Endlich wieder Fototermin mit Guttenberg

Nachdem Guttenberg in Sachen Gorch Fock bislang ausschliesslich nach der „Axt im Walde“-Methode vorging – auch auf Anraten des Springerverlages – zeigt er nun, das er ein Mann der Tat ist.

Naja, nicht unbedingt einer der schnellsten, aber immerhin – nach vielen Wochen will Guttenberg nun auch mit den betroffenen Soldaten der Stammbesatzung sprechen. Wahrscheinlich, weil die Bild-Reporter  keine Interviews bekamen und der alte Dieckmann-Kumpel Guttenberg in der Pflicht steht, was Storys angeht.

Ausserdem ist das Licht in Südamerika auch viel besser für die Bild-Berichterstatter (haha- Wortwitz), als es in Kiel jemals sein könnte. Warum die deutschen Soldaten nicht nach vorn kommen ist nun aber auch endlich bekannt geworden:

Dabei sicherte er [Guttenberg]den Offiziersanwärtern seine volle Unterstützung zu: „Ich stehe vor jedem Soldaten.“

Quelle Spiegel. Der Mann von Porno-Steffi soll nicht VOR sondern hinter seinen Soldaten stehen. Ein Vorgesetzter hat nicht im Weg zu stehen, sondern seinen Untergebenen den Rücken frei zu halten. Da aber die Fotos immer von vorn gemacht werden, weiss Gutti wo er hingehört: Nach vorn ins Rampenlicht.

Wegtreten!

Offener Brief der Gorch Fock Besatzung

Wer sich in den letzten Tage positiv über die Ausbildung bei der Bundeswehr allgemein und im speziellen bezogen auf die Gorch Fock äusserte wurde schnell als Schinder mit menschenverachtenden Tendenzen bezeichnet.

Ich war mir stets weitgehend sicher, dass die Vorwürfe die man in den „Qualitätsmedien“  zu lesen waren, entweder aus der Feder von phantasiegeplagten Notdurftschreibern stammen müssten oder von rachesüchtigen kleinen Kindern, die als Offiziersanwärter auf der Gorch Fock von den Ausbildern nicht ihren Cappuccino und ihr Croissant an die Hängematte gebracht bekommen haben.

Der Spiegelfechter von Jens Berger hat nun einen offenen Brief der Stammbesatzung der Gorch Fock zugespielt bekommen, der von der Stammbesatzung der Bark verfasst wurde und an das Verteidigungsminister zu Guttenberg gerichtet ist. Mit der Erlaubnis von Jens möchte ich diesen Brief hier komplett zitieren. Lest es und vor allem versteht – ihr findet viele Punkte angesprochen, die auch von den „Qualitätsmedien“ (wenn auch aus einer völlig anderen Perspektive) bereits angesprochen wurden. Entscheidet selbst wie ihr die einzelnen Punkte und Darstellungen bewertet:

Offener Brief

Besatzung Segelschulschiff GORCH FOCK
Schweriner Straße 17a
24106 Kiel

Sehr geehrter Herr Minister,

mit diesem Brief möchten wir uns als Stammbesatzung zu den Behauptungen, die in der Presse kursieren, äußern. Des Weiteren soll dieser Brief Ausdruck und Zeichen sein, wie sehr die Stammbesatzung hinter ihrem Kommandanten steht.

Unfall Salvador de Bahia

Der Unfall unserer Kameradin in Salvador war für alle ein harter Schlag und nicht leicht zu verarbeiten. Dies hat man sehr deutlich am Zustand der Besatzung feststellen können, vor allem bei den direkt betroffenen Soldaten in der Takelage und an Deck. Daher ist es uns unverständlich, Äußerungen zu hören, welche uns Ausbilder als Menschenschinder bezeichnen. Dies ist ein Schlag ins Gesicht jedes Einzelnen hier an Bord und Rufmord!

