Stimmungsaufnahme vom Bundesparteitag der Piratenpartei 05.07.2009

Politik ist mehr – sollte mehr sein – als alle 4 jahre einmal ein Kreuzchen zu machen. Politik ist etwas, das man verstehen sollte. Und um etwas zu verstehen muss man „dahinter“ blicken. Eben mehr zur persönlichen Meinungsbildung nutzen als allein das, was einem die Medien versuchen erklären.

Also habe ich mich heute auf den Weg gemacht um – zumindest temporär – am Bundesparteitag der Piratenpartei 2009 teilzunehmen. Um zu erfahren, um zu fühlen, was dort passiert und wie dort Politik gemacht wird. Im Rennsport wird gesagt, man müsse den Rennwagen „mit dem Arsch fahren“ – dass will sagen, man muss ein gefühl für das Fahrzeug bekommen. Warum sollte dies bei einer Partei anders sein? Also habe ich mein verlängertes Rückgrat in Bewegung gesetzt um Eindrücke zu sammeln.

Zuerst: Es ist offen. Offen in jeder Hinsicht. Jeder – ob Parteimitglied oder nicht – kann sich anschauen, kann zuhören wie die Piratenpartei Politik macht. Keine Absperrgitter und kein Sicherheitsdienst hindern etwaige externe Zuhörer. Ob man dies in 8 Jahren auch noch so umsetzen kann lasse ich mal dahingestellt. Da ich Mitglied „dieser“ Piratenpartei bin ist es ein leichtes sich zu akkreditieren. Den Personalausweis vorzeigen (Kontrolle der Person ist ja auch sinnvoll) und man bekommt eine Stimmkarte für Handabstimmungen überreicht. So einfach geht das. Schon kann ich aktiv an Politik teilnehmen und mitbestimmen was in das Wahlprogramm hineinsoll und was auch nicht. ICH kann mitbestimmen und nicht nur das Ergebniss mittels eines Kreuzes bestätigen.

Aber – wie gesagt – um zuzuhören braucht man keine Stimmkarte. Und auch das Zuhören ist erfrischend, angenehm. Es reden keine professionellen Redner, die mit jedem Satz gewohnt sind eine Lüge von sich zu geben, sondern es kommt vom Herzen. Auch und gerade, dass einige Teilnehmer am Bundesparteitag mit Formulierungen und Begrifflichkeiten nicht ganz sicher sind, zeigt dass diese Politik wirklich von unten, aus dem Herzen des Volkes kommt. Der Ort an dem eine Demokratie stattfinden sollte: Beim Volk. Und genau dieses Volk, dem von den etablierten Parteien Politikverdrossenheit vorgeworfen wird, zeigt sich hier engagiert. Hier ist es wirklich das Volk, dass Stimme und Meinung erhebt. Keine Unterausschüsse, die Punkte an den Oberausschuss geben, welcher dann an den Generalausschuss weiterberichtet um dann zu erklären: Der Bundesausschuss hat keine Zeit sich darum zu kümmern.

Aber welches Volk ist denn überhaupt auf dem Bundesparteitag der Piratenpartei vertreten? Sicher sind dort viele computeraffine Menschen zu treffen, aber eine Ausschliesslichkeit – allein optisch – lässt sich deutlich nicht feststellen. Es gibt mehr Hemdsträger als den bekannten Ex-SPDler Tauss und auch selbst ich – als kurz vor 50 – fühlte mich nicht fremd. Das Durchschnittsalter mag unter 40 liegen. Aber ist das ein Nachteil? Eine alte Weisheit sagt, dass die Mischung als neuen Ideen und der Erfahrung der alten die richtige Mischung macht. Hier haben junge Menschen (damit meine ich diejenigen unter 40!) eine Chance dabei zu sein. Es sind genau diejenigen, denen die etablierten Parteien vorwerfen uninteressiert zu sein. Aber genau das sind sie nicht. Sie sind interessiert, die nehmen teil – sie nehmen aktiv teil, weil man sie lässt.

Ich prognostiziere den Piraten gute bis vorzügliche Zukunftsaussichten, wenn sie es schaffen diese Selbstdarstellung, diese „vibrations“ aufrecht zu erhalten. Denn diese Piraten haben das Potential nicht nur mich, sondern auch die Generation meiner Eltern aktiv für Politik zu interessieren. Die Piratenpartei ist jene Partei die es schaffen kann, viele Bürger die bei jeder Wahl eine Ankreuzmöglichkeit „Keiner von denen da oben hat mein Vertrauen“ suchen, hinter sich zu bringen. Denn Offenheit und Bürgernähe schafft Vertrauen. Ina Deter sang mal „Neue Männer braucht das Land“. Vielleicht brauchen wir die immer noch – eine Partei haben wir schon mal.

Piratenpartei? Politik die begeistern kann!

Nachsatz: Ich las in den Medien, dass Frauen bei dem Parteitag unterrepräsentiert sind. Das mag stimmen. An der Partei liegt es sicher nicht. Vielleicht fehlt vielen Frauen (noch) der Mut sich aktiv zu beteiligen. Frauen, die ihr das hier lest: Versucht es mal.

