Der Unterschied zwischen Politikern und Staatsmännern

Ich mache kein Hehl daraus: Ich verneige mich vor unserem letzten wirklichen Bundeskanzler Helmut Schmidt. Dieser Mann ist gewiss nicht unfehlbar – er ist ein Mensch und hat Schwächen. Aber er ist scharfsinnig und spricht aus, was auszusprechen ist. Mein heutiger „Nachfrühstück-Kaffee“ wurde durch das Lesen eines Interview in der Welt kurzweilig.  Schmidt erklärt der Welt wo ihre Stellung in der Medienlandschaft ist:

Welt am Sonntag: Bei der Südamerika-Reise wurde der Fall politisch.

Schmidt: Es hat sicherlich auch Ministerreisen gegeben, wo jemand seine Geliebte mitgenommen hat. Das sind Themen, die nicht in Qualitätszeitungen gehören. Eine Zeitung von Niveau sollte sich nicht mit dem Privatleben von Politikern beschäftigen, auch nicht mit dem Privatleben großer Künstler oder Wissenschaftler.

BÄMM – Treffer und versenkt. Furztrocken – ohne Anlauf haut der Schmidt mal kurz die Trommel. Und die Welt hat auch Arsch in der Hose und druckt es ab. Respekt.

Auch zum Internet hat Schmidt seine eigene Meinung:

Welt am Sonntag: Gehen Sie ab und zu ins Internet?

Schmidt: Nein. Das machen meine Mitarbeiter. Wenn es um etwas Unwichtiges geht, kann man das auch verwenden. Aber wenn etwas wichtig ist, dann verlange ich, dass es woanders nachgeprüft wird. Es steht so viel Falsches in Wikipedia oder sonst wo online, da bin ich sehr zurückhaltend. Aber das ist natürlich die altmodische Attitüde eines älteren Mannes. Ich bin übrigens skeptisch, ob Zeitungen im Internet jemals Einnahmen erzielen können, die zu Buche schlagen. Das ist bisher nur die große Hoffnung der Verlagschefs. (Hervorhebung von mir)

Sowas nennt man Selbsterkenntnis – eine Gabe von der heute aktive Politiker weitestgehend befreit zu sein scheinen.

Auch spricht er ein massives Problem der heutigen Zeit an:

Schmidt: […]Man sieht es bei fast allen Zeitungen, die haben ihr Niveau schrittweise abgesenkt. Zum Teil aus ökonomischen Gründen, zum Teil, weil die Leser nicht mehr sorgfältig lesen wollen.

Tja, so ist das. Die Frage die bleibt ist. Wenn wir den heutigen „professionellen“ Journalismus als Qualitätsjournalismus bezeichnen, wie nannte man den den früheren Journalismus?

Von solche einem intelligenten Mann können sich unsere heutigen Witzfiguren ruhig mal eine Scheibe abschneiden.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft ist wunderbar parteilos

Die Deutsche Polizeigewerkschaft fordert laut Welt:

Dass er am 1. Mai an einer Sitzblockade gegen rechtsextreme Demonstranten teilnahm, bringt Bundestagsvizepräsident Thierse immer mehr Ärger ein. Jetzt fordert die Deutsche Polizeigewerkschaft seinen Rücktritt. Der SPD-Politiker sei „die personifizierte Ansehensschädigung des deutschen Parlaments“.

Ja, der Thierse, der gegen einen Aufmarsch von „Rechtsnationalen“ behindert soll zurücktreten. Ich helfe der Polizeigewerkschaft gern mal ein wenig aus und zähle auf, was für Straftaten KEIN Grund sind sich aus dem politischen Leben zurück zu ziehen:

  • Otto Wiesheus wurde 1993 bayrischer Wirtschaftsminister, nachdem er 1985 wegen Trunkenheit am Steuer (wobei ein Mensch starb) zu einem Jahr Gefängnis auf Bewährung und 20.000 Mark Geldstrafe verurteilt wurde. Aber Allohol und Unfall mit Todesfolge ist etwas anderes – zumindest in Bayern.
  • Dieter Althaus wurde wegen fahrlässiger Tötung verurteilt, wurde dennoch zur Wahl in Thüringen aufgestellt
  • Otto Graf Lambsdorff wurde wegen Steuerhinterziehung rechtskräftig verurteilt – und wurde danach Ehrenvorsitzender der FDP
  • Der Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl leidet an partieller Anmesie und kann sich an nichts erinnern. Er ist nicht vorbestraft, obschon er gegen ein Gesetz verstösst dass er selbst auf den Weg brachte.