Dies alles sind Äußerungen von Petenten, die ein grundsätzliches Problem mit der Gorch Fock haben. In Salvador war eine Besatzungsfeier auf der Pier geplant. Diese wurde natürlich abgesagt. Vielmehr hat der Offizierslehrgang am letzten Tag in Salvador für die Besatzung und die Ausbilder ein Bier ausgegeben, um gemeinsam die Geschehnisse zu besprechen und die gute/richtige Reaktion der Schiffsführung auf diesen Unfall zu würdigen. Dies alles geschah im Gedenken an unsere verstorbene Kameradin und war vom Lehrgang gewünscht und initiiert. Das in der Presse veröffentlichte Bild entspricht somit nicht den Tatsachen!

Umgang mit der Situation

Die Schiffsführung setzte nach dem Unfall die Enterübungen aus und gestaltete den Dienstbetrieb neu und sinnvoll für alle Beteiligten. Unmittelbar nach dem Unfall suchten die Ausbilder und Vorgesetzten das Gespräch mit dem Lehrgang. Nach den administrativen Erstmaßnahmen wurde ein deutscher Pfarrer aus Salvador benachrichtigt, welcher mit zwei ausgebildeten PEERs (Sanitätsmeister der Besatzung) die seelsorgerische Betreuung an Bord übernahm. Hier hat die Schiffsführung unserer Meinung nach richtig gehandelt und sich fürsorglich um die Besatzung gekümmert. Gerade bei dem Thema „Umgang mit der Unfallsituation“ hörten wir immer nur das Wort „Kadetten“. Wer denkt dabei an die Ausbilder, die diesen Unfall direkt miterlebt haben und die in der Takelage verbliebenen Kadetten sicher an Deck begleitet haben? Diese Jungs haben in einer extremen Situation hervorragende Arbeit geleistet und die Beherrschung behalten.

Der Lehrgang wurde umgehend unter Deck geschickt, um die verunfallte Kameradin nicht sehen zu müssen. Die Stammbesatzung, sprich die Ausbilder, haben an Oberdeck alles Menschenmögliche getan, um der Kameradin zu helfen und sie vor neugierigen Blicken zu schützen.

Kommandoenthebung des Kapitän zur See Schatz

Auch ist uns allen mehr als unverständlich, einen Kommandanten, der allseits beliebt ist, gut zu seiner Besatzung war und viele Entbehrungen auf sich und seine Familie genommen hat, um das Schiff gut zu führen, so abzuservieren, wie es hier der Fall war. Warum wurde ein zuverlässiger, loyaler Offizier ohne Untersuchung bzw. Untersuchungsergebnis so behandelt und bloßgestellt?

Auch fehlte uns der Rückhalt unserer übergeordneten Dienststellen, welche sich zu keiner Zeit vor uns stellten oder sich nach unserem Befinden erkundigt haben. Dies alles vor dem Hintergrund unbestätigter Anschuldigungen, welche eine Gruppe von Petenten (Offiziersanwärter) in Form einer Eingabe an die Öffentlichkeit gebracht haben.

Vorgaben zur Durchführung einer Segelvorausbildung

Der Lehrgangsteilnehmer soll behutsam und unter Aufsicht physisch und psychisch bis an die Grenzen seiner individuellen Belastbarkeit geführt werden, damit er ruhig, sicher und beherrscht handeln kann, wenn er im Einsatz in die Lage höchster Gefahr für das eigene Leben kommt. Der OA (Anm. d. Red.: Offiziersanwärter) erfährt und verinnerlicht die Grundsätze und Ziele der Inneren Führung, den Sinn von Disziplin, Selbstdisziplin und Gehorsam.

Dabei kommt es darauf an, dass der OA im Rahmen der Segelvorausbildung durch die Vermittlung von theoretischen seemännischen Grundkenntnissen und –fertigkeiten sowie durch drillmäßiges Segelexerzieren den Umgang mit Segeln sowie stehendem und laufendem Gut beherrscht und die erforderlichen Sicherheitsaspekte beachtet.

Umsetzung an Bord:

Die Ausbilder an Deck haben Weisung, bei Erkenntnissen, die eine vorübergehende Einschränkung der Entertauglichkeit nahe legen, die betroffenen Soldaten beim Schiffsarzt vorstellig werden zu lassen. Ein Entern allein auf freiwilliger Basis hat an Bord der Gorch Fock bis zum Unfall am 07.11.2011 nicht stattgefunden. Vielmehr waren alle Kadetten, die die genannten Voraussetzungen erfüllten, gehalten, an den Enterübungen teilzunehmen. Soldaten, die sich bei den Enterübungen schwer taten wurden unter besonderer Aufsicht weiter am Topp bzw. durch einen Ausbilder individuell am Besanmast ausgebildet und dabei behutsam an das Lehrgangsziel herangeführt.

