Medizin muss bitter schmecken

Noch schauen wir mit gemischten Gefühlen nach Griechenland, beobachten die Demonstranten die sich gegen die Sparpläne auflehnen, und schimpfen über die Kosten die wir nun zu tragen haben.

Nur – ob wir es wahrhaben wollen oder nicht: Auch wir müssen sparen, denn auch die Bundesrepublik Deutschland verstößt bereits gegen die Maastricht-Richtlinien. Darüber wird ungern gesprochen, gerade unser Außenminister und Vizekanzler möchte lieber Steuern senken als dass er Schulden abbaut. Aber so wird es nicht gehen. Wir leben über unsere Verhältnisse, geben mehr Geld aus als wir einnehmen.

Helmut Kohl hat Steuern gesenkt um die Wirtschaft anzukurbeln: Staatsverschuldung steigt. Rot-Grün senkte die Steuern um die nachfrage zu erhöhen: Die Staatsverschuldung stieg. Welche Halbwertzeit haben Wirtschaftsinformationen eigentlich in den Köpfen der Politiker? Wenigstens bis zur nächsten Wahl? Wenn die Menschheit so vergesslich wäre wie es Politiker sind, hätten wir das Rad, Dampfmaschine und den aufrechten Gang längst wieder vergessen.

Auch wenn es keiner hören mag: Wir brauchen Sparmaßnahmen JETZT und HIER. Wir brauchen einen höheren Spitzensteuersatz und wir brauchen vor allem eine Steuer auf Geldgeschäfte. Es ist sicherlich nicht populär, aber manchmal muss Medizin einfach bitter schmecken. Die Schuld dafür auf Griechenland, Portugal oder Irland zu schieben ist billig, denn auch deutsche Unternehmen haben an dem Untergang der ausländischen Wirtschaften verdient – genau so wie gewisse Kreise sich in der Bankenkrise eine goldene Nase verdienten. Aber damit muss Schluss sein. Die Gewinner müssen einen Teil des Gewinns abgeben um das Ganze zu retten.

Enteignet die Banken

Jaja, wird sich so mancher denken, da hat er aber wieder eine reisserische Überschrift gefunden. Meine Antwort: Stimmt 🙂

Was bildet die Substanz der Banken? Sind es Bodenschätze, die auf Grundstücken abgebaut werden, die den Banken gehören? Ist es ein besonderes Know-how der angestellten Wissenschaftler, sind es Patente? Alles falsch. Das Kapital der Banken wird weitgehend von deren Kunden – uns – zur Verfügung gestellt. Mit unserem Geld wird (ver)spekuliert bis die Schwarte kracht.

Die TAZ hat da einen schönen Bericht, welche Auswirkungen die Bankenkrise auf das Verhältnis der Kunden zu „ihren“ Banken hat:

Bei den Investmentfonds, über die der BVI berichtet, gingen zwischen Januar und August 2009 etwa 87 Prozent weniger neue Mittel ein als im gleichen Zeitraum 2007. Zwischen Januar und August 2009 betrug der Zuwachs rund 5,7 Milliarden Euro. 2007 hatte das Volumen dagegen um fast 46 Milliarden zugenommen.

Das ist doch schon mal ein Anfang. Aber wo geht das Geld hin, wenn es denn nicht mehr in Investmentfonds fliesst?

Während die etablierten Banken weniger Geld erhalten, verzeichnen andere Institute einen Zuwachs. So berichtet die Bochumer GLS-Bank, die sozial- und umweltverträgliches Investment anbietet, dass die Zahl ihrer Kunden seit Anfang 2008 von 55.000 auf mittlerweile 70.000 angestiegen ist. Die Bilanzsumme wird dieses Jahr um rund 30 Prozent auf mehr als 1,3 Milliarden Euro wachsen. Andere Öko-Investment-Firmen berichten Ähnliches.

Da geht also noch was – und zwar in eine Ecke die nicht zwingend darauf ausgelegt ist hahnebüchene Steigerungsraten zu erreichen, wie es die Deutsche Bank AG versucht. Wer in einer Marktsituation, in der eine Deflationsgefahr wie ein Skalpell über uns schwebt – mit Geldgeschäften(!) massiv viel Geld verdienen will, muss irgendwen – zumindest indirekt – bestehlen (oder auch nur unanständig bedienen).

Der TAZ-Artikel ist insgesamt deutlich lesenswert und endet mit den Worten:

Eine neue Zivilökonomie, die sich auch gegen große Unternehmen durchsetzen kann, ist möglich. Sie beruht auf der kreativen Wiederaneignung von Kapital und Know-how durch die Bürger. Damit wird man nicht gleich den Finanzkapitalismus aus den Angeln heben. Aber mehr Autonomie und Lebensqualität lassen dadurch schon erreichen.

Bankenkrise wird uns noch in 16.000 Jahren medial begleiten

Wenn wir davon ausgehen, dass die „Dienstwagenaffaire“ der Ulla Schmidt uns eine Woche medial begleitet, werden wir noch SEHR lange in den Medien von der Bankenkrise lesen dürfen.

Getreu dem Motto: Alles bitte in seiner Relation lassen – und inspiriert durch die TAZ, die schreibt:

102 Milliarden Euro Staatshilfe bei der Hypo Real Estate geteilt durch 120.000 Euro für Schmidts Wagen = 850.000 Stück

mache ich mal folgende Rechnung auf:

  1. 120.000€ = Eine Woche mediale Aufmerksamkeit
  2. 102.000.000.000€ / 52 Wochen a‘ 120.000 = 16.346 Jahre Aufmerksamkeit.

16 Tausend Jahre! Wo ist das Geschrei? Wieso werden die Banker, die jetzt bereits wieder gierig nach Boni schreiben noch nicht mit Fackeln und Heugabeln durch die Strassen gejagt?