Naja, aber das sind ja alles harmlose Delikte im Vergleich zu „auf der Strasse im Weg sitzen“. Bravo Deutsche Polizeigewerkschaft – und gegen Kennzeichnungen auf den Uniformen der gewalttätigen Bereitschaftspolizisten seit ihr immer noch, oder? Dabei sind die unerkannten, gewalttätigen und von Kollegen geschützten Bereitschaftspolizisten eine weitaus grössere Gefahr für dieses Land als es Thierse sein könnte.

NACHTRAG:

Eben lese ich den Spiegel und muss fast kotzen:

Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft, Rainer Wendt, sagte: „Herr Thierse hat Einsatzkräfte der Polizei behindert.“ Das sei Nötigung. „Aber viel schlimmer ist, dass jemand, der ein so hohes Staatsamt bekleidet, öffentlich Rechtsbruch zelebriert“, erklärte Wendt im Nachrichtensender N24. „Er sollte seinen Hut nehmen.“ Man könne nicht werktags „mit Fahrer und Chauffeur auf Staatsmann machen und am Wochenende als Salon-Revoluzzer auf der Fahrbahn sitzen und die Polizeikräfte behindern“.

Polizisten, die ihre Straftaten begehenden  Kollegen decken begehen keinen Rechtsbruch? Polizisten, die Bürger verprügeln, die an der Erde liegenden Frauen im Vorbeigehen (mit Stiefeln!) ins Gesicht treten dürfen einfach so weitermachen und werden von der Polizeigewerkschaft indirekt gedeckt, da die Polizeigewerkschaft verhindert dass diese „Schläger in Uniform“ einwandfrei identifiziert werden können?

Was für hat das deutsche Volk nur verbrochen, dass nun auch die Polizisten (die ja in der Polizeigewerkschaft organisiert sind) anscheinend jegliche Bodenhaftung verloren haben?

Der Fall Kachelmann scheint den Medien wie gerufen zu kommen

Gerade lese ich in der Süddeutschen einen Artikel über die Missachtung des „Fall Kachelmann“ bei der ARD

Darf über Vorwürfe gegen Jörg Kachelmann berichtet werden? Die ARD-Praxis des Verschweigens gerät in die Kritik.

„Die ARD-Praxis des Verschweigens“. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen und ein paar Folgefragen stellen:

  • Berichtet die BILD über jede Kritik des Presserates an ihrem Blatt? Muss sie dieses?
  • Berichtet die Zeit über die Krankheit des Ex-Bundeskanzlers Helmut Schmidt (der schliesslich Mitherausgeber ist)
  • etc.
  • pp.

MUSS ein Medium über alles berichten? Werde ich hier im Blog auch schreiben müssen, wenn ich mal betrunken bin?

Kein Medium MUSS informieren. Mir ist bewusst, dass Nichtinformieren auch eine Form der Manipulation sein kann. Dieses wird aber nur zu einem Treffer, wenn Informationen exklusiv vorliegen. Wenn Informationen so breit herum sind wie in diesem Fall, so würde ICH den alten Leitsatz gelten lassen: „Niemand muss sich selbst belasten“. Und da Kachelmann ein Auftragnehmer der ARD ist, tut die ARD eventuell sogar gut daran, einen Geschäftspartner eben NICHT vorzuverurteilen, wie es der gesammelte Pressewald gerade tut.

Was passieren kann, musste  Herr Türck erleben. Dem hat keine schreibende Sau einen Teil seines Zeilenhonorars als Schmerzensgeld überwiesen. Der wurde totgeschrieben und dann von der Journaille ausgespuckt.

Aber noch eine Facette spielt da eventuell mit hinein: Der alte Kampf der Standardmedien gegen die Öffentlich-Rechtlichen. Da kann man doch mal gegen die ARD keilen – dann druff.

Nur meine Meinung….