Richtlinien für das Entern ab dem 11.11.2011 (nach dem Unfall in Salvador de Bahia): Auf Weisung des Kommandanten fanden weitere Enterübungen nur noch auf freiwilliger Basis statt (Am ersten Tag gingen 20 OAs von 70 nicht in die Takelage, am zweiten Tag nur noch 14).

Wie oben ersichtlich, wurden nach dem Unfall in Salvador einige neue Voraussetzungen festgelegt, um die Sicherheit der Soldaten bei Arbeiten/Ausbildungen in der Takelage zu erhöhen. Auch hier hat die Schiffsführung richtig – und unserer Meinung nach – nicht überzogen reagiert. Die Darstellungen in der Presse sind falsch und extrem verzerrt.

Natürlich müssen die Ausbilder gegenüber den Soldaten die Stimme erheben, denn wir bewegen hier einen Großsegler, mit ca. 2000qm Segelfläche im offenen Seeraum. Dieses Segeln findet nicht nur bei angenehmen Wetterverhältnissen statt, sondern auch bei schwerer See mit Windstärken bis zu Bft. 12. Dass ein Befehl beim Segeln für das Schiff und die an Deck befindlichen Soldaten sicherheitsrelevant ist und durch die erhöhten Windgeräusche laut ausgesprochen, bis hin geschrien werden muss, ist nur logisch und im Rahmen der Fürsorgepflicht richtig.

Daher muss im Hafen eine hohe Leistungsbereitschaft der Lehrgangsteilnehmer hergestellt werden, um das Schiff im Seebetrieb sicher zu führen. Der Kommandant hat sogar die Pflicht, eine hervorragende Ausbildung zu verlangen, so dass er mit der Besatzung das Schiff sicher bewegen kann, und das zum Wohl aller an Bord und anderer Verkehrsteilnehmer. Lehrgangsteilnehmer, die mit dieser Situation nicht zurecht kommen, sollten sich überlegen, ob sie den richtigen Beruf gewählt haben. Denn dieser Ausbildungsabschnitt gehört nun mal zur Offizierbasisausbildung dazu.

Vorwürfe wegen sexueller Belästigung

Lapidar geäußerte Sprüche von jungen Soldaten wie die in der Presse aufgeführten sind und bleiben schlechte Sprüche unterhalb der Gürtellinie und sind auch nur Sprüche!

Zu keiner Zeit wurde hier an Bord ein Soldat von einem anderen angefasst oder gar sexuell belästigt. Natürlich ist die Schiffsführung über die gefallenen Äußerungen nicht erfreut gewesen und hat daher entsprechende Konsequenzen gezogen, nämlich eine Musterung mit deutlichen Worten des Kommandanten an die Soldaten. So etwas wurde und wird hier an Bord nicht toleriert!

Der Name GORCH FOCK ist nach diesen Vorfällen nur noch sehr schwer reinzuwaschen. Dies bedauern wir und – wie wir denken – auch ein Großteil der deutschen Bevölkerung, die immer stolz auf ihre „Weiße Lady“ war, zutiefst! Wie viele Empfänge und Reisen wurden mit diesem Schiff durchgeführt. Überall, wo es auftauchte, freuten sich die Menschen über das Schiff und unser Land.

Natürlich haben sich Politiker jeder Parteizugehörigkeit und übergeordnete Instanzen sehr gerne im Schein dieses Schiffes gefeiert. Genau diejenigen, die uns jetzt fallengelassen haben.

Ich hoffe, sehr geehrter Herr Minister zu Guttenberg, Sie verstehen nun auch die Sicht der Stammbesatzung, die immer ihr Bestes gegeben hat, um sicher und qualitativ hochwertig Kadetten an Bord auszubilden. Wir werden nun in der Presse als schlechte Menschen, ja gar als Unmenschen dargestellt. Dies macht uns und unseren Familien sehr zu schaffen.
Wir, die Stammbesatzung der Gorch Fock, fühlen uns sehr alleine gelassen – hier am Ende der Welt.

