Ich habe mich geirrt und dennoch recht

Vorhin schrieb ich, dass der Fund von diversen Waffenlagern in Erdbunkern wohl von unserem Innenminister etwas aufgebauscht wird. OK, an der Stelle irrte ich und der Spiegel berichtet nun:

Diese Entdeckung hat es in sich: Polizisten haben in Bayern zehn Liter Sprengstoff, mehrere selbstgebastelte Handgranaten und Sprengkörper in verborgenen Erdlöchern sichergestellt. Die Waffendepots hatte ein Obdachloser angelegt – auch in anderen Bundesländern.

Wie kommt dieser PennerObdachlose auch dazu gerade in dem Moment seine Waffenverstecke so scheisse zu terminieren, dass die Meldung ganz kurz vor der eigentlichen Schäuble-Aktion öffentlich wird:

Angesichts erhöhter Terror-Gefahr sind gut eine Woche vor der Bundestagswahl die Sicherheitsmaßnahmen in Deutschland verschärft worden. Auf allen Flughäfen und an einigen Bahnhöfen patrouillieren seit heute Bundespolizisten mit schweren Schutzwesten und Maschinenpistolen.

schreibt die Tagesschau. Tja, geirrt und doch in der Sache recht behalten. Geht doch … GEHT DOCH! Wenn Schäuble nicht mehr Innenminister ist, wird meine Kristallkugel nicht mehr so  deutlich sein.

Was wird uns unser Innenminister heute wohl erzählen?

Mit Basti – vom Unwort – unterhielt ich mich vor gefühlten 100 Jahren über die Vorhersehbarkeit von Politik und Medien. Ich stellte die Behauptung auf, dass vor Bundestargsabstimmungen in Sachen Strafverschärfungen und Grundrechtseinschränkungen IMMER etwaige „Terroristen“ oder ähnliches gefangen genommen werden, die kurz davor waren die BRD dem Erdboden gleich zu machen. Irgend ein Bedrohungsszenarie zaubern die IMMER aus dem Zylinder.

Gerade heute muss ich wieder an dieses Gespräch denken, als ich nämlich zufällig über folgende Zeilen stolperte:

Die oberfränkische Polizei hat mehr als 20 Waffendepots in ganz Deutschland ausgehoben. Die Ermittlungen dauerten über ein Jahr, weil die Polizei zuerst den Code entschlüsseln musste, der zu den Verstecken führte.

Weitere Einzelheiten will die Polizei am Freitag (18.09.09) auf einer Pressekonferenz bekanntgeben.

schreibt BR-Online. Über ein Jahr ermittelnd und – das Medienecho muss noch nachhallen können – ausgerechnet eine Woche vor der Bundestagswahl wird diese Geschichte veröffentlicht – kommt aus Franken (nee, nicht Bayern – sonst lege ich mich mit ALLEN Franken an!) aber eben doch von einem bayrischen Medium lanciert? Nachtigall ick hör dir trappsen.

Seid gespannt, was da noch in den nächsten Tagen draus erwächst. Achso: Auf diese Sput kamen die Ermittlungsbehörden nicht durch abgehörte Telefonate oder im afghanischen Trainingslager ausgebildete Nachwuchsterroristen, sondern:

Auf die Spur brachte die Ermittler ein 53 Jahre alter Obdachloser. Beamte hatten ihn im Mai 2008 gestellt, als er ein Fahrrad stehlen wollte. Als er durchsucht werden sollte, schoss der Obdachlose auf einen der beiden Polizisten und verletzte ihn schwer.

Mehr Überwachung! Mehr Panik! Mehr CDU! Mehr Schäuble!    Oder lieber doch nicht?

TV-Duell war einmal – nun kommt das Internet-Duell

Ist es nicht schön: Steinmeier und Merkel wollen kein weiteres Fernsehduell austragen.

