Finanzielles Lebenslänglich

Fünf Jahre Freiheitsstrafe, davon zwei auf Bewährung: Mit diesem Teil der Strafe kann Jérôme Kerviel leben. Mit den 5 Mrd. Euro Rückzahlung statuiert die Justiz jedoch ein Exempel.

schreibt die FTD in dem Artikel, den Sie mit „Finanzielles Lebenslang für Kerviel“ überschreibt. 5 Milliarden Strafe. Selbst Bundesbankchef Ackermann bräuchte bei seinem Jahreseinkommen von 9,6 Millionen Euro (2009 – Quelle)  glatte 521 Jahre (ohne Zins und Zinseszins!) um diese Strafe abzutragen. Bei komplettem Lohnverzicht. Naja, ein Mensch mit 1.500,-€ Monatsgehalt müsste glatt 278-Tausend Jahre malochen.

Zurück zum „Lebenslänglich“. Ich finde es charmant, einem Menschen der so massiv anderer Leute Geld verbrennt, jedwede Möglichkeit zu nehmen jemals wieder ein Luxusfahrzeug, Eigenheim oder Wohnung zu erwerben. Davon sollten auch deutsche Gerichte mal Gebrauch machen. Dann würden die Bankster vielleicht ein wenig vorsichtiger agieren. Aber unsere Gerichte gestatten den Herren Pleitiers ja sogar noch Boni aus den Banken zu ziehen, die sie selbst in den Untergang wirtschafteten.

Neuer Trick: Lohnverzicht weil Geld verdient wird

Es gibt Vorschläge, da muss man schon äusserst abgebrüht sein um sie öffentlich zu äussern:

Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) hat sich für eine zeitweise Absenkung des Urlaubsanspruchs von Arbeitnehmern in Deutschland auf fünf Wochen ausgesprochen. BVMW-Präsident Mario Ohoven sagte laut einer Vorab-Meldung der Bild– Zeitung am Freitag: „Der Mittelstand hat jetzt wieder volle Auftragsbücher, da wird jeder gebraucht. Deshalb sollte zur Sicherung des Aufschwungs der bezahlte Urlaub momentan auf fünf Wochen beschränkt bleiben. Darüber hinaus gehende Ansprüche könnten auf einem Arbeitszeitkonto geparkt und zum Beispiel bei schlechter Auftragslage abgegolten werden.“

Entnehme ich der TAZ. Der Herr Ohoven ist laut Wikipedia kein Unbekannter. Besonders das Kapitel bezüglich der Verfahren gegen ihn ist aufschlussreich.

Aber zurück zu der FrechheitIdee, die Herr Ohoven da äussert. Wenn wir nämlich davon ausgehen, dass auch der Urlaub eine Form der Vergütung ist, so soll der Arbeitnehmer in Zeiten der guten Erträge seinem Arbeitgeber einen Arbeitszeitkredit gewähren. Mit dieser Form der Kapitalvermehrung hat Schlecker gerade auf sich aufmerksam gemacht: Überstundenvergütung nicht auszahlen und auf ein internes Konto legen.

Naja, Herr Ohoven ist Anlageberater, und wem verdanken wir die Finanzkrise? Welche Branche ist für ihr besonders widerliches Gebahren was die Mehrung des eigenen Kapitals angeht bekannt? Es sind die Finanzler. Passt alles ins Bild.

Nachtrag: Und nein, Ohoven produziert KEINE Fahrradschläuche, auch wenn der Verdacht nahe liegt.

Warum ich Aktionäre hasse

Schon vor 15-20 Jahren wurden völlig hanebüchene unternehmerische Entscheidungen mit der Erklärung entschuldigt: „Shareholder-Value“ – alles was gut ist für den Aktionär wird gemacht. Ob das Produkt oder Teile der Firma den Bach runter gehen: Alles egal. Hauptsache der Aktionär ist zufrieden gestellt.

Ein schönes Beispiel dieser dummdreisten Erklärung für depperte Aktionen liefert die Deutsche Telekom, das ehemalige Staatsunternehmen:

Trotz des herben Gewinnrückgangs will der Konzern die Dividende für das abgelaufene Jahr stabil halten. Die Aktionäre sollen wie in den beiden Vorjahren mit 0,78 Euro je Aktie bedacht werden. Bis 2012 versprach das Unternehmen zudem erstmals eine Mindest-Ausschüttung. Sie soll bei 70 Cent liegen. (Quelle Spiegel)

Nun ist es ja nicht so, dass die Aktionäre keinen Anteil am Erfolg eines Unternehmens haben. Das kann ich natürlich nicht ausblenden. Der Aktionär gibt Kapital und der Arbeiter/Angestellte gibt seine Arbeitskraft. Beide gilt es nach Maßen zu honorieren.

Was passiert aber, wenn keine Gewinne erwirtschaftet werden?

  • Für Arbeitnehmer/Angestellte: Als erstes werden Nullrunden bei den Tarifverträgen angemeldet, dazu wird Kurzarbeit und/oder ein freiwilliger Lohnverzicht vereinbart. Wenn das alles nicht hilft, müssen Arbeitnehmer entlassen werden.
  • Für Aktionäre: Es ändert sich nichts. Auch wenn das Unternehmen an die Wand gefahren werden sollte (Vergl. Banken), wird der letzte Leidtragende der Aktionär sein.

Dieses Ungleichgewicht, nämlich dass der arbeitende Teil der Bevölkerung für die Erträge der Kapitalbesitzer bluten muss, ist einer der Gründe warum ich Aktionäre hasse. Wenn der Begriff „Shareholder-Value“ fällt kommt mir typischerweise das Essen hoch.