Hochachtungsvoll,
Besatzung Segelschulschiff GORCH FOCK

Medien, Realitäten und die Gorch Fock

Drei Dinge vorweg:

  1. Ich will nicht behaupten, dass alle Vorgänge auf der Gorch Fock stets nach Lehrbuch und 100% den Vorschriften entsprechend abliefen. Ich kenne keinen Betrieb in dem man stets „vom Fußboden essen“ kann. Überall findet man etwas Dreck, wenn man nur genau hinschaut.
  2. Ich habe (vor vielen Jahren) bei der Marine gedient und ich mochte den Dienst und die Einstellung der Menschen dort.  Es war ein zwar teilweise sehr harter Dienst (Leistung musste gebracht werden) aber die Menschen waren realistisch und es gab verhältnismässig wenige Volldeppen (die man wiederum in jeder „Organisation“ findet.
  3. Es kann sich in den letzten 25 Jahren viel geändert haben 🙂

Nach dieser ausführlichen Einleitung nun zum eigentlichen Thema: Mir deucht, die Tagespresse hat ein neues Schwein gefunden, das sie durchs Dorf treiben mag: Die Gorch Fock. Ich möchte anhand eines Spiegelartikels (Die neuen Enthüllungen….) einmal aufzeigen, was mir so auffällt:

Die ersten Erinnerungen an die Alkohol-Exzesse der Besatzung stammen vom Beginn des sogenannten 3. Törn von Offiziersanwärtern, die am späten Abend des 5. November 2010 auf der Gorch Fock im brasilianischen Hafen von Salvador de Bahia eingetroffen waren. In der folgenden Nacht, so berichtete ein zurück gekehrter Soldat in der Marineschule in Mürwik dem Team von Königshaus, hätte die Stammbesatzung heftig gefeiert. Zu später Stunde sei dann ein Ausbilder in den Schlafraum gestolpert und habe gelallt, „dass er Offiziersanwärter hasse und sie töten würde“.

Ein Ausbilder, sososo. Von den 83 Mann Stammbesatzung sind 35 Mannschaftsmitglieder Unteroffiziere und 23  Mannschaften. Ich frage: Kam der Ausspruch von einem Offizier/Portepeeunteroffizier (meist älter und erfahrene Menschen, die man wahrlich wahrscheinlich mit Recht Ausbilder nennen darf), oder waren es Maate (Uffze der Marine) oder Mannschaften? Die Maate und Mannschaften sind  sicherlich teilweise auch als Ausbilder zu bezeichnen – aber die sind im Höchstfall 23-25 Jahre alt. Ein junger, besoffener Mensch kann so etwas schon mal sagen. Der junge Soldat ist sicherlich zu disziplinieren, aber ein Angstszenarion, wie es der Spiegel hier darstellt, wird das sicherlich nicht sein.

Grundsätzlich habe sich das Verhalten der Stammbesatzung „nur lose an der Inneren Führung“ orientiert, berichteten die Soldaten. So hätten sich die Mannschaftssoldaten „beinahe wie Könige“ aufgeführt, ein echter Kontakt zwischen den Auszubildenden und der Besatzung sei nie zustande gekommen.

„Lose an der Inneren Führung orientiert“ gilt es deutlich zu prüfen (no go!), ABER: Dass es zu keinem „echten Kontakt“ zwischen Auszubildenden und der Mannschaft kam, ist wahrscheinlich sogar absolut gewollt. Das ist ein gewolltes „Ihr das Oben, wir hier Unten“, um den Teamgeist der Auszubildenden zu schärfen. Denn es gibt (bewusst installiert) einen gemeinsamen „Gegner“: Die Ausbilder, die die Auszubildenden (gewollt!) an den Rand der psychischen und physischen Leistungsfähigkeit heranbringen. Diese „Anspornen“ gelingt nicht, wenn der Ausbilder ein liebenswürdiger Tofu-Tee-Trinker ist. Er ist derjenige, der den jungen Soldaten jeden Tag ein bisschen mehr fordert. Muskelaufbau schmerzt – ist so. Ob man sich „als König aufführt“ – naja, das nun wieder ist ebenfalls ein no-go.  Obschon die Beschwerden auch wieder als subjektive Eindrücke gesehen werden müssen und man beiden Seiten Gehör schenken muss.

