehen.

Das Firmen, die am Boden liegen keine Mitarbeiter mehr bekommen – so what? Entweder hat das Unternehmen es in den Vorjahren geschafft eine emotionale Bindung der Mitarbeiter zu generieren, dass diese der Firma auch in der schweren Zeiten zur Seite stehen (den Gürtel enger schnallen), oder die Firma ist rein monetär organisiert und muss mit den Folgen leben. Wer als Unternehmen seine Mitarbeiter einzig mit der Macht des Geldes zur Arbeit motivieren konnte, muss nun mit den Folgen leben. Sowas nennt sich Selbstreinigungskraft der Wirtschaft.

Macht diese Tempel der Kapitalanbetung zu. ICH weine ihnen keine Träne nach. Ich arbeite auch für „kleineres Geld“ an einer Position, die mir Freude bereitet und die mich erfüllt.

Gestern schrieb ich einen Artikel über Kohl-Kinder und warum schwarz/gelb bei der Bundestagswahl keine Mehrheit bekommen darf. Gerade jetzt muss ich wieder daran denken, wie prekär es sein kann, sich nur dem Geld unterzuordnen. Das Kapital frisst seine Kinder.