Sehr geehrter Herr Bundespräsident Wulff

Gestern wurden Sie gewählt, morgen sollen Sie vereidigt werden und schon heute höre ich aus ihrem Munde Worte, die ich so gar nicht glauben kann. Sie sagten eben gerade in der Tagesschau (sinngemäß)

Die Präsidentenwahl war ein grosser Erfolg, da sie viele Bundesbürger wieder für Politik begeistern konnte.

Sehr geehrter Herr (fast) Bundespräsident,

ich gehöre zu den Bürgern, bei denen die gestrige Wahl die „Begeisterung“ für Politik noch weiter hat abnehmen lassen. Ich habe weiterhin Interesse an Politik, da Politik SEHR wichtig für das Land und die Bürger ist. Was allerdings Sie und ihre Kollegen Politiker derzeit als Arbeitsergebnisse abliefern, ist in meinen Augen eine Schande  und die Art wie die Präsidentenwahl durchgeführt wurde, ein Beweis für den täglich gelebten Verfassungsbruch.

Im Vorfeld waren sicherlich viele Menschen an dem Ausgang der Wahl  interessiert. Dies als Politikbegeisterung zu bezeichnen ist zumindest fragwürdig, denn auch die Adelshochzeit in Schweden interessierte Menschen aus aller Welt. Sind diese Menschen nun langanhaltend für die schwedischer Monarchie begeistert? Oder wird da von Ihnen wieder Realität manipuliert, wie man es eben als Politiker so gern tut? Genau DIESE Art Dinge zu betrachten und zu bewerten ist es, die von den Bürgern dieses Landes nach und nach durchschaut wird und die den Menschen zum Halse raus hängt.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit – von Ihnen erwarte ich nichts Gutes. Schaffen Sie es, mich positiv zu überraschen? Geben Sie sich Mühe!

Fraktionszwang/-disziplin – ein Verfassungsbruch

Abgeordnete sind – auch wenn sie einer Partei angehören – nur ihrem eigenen Gewissen verpflichtet. Unser Grundgesetz sagt dazu:

Artikel 38

(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

Wie aber lässt sich das mit dem Phänomen vereinbaren, dass gerade derzeit durch unsere Medien taumelt und auf den Namen Fraktionszwang hört. „Die CDU stimmt so ab“ – Die FDP wird so abstimmen“. Mit welcher Arroganz ausgestattet und wie verfassungsfeindlich müssen Menschen/Politiker sein, die den Abgeordneten ihr Wahlverhalten versuchen nahezulegen oder gar vorzuschreiben.

In meinen Augen gilt es JEDEN Politiker, der sich anmasst eine Aussage über das Abstimmverhalten seiner Parteikollegen zu treffen, als Ziel des Verfassungsschutzes. Wenn gar Fraktions- oder Parteivorsitzender eine diesbezügliche Erklärung abgibt, sollte dieser ein Fall für eine Untersuchung durch den Verfassungsschutz sein. Eventuell könnte sich auch der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, der für Landesverrat und Delikte gegen die innere Sicherheit zuständig ist, wegen einer perfiden „Nötigung zum Schaden der Demokratischen Grundordnung“ in die Sache einmischen.

KÖNNTE, MÜSSTE, SOLLTE. Weil es aber um unsere Grundordnung ohnehin schon deutlich übel steht, wird weiterhin die Fraktionsdisziplin eingefordert werden und die Lemminge mit Abgeordnetengehalt werden weiterhin mehrheitlich das tun, was ihnen ein „Vorbild mit Möglichkeit der Vorteilsnahme“ vorschlägt.