So berichtete einer der Offiziersanwärter dem Team von Königshaus, dass sich die Offiziere in einem angelaufenen Hafen „hemmungslos besoffen“ hätten.

ALLE 11 (elf) Offiziere (dieser Eindruck wird erweckt), oder „einige Offiziere“. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wirklich ALLE Offiziere gleichzeitig betrunken waren.

Als Hafenwache habe er mehrere falsche Alarme wegen Feuer auf dem Schiff nachgehen müssen, die nach seiner Ansicht nach von den betrunkenen Offizieren ausgelöst worden waren.

Jau, das tun die. Wenn die Admiralität der Marineflieger feierte – oder im O-Heim eine grosse Party mit Gästen aus Bonn (war damals noch Hauptstadt) statt fand, war die Wahrscheinlichkeit einer Alarmierung schon 1980 immer besonders hoch. Die am Alarm aktiv beteiligten Offiziere  waren allerdings nüchtern – hatten aber einen ausgesprochenen Spass uns Soldaten mal mitten in der Nacht – fluchend und gähnend auf die Dienstellen hetzen zu sehen. Ja, die dürfen das – so what? Wenn wir gut „performt“ haben, gab es auch anerkennendes „Gemurmel“. Wir haben auch unsere Späße gehabt und gemacht.

Schließlich habe er „auf dem Deck Erbrochenes der Offiziere wegputzen müssen“, so das Dossier.

Jepp, sowas passiert – auch mal einem Offizier. Zuerst wird man das als „kleinster Depp an Bord“ sauber machen müssen – wenn man das vernünftig zu der betreffenden Person kommuniziert, wird es aber auch wohlwollend anerkannt (zumindest ist das meine Erfahrung gewesen). Manchmal darf man sich halt nicht zu fein sein.

Im Visier steht Kommandant Schatz. Dieser habe nach dem Tod „trockene“ Reden gehalten: Der Todesfall sei ein Unglück, jedoch normal wie ein Flugzeugabsturz.

Als was hätte Schatz den Tod denn sonst bewerten sollen? Flennend den lieben Gott um Zuversicht bitten sollen? Ein Offizier ist kein Pastor. Er ist nur äusserst begrenzt für das Seelen der ihm unterstellten Soldaten verantwortlich. Dafür gibt es den Militärgeistlichen. Unsere Offiziersanwärter dürfen auch nicht vergessen, dass SIE es sein werden, die in Zukunft dafür verantwortlich sein werden, dass militärische Einheiten auch unter grössten Druck schlicht und ergreifend funktionieren. Sie müssen deutlich belastbarer sein, als ihre Untergebenen.

Die Offiziersanwärter empfanden es zudem als unpassend, dass die Besatzung kurz nach dem Tod „zur Tagesordnung überging“ und heftig und lautstark Karneval feierte.

Zur Tagesordnung übergehen: Ja was denn sonst? Einen Ausflugsdampfer hätte man vielleicht mit Kränzen behängt, aber eine militärische Einheit hat zu aller erst eine Aufgabe zu erledigen. Es ist erschreckend, dass Offiziersanwärtern dies anscheinend nicht bewusst ist. Karneval feiern ist allerdings wahrscheinlich eher unnötig und zumindest zweifelhaft. Muss nicht sein.

So richtig spannend finde ich folgenden Passus:

Der Bericht enthält neben Vorwürfen auch Hinweise, dass die Marine sowohl Kadetten als auch Besatzung vor dem Einsatz an Bord nicht ausreichend getestet hat. So gibt Königshaus wieder, dass ihm ein Marineteam mitgeteilt habe, man teste gerade „ein neues Prüfungsverfahren zur Verwendungstauglichkeit“. „Bemerkenswert“ sei das erste Testergebnis, demnach fielen „50 Angehörige der aktuellen Besatzung der Gorch Fock“ bei dem neuen Test durch. Die Soldaten wiederum beklagten, dass es keinen richtigen Eignungstest für das Schiff gebe.