Die verschrobene Realität des SPD Vorsitzenden Franz Müntefering

Demokratie lebt vom Mitmachen: SPD-Chef Müntefering hat mehr politisches Engagement der Bürger angemahnt. Viele Deutsche kritisierten lieber die Politik, als selbst zu handeln – dabei sei „jeder in der Verantwortung“.

schreibt der Spiegel. Sagt mal, ist der Mann besoffen, lebt er in einem Paralleluniversum, leidet er ujnter Demenz/Alzheimer oder was treibt ihn zu solchen Aussagen?

Sehr geehrter Herr Müntefering, die Bürger dieses Landes (und auch Mitglieder der Partei dessen Vorsitzender Sie sind) haben in den letzten 4 Wochen versucht die demokratischen Werkeuge unserer Demokratie zu nutzen. Ihre Parteimitglieder (in Ihren Augen wohl nur niedrige, zu ignorierende Wahlhelfer) haben versucht auf Ihrem Parteitag aktiv mitzugestalten: Sie wurden ignoriert. Über 134.000 Bürger haben mittels Petition und mittels Meinungsäusserung auf Demonstrationen, mittels persönlichen Gesprächen, einer Anhörung und auch viel Medienarbeit, versucht die Demokratie mitzugestalten. Und was ist passiert?

Herr Müntefering – ich bin in diesem Moment SEHR-SEHR böse, denn es ist NICHTS passiert. Gerade Sie und ihre Partei haben in den letzten Wochen bewiesen, was mit Bürgern passiert, die versuchen aktiv mitzuwirekn: Sie werden ignoriert. Und gerade Sie, der Vorsitzende eben DER Partei die hätte wirksam die Meinung der Wähler aufgreifen und den Wählern zeigen können, dass Teilnahme an Poltik wirksam ist, kritisieren jetzt diese Bürger? Bei allem Respekt, aber in meinen Augen sind Sie ein skrupelloser, machtgeiler Mensch! Anstelle sich der Meinung der Bürger anzunehmen und als Parteivorsitzender sich auch einmal gegen die Medien zu stemmen um etwas Falsches zu verhindern, lassen Sie sich (fehlkalkuliert) von der Springer-Presse fernsteuern.

„Es gibt ein Gefühl bei manchen, dass derjenige, der nicht handelt, mit dem, was passiert, nichts zu tun hat“

werden Sie zitiert. Wissen Sie, welch ein Schlag ins Gesicht diese Aussage ist, für all diejenigen, die es versucht haben? DIE gehandelt haben, aber von Politikern wie Ihnen ignoriert werden?

Ich hoffe inständig, dass diese, Ihre Überheblichkeit sie verfolgen wird. Weiterhin hoffe ich nach den Wahlen im September auf Ihrem Gesicht die Verzweiflung und die Hilflosigkeit zu sehen, wenn Ihre Partei das schlechteste Wahlergebniss ever zu erklären versucht.

Über Unangreifbarkeit von Zentren der Macht – am Beispiel der SPD

Gern stellt sich die SPD als die mässigende Partei der Mitte – fast schon eine Mittmachpartei, wie Westerwelle seine FTP gern darstellt. Dem ist aber keineswegs so.

Doe SPD funktioniert wie ein Unternehmen. Es gibt eine Führung/Spitze und es gibt viele untergeordnete Personen. Nun könnte man auf die Idee kommen, dass eine Partei, die den Begriff  „demokratisch“im Namen führt, die Meinungen und Tendenzen der untergeordneten Personen ernst nimmt und diese Meinungen in ihre Überlegungen mit integriert. Dem ist aber nicht zwingend so, wie die diversen Tendenzen aus unterschiedlichen Ebenen der Partei SPD aufzeigen. Sie alle wenden sich gegen das Internetzensurgesetz und sie alle werden vom Parteivorstand ignoriert.

Es ist der Parteiführung egal, ob einzelne Mitglieder auf dem Parteitag einen Antrag zur Abstimmung geben wollen: Dieser Antrag wird abgeschmettert. Eine Erklärung des parteiinternen Online-Beirats wird ebenso ignoriert. Auch der Fraktionsvorsitzender und Landesvorsitzender der hessischen SPD Thorsten Schäfer-Gümbel wird mit seinem Brief an Franz Müntefering und Dr. Peter Struck nichts erreichen können. Genauso wenig, wie die 134014 Mitzeichner der Petition gegen eben dieses zu beschliessende Gesetz.

Die da oben machen ja doch was sie wollen. Im Gegensatz zu einem Unternehmen, bei dem sich der „da unten“ (vulgo Arbeitnehmer) in einer wirtschaftliche Abhängigkeit befindet, kann aber jedes Parteimitglied ohne Leid aus der Partei austreten. Zumal es doch aufstrebende Parteien gibt, die sehr wohl fähige Leute gebrauchen können.

EINES darf man aber niemals vergessen: Es kann auch sein, dass hier einzelne Politiker versuchen – mit ausweglosen Versuchen – der Öffentlichkeit vorzugaukeln, dass bei der SPD noch Menschen mit Gewissen sitzen.

Wir werden sehen, wie es mit der SPD (AG basierend auf Lobbyblala) weiter geht.

BTW: Gewerkschaften haben eine krasse Ähnlichkeit mit der SPD, was die Machtstrukturen angeht…