Nach Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat auch SPD-Herausforderer Frank-Walter Steinmeier die Teilnahme an weiteren Fernsehdebatten vor der Bundestagswahl abgesagt. (Quelle Spiegel)

Ich finde dies ist eine konsequente Umsetzung der Erfahrungen aus dem Obama-Wahlkampf: Die Schlacht wird ins Internet verlegt. Es treten nicht mehr die Profis an, sondern die Wadenbeisser werden ins Internet gelassen. Auf allen Seiten. Schöne Beispiele sind (und ich integriere hier bewusst keine Links) Verbalkämpfe gegen Dieter Nuhr, der sich (auf seine bekannte Art) mit der Piratenpartei beschäftigt hat und von „kleinen Jungs“ argumentationslos runtergemacht wurde. Wie kann er es auch nur wagen etwas gegen die Piratenpartei zu sagen? Das ich Mitglied der Piratenpartei bin ist kein Geheimnis, aber man muss doch nicht auf alles reagieren! Einfach mal die Klappe halten und Kritik auch mal wirken lassen – könnte doch was dran sein. Aber im Internet darf – ja MUSS – man die Klappe aufreissen.

Auf einem anderen Schauplatz wird ein Pirat dafür runtergeputzt, dass er dem falschen Medium ein Interview gab. Ja, aber HALLO! Wie kann er nur? Auch das Eingestehen eines Fehlers und eine Entschuldigung wird nicht als Ende der Auseinandersetzung akzeptiert. Das war was und das MUSS bis zum Erbrechen immer und immer wieder ausgewälzt werden. Eine Metadiskussion ist die Folge.

Manchmal frage ich mich, ob manche Leute eigentlich noch einen letzten Funken Selbstreflektion und Anstand behalten, wenn sie sich hinter die Tastatur setzen. Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden. Wo bleibt die grosse Akzeptanz, die vielbeschworene Offenheit „des Netzes“? WIR Netzaktiven verhalten uns teilweise schlimmer als die Kids im Kindergarten, wenn man ihnen die Schaufel weggenommen hat.

Die Netiquette von 1995 sollten wir uns ALLE noch einmal vor Augen halten (Auszüge):

1. Vergessen Sie niemals, dass auf der anderen Seite ein Mensch sitzt!

Wenn sie ihre Artikel verfassen, denken viele Leute leider nicht daran, dass die Nachrichten nicht von Computern gelesen werden, sondern von anderen Menschen.  Ihre Nachricht kann nicht nur von Leuten im deutschsprachigen Raum gelesen werden, sondern auf der ganzen Welt. Lassen Sie sich also besser nicht zu verbalen Ausbrüchen hinreissen.  Bedenken Sie: Je ausfallender und unhöflicher Sie sich gebärden, desto weniger Leute sind bereit, Ihnen zu helfen, wenn Sie selbst einmal etwas brauchen.  Eine einfache Faustregel: Schreiben Sie nie etwas, was Sie dem Adressaten nicht auch vor anderen Leuten ins Gesicht sagen würden.

2. Erst lesen, dann denken. Noch einmal lesen, noch einmal denken. Und _dann_ erst posten!

Die Gefahr von Missverständnissen ist bei einem schriftlichen Medium besonders hoch. Vergewissern Sie sich mehrmals, dass der Autor des Artikels, auf den Sie antworten wollen, auch das gemeint hat, was Sie denken. Insbesondere sollten Sie darauf achten, ob nicht vielleicht Ironie, Sarkasmus oder eine ähnliche Variante des Humors benutzt wurde, ohne ihn mit dem Smiley-Symbol „:-)“ zu kennzeichnen.

Wenn wir „Netzbewohner“ uns nichtmehr an alte Errungenschaften, wie ein kultiviertes – gern auch kontrovereses – miteinander, besinnen köenne, wie wollen wir das Anderen vermitteln? Auch wir haben eine Verpflichtung: Mit gutem Beispiel voran zu gehen, denen da draussen im Realleben zu zeigen, dass wir keine Freakshow, sondern Menschen sind mit denen man sich sehr wohl auseinander setzen kann. Ihr wollt als $Partei-Sympathisant ernst genommen und geachtet werden? Dann gesteht dieses auch eurem Gegenüber zu.

Das ausgerechnet ICH sowas nochmal schreibe(n muss), hätte ich auch nicht gedacht. Aber wenn ich mir anschaue, wie sich einige der Leute mit denen ich gemeinsam(!) etwas erreichen möchte aufführen, wird mir schwindelig.