Zuerst einmal ist die Gorch Fock NICHT für das Auswahlverfahren verantwortlich. Dieses dürfte beim Marineamt geschehen (entzieht sich meiner Kenntnis). Das aber 50% der Marineoffiziersanwärter nicht für den Seedienst tauglich sind, halte ich für eine absolute Brüllwitznummer. Wer hat denen denn den Berufswunsch „Offizier“ ermöglicht? Wer schon als junger Mensch nicht die Tauglichkeit für den Seedienst hat, was soll aus dem werden, wenn er mal 40 ist? Sind denn da nur noch Krüppel unterwegs?

Ein Kadett erhob bei den Gesprächen mit dem Königshaus-Team auch den Vorwurf der sexuellen Nötigung gegen die Stammbesatzung. Der Erinnerung des Soldaten nach hätten ihn mehrere Männer der Besatzung im Hafen von Las Palmas in der Dusche angesprochen. Es sei „auf dem Schiff ähnlich wie im Knast, jeder Neue müsse seinen Arsch hinhalten“. Daraufhin hätten sie eine Shampoo-Flasche auf den Boden geworfen und ihn aufgefordert, sich danach zu bücken – ein Ritual, das man sonst nur aus Filmen über die Zustände in Gefängnissen kennt.

Hört sich richtig fiese an – ABER: Was, wenn diese Soldaten dem jungen Offiziersanwärter „nur“ einen Schreck einjagen wollten. Kann man sich so etwas bei einem Fußballverein in der Duschkabine vorstellen? „Hey Neuer: Bück dich“. Was allerdings folgt, ob man unter schallendem Gelächter ob des dummen Gesichtes des „Neuen“ einfach weiter macht, oder ob es tatsächlich zu einem (NICHT zu tolerierenden!)  sexuellen Übergriff gekommen wäre, steht auf einem anderen Blatt.

Aber der Fall geht weiter, denn:

Demnach hätten die Besatzungsmitglieder ihm gedroht, sie seien Mitglieder des „Aryan Brotherhood“. Diese rassistisch ausgerichtete Gruppe hat in den USA ein Netzwerk in Gefängnissen und ist für Morde, Erpressung und illegalen Drogenhandel in den Knästen verantwortlich. Nach einer Meldung durch den Soldaten ließ Kommandant Schatz die gesamte Mannschaft an Deck antreten. Ob es zu einer strafrechtlichen Verfolgung der Tat kam, ist nicht ganz klar. Der Soldat hörte nur als Gerücht, die Männer hätten wegen des Vorfalls Ärger bekommen.

Ja, so läuft das, der Untergebene bekommt nicht immer mit, wenn ihm vorgesetzte Personen betraft werden. Dieses mag für das eventuelle Opfer unbefriedigend sein, hat allerdings in einer Organisation wie einer Armee auch einen Sinn: Die Bestrafte verliert nicht seine Autorität vor den Untergebenen.

Aus eigener Erfahrung werte ich den Vorfall mit :“Lass das Shampoo fallen“ als einen Scherz, der derbe, aber lässlich ist. Solange es zu keinen weiteren Handlungen kommt! Die Nummer mit der „Aryan Brotherhood“ allerdings verdient es, dass da welche RICHTIG auf den Arsch kriegen.

Was man aber nicht ausblenden darf ist, dass wir es hier (auf beiden Seiten) typischerweise mit sehr jungen Erwachsenen zu tun haben. Diese machen (das ist keine Entschuldigung!) Fehler. Taten es und werden es (immer wieder auf Neues)  tun. Nicht die gleichen Personen (so der erzieherische Effekt einsetzt), aber andere werden an ihre Stelle rücken und die selben oder andere Fehler machen.

Um junge Menschen 100%ig davon abzuhalten diese Art von Fehler zu machen müsste man ein Druckszenario aufbauen, dass dann wiederum dazu führt, dass dieselben Medien von unhaltbaren Zuständen in der Bundeswehr schreiben würden.

Es gibt immer zwei Seiten und man muss sehr vorsichtig sein wie man bewertet.